
Rotten Tomatoes gibt jedem Film einen Daumen hoch oder runter. Versaut diese Bewertungskultur nicht nur das Kinoerlebnis sondern zerstört sie nebenbei auch noch die Filmindustrie?
Wer hat bei Transformers: The Last Knight die Luft rausgelassen? Der fünfte Film der Reihe startete vorletztes Wochenende und blieb nicht nur hinter den Erwartungen zurück – er hatte sogar das schlechteste Startwochenende aller Transformers-Streifen. Offenbar waren vier bombastische Nonsens-Filme über riesige Roboter, die sich gegenseitig verprügeln, genug für die Kinozuschauer. Da die Filmindustie aber Schuldzuweisungen liebt, begann die Suche nach dem Verantwortlichen von „Floptimus Prime“.
Die Schauspieler können nichts dafür, sie erledigen nur ihren Job. Vielleicht ist die Schuld eher bei Regisseur Michael Bay oder gar Produzent Akiva Goldsman zu suchen. Letzterer hat nämlich ein ganzes Team von Autoren zusammengestellt, um wie am Fließband einen Transformers-Film nach dem anderen für Paramount und Hasbro zu produzieren. Oder, hey, warum nicht gleich Paramount beschuldigen, die hätten schon längst aufhören sollen den letzten Cent aus der einzigen ertragreichen Melkkuh zu quetschen – neben Mission:Impossible.
Vielleicht liegt die Schuld auch in den Daten. Nach einer Reihe von Filmen, die diesen Sommer weder ihre kommerziellen Ziele noch die Kritikererwartungen erfüllt haben, machten einige Hollywood-Insider die Bewertungsseiten wie Rotten Tomatoes oder Metacritic dafür verantwortlich. Baywatch, Die Mumie, Pirates of the Carribbean: Salazars Rache – sie alle gingen gnadenlos unter, gefangen zwischen dem vernichtenden grünen Klecks des Tomatometers und dem Schwefelgelb der Eher-Geht-So-Wertung von Metacritic.
Will ich Menschen scheitern sehen?
„Ich will, dass jeder Film gut wird. Das will ich wirklich. Ich hoffe, dass jeder Film, den ich sehe, gut ist”, sagt Matt Atchity, Chefredakteur von Rotten Tomatoes. „Will ich Menschen scheitern sehen? Nein. Ich will niemanden scheitern sehen.” Trotzdem tun sie es. Und vielleicht tun sie es wegen Rotten Tomatoes.
Gegründet im Jahr 1998 ging Rotten Tomatoes durch die Hände vieler Besitzer, zuletzt die Kinoticket-Seite Fandango. Sie ist wiederum selbst Teil von Warner Brothers und Comcast. Das Konzept ist simpel: Inspiriert von den ikonischen Filmkritikern Gene Siskel und Roger Ebert rechnet Rotten Tomatoes hunderte Kritikermeinungen in einfache Daumen-hoch/Daumen-runter-Bewertungen um und erstellt so ein Abbild, das die Gesamtqualität eines Films einfangen soll. Eben ein „Fresh” für gute Filme oder ein „Rotten” für schlechte. Wenn die Seite 100 Kritiken sammelt und zehn davon negativ sind, ist das eine Wertung von 90 Prozent.
Die Seite hat ziemlich klare Regeln, welche Kritiker und Online-Magazine sie mit einbezieht – etwa 2000 Kritiker sind grundsätzlich im Pool, kein Film bekommt allerdings von allen eine Bewertung.
Manchmal ist eine 2,5 von 5 bei einem Film bereits Rotten
Einige Medien haben sich auf die binäre Einschätzung eingestellt und schicken gleich mit, wie Rotten Tomatoes ihre sicherlich nuanciertere Kritik zu kodieren hat. „Manchmal ist eine 2,5 von 5 eines bestimmten Kritikers Fresh, bei einem anderen Film vielleicht Rotten. Wir haben damit kein Problem”, sagt Atchity.
Metacritic wurde ein Jahr nach Rotten Tomatoes gegründet und arbeitet mit mehr Abstufungen in der Bewertung – und ist als Folge vielleicht weniger einflussreich. Die Seite aggregiert zudem Bewertungen von Computerspielen und führt Wertungen von 58 Quellen in eine 100-Prozent-Skala zusammen. Ein Film mit 3 von 5 Punkten ist eine 60 bei Metacritic, eine 7.2 vom Paste Magazine ist eine 72. Reviews von der New York Times werden von Hand kodiert. Filme qualifizieren sich mit vier Kritiken für einen Metascore.
Anders als Rotten Tomatoes gewichtet Metacritic den Einfluss einiger Kritiker höher als anderer. „Das ist unsere kleine Geheimformel. Und dabei belasse ich es”, sagt Keith Kimbell, Filmredakteur bei Metacritic. „Das ist etwas, was wir für uns behalten, um uns von einfachen Durchschnittswerten abzuheben.”
All das klingt vernünftig – harmlos sogar. Aber die Wertungen von Rotten Tomatoes tauchen nicht mehr nur auf der eigenen Seite auf, sondern auch in Kritiken und Artikeln über die Filme, sowie im Ticketauswahlmenü von Fandango. Im Vorfeld von Wonder Woman wurde der sehr hohe Score selbst zu einer Nachricht.