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Von sinnvollen Regeln für Google und Facebook

von Johnny Haeusler
Ein bekannter US-Berater hat ein Essay über die Macht der Internet-Konzerne verfasst, das für Aufsehen sorgt. Er macht konkrete Vorschläge, wie Facebook, Google und Co. kontrolliert werden müssen. „Endlich!", findet unser Kolumnist Johnny Haeusler.

Roger McNamee ist US-amerikanischer Investor und Musiker – seine Mischung aus hippieesker Kreativität, Philanthropie, Geschäftssinn und Reichtum sorgt für eine nicht immer nachvollziehbare Biografie.

McNamee beriet Bill Gates und Mark Zuckerberg, die ihn beide in höchsten Tönen loben, doch der Umgang mit den Unternehmen im Portfolio seiner Investmentfirma Elevation Partners, zu dessen Team auch U2s Bono gehört, wird nicht immer ganz so wohlwollend betrachtet. Gleichzeitig berät und unterstützt McNamee die Wikimedia Foundation aktiv und setzt sich gemeinsam mit seiner Frau Ann McNamee für den Schutz freilebender afrikanischer Elefanten ein.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch ein derzeit viel gelesener Artikel von Roger McNamee mit dem Titel „How to Fix Facebook—Before It Fixes Us“ (Wie wir Facebook reparieren – bevor es uns repariert).

Der ausführliche, sehr spannende und leidenschaftlich verfasste Text erzählt zunächst die persönliche Geschichte von McNamees Bezug zu Facebook und seiner späteren Erkenntnis, dass Facebook – aber auch Google – durch den von der US-Politik kaum regulierten Umgang mit Nutzerdaten und Werbekunden zu einem gesellschaftlichen Problem geworden sei. McNamee beschreibt, wie er gemeinsam mit anderen Experten russischen Einfluss sowohl auf die US-Wahlen als auch auf das Brexit-Referendum festgestellt hätte, und wie sein Team versuchte, Washington davon zu überzeugen, dass schnelles Handeln und strengere Kontrollen der großen Internetfirmen nötig seien.

Nicht immer hat McNamee dabei völlig sauber recherchiert oder die andere Seite zu Wort kommen lassen. So verschweigt er Googles Bemühungen zur Aufklärung der russischen Manipulationsversuche und die – wenn auch etwas mageren – Ergebnisse der dazu gehörenden Recherche (Link zum PDF). Auch auf Googles Änderungen bei AdWords in Europa nach dem Bußgeld der Europäischen Kommission hätte man hinweisen können – oder darauf, dass nicht alle diese Sache so eindeutig sehen. Und auch Facebooks Reaktionen auf die Vorwürfe wären zumindest erwähnenswert gewesen – auch wenn sie das Unternehmen nicht immer ganz so gut dastehen lassen.

Doch das Bemerkenswerte am Text von McNamee ist nicht in erster Linie seine Sicht der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, denen wir in Sachen Facebook, Google und Twitter gegenüberstehen. Das hat man schon an anderen Stellen gelesen. Viel bemerkenswerter ist die Tatsache, dass er konkrete Lösungen für die von ihm beschriebenen Probleme vorschlägt, eine Seltenheit in Essays über den aktuellen Zustand des Internet.

Die von ihm vorgeschlagenen acht Punkte in brutal gekürzter Form:

  • Ein Verbot von sich als Menschen ausgebenden Bots in den Sozialen Netzwerken.
  • Starke Regulierung von Neuzukäufen durch Mega-Unternehmen (wie z.B. im Fall der Käufe von Instagram und Whatsapp durch Facebook oder YouTube durch Google) zur Verhinderung von Monopolen.
  • Transparenzgesetze im Fall von politischer Werbung – erste Ansätze dafür finden sich bereits im Honest Ads Act.
  • Transparenz bei eingesetzten Algorithmen – Nutzerinnen und Nutzer sollen wissen, auf welcher Datenbasis ihnen welche Werbung angeboten wird.
  • Die Möglichkeit für Nutzerinnen und Nutzer Sozialer Netzwerke, neue AGB ablehnen zu können, ohne dabei bisherige Nutzungsrechte zu verlieren.
  • Zeitliche und räumliche Einschränkungen bei der Verwendung von Nutzerdaten durch Plattformen/Anbieter.
  • Nutzerdaten bleiben im Besitz der Nutzer und können zur Verwendung in anderen Netzwerken exportiert werden (Anmerkung: Dies ist inzwischen mehr oder weniger umfangreich bei Google und auch bei Facebook möglich).
  • Erneuerung der Haltung und Gesetze der USA gegenüber Monopolen.

Beim ganzen Text von Roger McNamee ist dabei zu beachten: Der mögliche Einfluss russischer Kräfte auf den Ausgang der letzten US-Wahlen ist in den USA ein viel größeres Thema als bei uns, denn die Erkenntnisse könnten Teil eines Prozesses sein, der Donald Trump stürzen könnte – so die Hoffnung einiger Kritiker des aktuellen US-Präsidenten. McNamees Konzentration auf dieses Thema in der ersten Hälfte des Textes zielt auf Solidarität der (US-amerikanischen) Leserschaft für seine Lösungsansätze.

Und vielleicht noch wichtiger: Politik, die regulierenden Einfluss auf Unternehmen nimmt, ist in den traditionell in dieser Hinsicht liberaler denkenden Vereinigten Staaten von Amerika noch wesentlich umstrittener als in Europa. Der angeblich so freie Markt gilt dort vielen als unantastbar, der Ruf nach politischer Regulierung von Unternehmen wird in den USA schnell als „kommunistisch“ gebrandmarkt.

Dabei ist der Kampf zwischen „Freien Märkten“ und Wirtschaftsregulierung, zwischen Neoliberalismus und Sozialdemokratie genau der, der in den kommenden Jahren in vielen Jahren weiter im Vordergrund stehen wird, nicht nur in den USA. Sein Ausgang wird bestimmen, wie sich unsere Gesellschaft, wie sich das Internet weiterentwickelt, und der Text von Roger McNamee hat einen Teil dazu beigetragen, dass die generellen Themen in einer breiteren (Netz-) Öffentlichkeit diskutiert werden. Und das ist auch hierzulande nötig.

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von WIRED Staff