Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Schaltet eure Push-Nachrichten einfach ab!

von David Pierce
Hier ein neues Sonderangebot, da ein entfernter Bekannter, der lange nichts mehr auf Instagram gepostet hat. Push-Mitteilungen verlangen nach sofortiger Aufmerksamkeit. Warum ihr diesen Benachrichtigungsterror sofort beenden solltet.

Push-Mitteilungen ruinieren mein Leben, euer Leben und das Leben aller anderen Menschen auch. Wer nur ein paar wenige Apps herunterlädt, dessen Benachrichtigungen werden zu einer unaufhörlichen Kakofonie des Wahnsinns. Ein normaler Nachmittag auf meinem Smartphone sieht dann so aus:

„Hi David! Wir haben neue Pins zu Kronjuwelen und Kronkorken für dich gefunden!“
„Alle reden über Bill Nyes neues Buch: Everything All At Once. Lies einen kostenlosen Auszug!“
„Alex hat zum ersten Mal seit Längerem etwas gepostet“

Ich bekomme Benachrichtigungen, wenn ein Bekannter auf einen Kommentar eines Fremden auf Facebook antwortet, wenn Serien, für die ich mich nicht interessiere, auf Netflix erscheinen, und jeden Abend um sechs Uhr, wenn das neue Kreuzworträtsel verfügbar ist. Kürzlich habe ich sogar eine Meldung von Yelp bekommen: „Wir haben ein angesagtes neues Geschäft für dich entdeckt“, hieß es auf dem Sperrbildschirm.

Ich öffnete die App für den unwahrscheinlichen Fall, dass Yelp wirklich die angesagte Bar gefunden hat, nach der ich mich schon immer gesehnt habe. Hatten sie aber nicht. Also schloss ich Yelp wieder, starrte für eine Sekunde ins Nichts und öffnete stattdessen Instagram. Meine Produktivität war dahin.

In den letzten paar Jahren wurde immer wieder die Forderung laut, die Beziehung zwischen Mensch und Smartphone zu überdenken. Auch wenn sie viel Gutes tun, haben sie unsere Augen, Ohren und Gedanken fest im Griff – zu fest im Griff. „Wenn ich meinen Kindern die Technik wegnehme, weiß ich genau, was dann passiert”, sagte Tony Fadell, Mitentwickler des iPods und iPhones, kürzlich in einem Interview. „Sie fühlen sich wirklich so, als würdest du ihnen ein Stück ihrer Persönlichkeit entreißen. Sie werden emotional, sehr emotional. Sie haben zwei oder drei Tage lang echte Entzugserscheinungen.“

Smartphones an sich sind nicht das Problem. Es ist das Vibrieren und Klingeln, das unaufhaltsam nach Aufmerksamkeit schreit. Eine Studie von Deloitte hat 2016 herausgefunden, dass Menschen im Durchschnitt täglich 47 Mal auf ihr Handy gucken – junge Leute sogar 82 Mal. Drei Jahre zuvor hatte Apple stolz verkündet, dass 7,4 Billionen Push-Notifications über die Server geschickt wurden. Die folgenden vier Jahre haben diesen Trend nicht umgekehrt.

Notifications sind wie Werbung auf dem Startbildschirm

Es gibt aber eine Lösung: Blockt eure Benachrichtigungen. Wirklich. Schaltet sie alle aus. (Wenn es sein muss, können Anrufe und Chat-Nachrichten an bleiben, aber sonst nichts.) Ihr werdet erkennen, dass ihr den Nachrichtenstrom auf dem Sperrbildschirm nicht vermissen werdet, weil sie ohnehin nie zum Wohl des Users existiert haben. Es sind Methoden für Marken und Entwickler, damit klickhungrige „Growth Hacker” jederzeit Aufmerksamkeit bekommen.

Einer App zu erlauben, Benachrichtigungen zu versenden, ist, als würde man Verkäufern erlauben, einen am Ohr in den Laden zu ziehen. Man lässt damit Werbung ungefragt ins eigene Leben. Zeit, dass das aufhört.

Eigentlich waren Push-Benachrichtigungen dafür gedacht, dass man nicht andauernd auf das Telefon schauen muss. Als BlackBerry 2003 Push-Mail einführte, haben Nutzer gejubelt. Endlich mussten sie nicht mehr andauernd ihre Inbox kontrollieren, aus Angst eine wichtige Nachricht zu verpassen. Wenn eine E-Mail kommt, versprach BlackBerry, werde es das Telefon schon mitteilen. Bis dahin bräuchte man sich keine Sorgen machen.

Apple hat Push-Benachrichtigungen 2008 eingeführt, Google folgte wenig später. Plötzlich war es möglich, dass jeder einfach so auf den Bildschirm platzen konnte. Es war ein Marketing-Traum: Äußerlich kaum von Textnachrichten oder E-Mails zu unterscheiden, müssen Nutzer erst genau hinschauen, um sie zu löschen. „Push-Nachrichten spielen eine wichtige Rolle beim User Engagement“, hat die Digitalagentur Localytics 2015 geschrieben, „und es gibt keine Anzeichen, dass sich das bald ändern wird.”

Durch Smartwatches ist das Handgelenk zu einer Werbefläche geworden

Gut, die verantwortlichen Plattformen und Unternehmen haben immer wieder versucht, das Durcheinander zu bereinigen. Die Apple Watch sollte die Nutzer eigentlich von ihren Smartphones fernhalten. Mit cleveren Filtermöglichkeiten und anpassungsfähigem Vibrationsalarm würden die Träger zwischen Wichtigem und Unwichtigem entscheiden können. Stattdessen hat sich das Handgelenk einfach nur in eine weitere Werbefläche verwandelt – diesmal noch schlechter zu ignorieren.

Nach Jahren der Qual hat Apple schließlich einen einfachen Weg geschaffen, alle Benachrichtigungen auf einmal zu löschen. Google hat derweil die Push-Einstellungen für jede App vereinfacht und plant, den Usern mit einem zukünftigen Update mehr Kontrolle über die Auswahl der Nachrichten zu geben.

Und trotzdem gibt es noch viel Luft nach oben. Outlook könnte zum Beispiel nur E-Mails durchlassen, die vom Chef oder Partner kommen. Man könnte „Keine Coupons” auswählen und dann alle Apps auswählen, auf die diese Einschränkung zutreffen soll. Es sollte Einstellungen geben, die bestimmte Notifications nur während der Arbeitszeit durchlassen. Facebook könnte herausfinden, bei wem man wirklich an Mitteilungen interessiert ist und entsprechend reagieren. In jedem Fall würde das zu weniger und qualitativ hochwertigen Benachrichtigungen führen. Gut für den Nutzer, schlecht für die Unternehmen, die etwas verkaufen wollen.

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint das Benachrichtigungs-Management wie ein Kampf gegen Windmühlen. Nachrichten-Apps pushen Mitteilungen, um niemanden an die Konkurrenz zu verlieren. Games betteln darum, gespielt zu werden, damit sie mehr Geld über In-App-Käufe verdienen. Werbefinanzierte Apps wollen geöffnet werden, damit die Nutzer sich Werbung ansehen. Man kann jede Notification auf Facebook ausstellen (vorausgesetzt man findet heraus wie), aber im Zweifel erfindet die Plattform einfach neue Benachrichtigungsarten, die Nutzer erst wieder deaktivieren müssen.

Es gibt keinen Grund, warum irgendein Unternehmen die Häufigkeit der Mitteilungen herunterfahren sollte. Google, Apple und Facebook freuen sich über jeden, der einmal mehr auf sein Smartphone schaut. Ohne die Interaktion der User könnten sie nicht leben.

Weder Android noch iOS haben eine gute Lösung gefunden

Weder Android noch iOS bieten eine Möglichkeit, schnell viele Benachrichtigungen auf einmal abzustellen. Bei beiden Betriebssystemen muss man erst tief in die Einstellungen vordringen und dann jede App einzeln auswählen, um ihre Mitteilungen zu deaktivieren. Es ist ein Kampf, der sich jedoch mehr als als lohnt. Lasst eine Episode von Glow im Hintergrund laufen (die vermutlich Netflix gerade per Mitteilung empfohlen hat) und arbeitete die Apps ab. Weg mit den Benachrichtigungen der sozialen Netzwerke! Schluss mit Shopping-Tipps! Fitness-Apps können ab sofort auch den Mund halten, genauso wie Netflix, Spotify und Kindle! Genießt dann die Ruhe vereinzelter WhatsApp-Nachrichten und gelegentlicher Anrufe.

Wer die Vorstellung, keine Notifications mehr zu bekommen, nicht ertragen kann, dem bleibt eine Alternative: In iOS kann man Apps auf „In Mitteilungszentrale anzeigen” stellen. Keine Töne, nichts auf dem Sperrbildschirm, keine Banner-Benachrichtigungen. Nichts lenkt dann mehr ab und alle Mitteilungen erscheinen erst, wenn man die Zentrale aufruft. Bei Android gibt es die vergleichbare Einstellung „Ohne Ton anzeigen”.

Die Mitteilung auszustellen hält niemanden davon ab, seine Lieblings-Apps zu benutzen. Es gibt euch nur ein Stück weit die Kontrolle zurück. Es geht darum, auf das Smartphone zu schauen, wann man selbst will und nicht, wann Amazons Datenanalytiker sagen, dass man am ehesten in der Stimmung ist, etwas zu kaufen.

Ich bin trotzdem noch die ganze Zeit auf Twitter, aber werde nicht mehr dazu gezwungen, weil vier Leute ein Foto geliket haben. Apps wie Instagram und Facebook sind so programmiert, dass sie bei jedem Öffnen die besten Inhalte anzeigen – man verpasst also nichts, wenn man die Benachrichtiungen ignoriert. Und wenn die ausbleibenden Push-Nachrichten dazu führen, dass man das Smartphone weniger nutzt? Nun, dann gern geschehen.

Ich habe die Benachrichtiungen von jeder einzelnen App bis auf ein paar Ausnahmen ausgeschaltet. Telefon, SMS, Kalender, Outlook und Slack bleiben an (ich arbeite einfach zu gern). Der Rest kann still bleiben und es geht mir viel besser damit. Wer glaubt, dass ich verrückt bin, auf all die tollen Nachrichten zu verzichten, kann sich gerne bei mir auf Twitter beschweren. Das werde ich aber erst sehen, wenn ich die App öffne und keine Sekunde früher.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
Das Original lest ihr hier.

GQ Empfiehlt
Facebook erhält Support für Apple TV

Facebook erhält Support für Apple TV

von WIRED Staff