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Rente mit Mitte 20: So verläuft die Karriere von Profi-Gamern

von Liske Jaax
Zehntausende schauen im Livestream zu, wenn die besten Gamer beim Multiplayer-Spiel „League of Legends“ gegeneinander antreten. Mit Sponsoring und Turnier-Preisgeldern verdienen sich viele Gaming-Profis ein Zusatzgehalt, doch nur eine Handvoll von ihnen kann davon leben. Und die Karrieren sind kurz: Schon mit Anfang 20 treten die ersten Abnutzungserscheinungen auf.

Vor ein paar Wochen hat Arno Schmidt seine letzte Abiturprüfung an einem Berliner Gymnasium geschrieben. Er ist 18 Jahre alt, aber seine eigentliche Karriere ist fast schon wieder vorbei. Schmidt ist Pro-Gamer, er spielt „League of Legends“, ein Multiplayer-Game im Internet. Und er verdient damit Geld. Sein Team hat das Finale in der eSport-Liga (ESL) erreicht.

Michael Bister, der als Head of Pro Gaming Germany die deutschen Turniere der ESL veranstaltet, sieht in Schmidt einen der Großen der deutschen Szene. Zumindest noch für etwa die nächsten drei Jahre. Denn mit Mitte 20 geht man als Pro-Gamer in der Regel in Rente. „Ich kenne keinen deutschen Profi über 30, es gibt vielleicht, ein, zwei Ausnahmen“, sagt Bister. Das hat verschiedene Gründe.

Sehnenscheidenentzündung ist unsere Berufskrankheit.

Fredrik Keitel, „StarCraft“-Profi

Zum einen sind da die Alterserscheinungen. „Viele körperliche Einschränkungen sind zunächst egal“, sagt der ehemalige „StarCraft“-Profi Fredrik Keitel. „Du kannst im Rollstuhl sitzen und trotzdem Profi-Spieler sein. Dafür stumpfen deine Reaktionen schnell ab.“ Fähigkeiten, die ein guter Gamer braucht, sind laut dem 30-Jährigen Konzentration, Reaktionsvermögen und eine gesunde Hand, die Bewegungen schnell umsetzt. Doch der Verschleiß kommt schnell: Die häufigste Berufskrankheit von Pro-Gamern sei die Sehnenscheidenentzündung, sagt Keitel. „Das zwingt die meisten zum Aufgeben.“

So auch einen der Weltbesten: Hai Lam, der vor einigen Tagen noch sein „League of Legends“-Team Cloud9 im Finale der North American League Champion Series anführte, ist jetzt Sport-Invalide. Seine langwierige Handverletzung durch das RSI-Syndrom, auch Mausarm genannt, zwang den 22-Jährigen in den Ruhestand, wie er in einem Blog-Beitrag bekanntgab.

Fredrik Keitel ließ es nicht so weit kommen. Er beendete seine Gamer-Karriere, als er langsamer wurde, seine Reaktionen nachließen. „Den klaren Kopf verliert man irgendwann“, erzählt er. „Ich war jung, irgendwann kommen Partys dazwischen und eine Freundin.“ Vorher aber schaffte es Keitel weit: nach Korea, zu den World Cyber Games, die er als Vize-Weltmeister verließ, und zu vielen anderen internationalen Matches.

Um dahin zu kommen, muss ein Gamer vor allem eines investieren: Zeit. Tägliches Spielen sei unerlässlich, um überhaupt erst in die Nähe der oberen Ligen zu kommen, sagt Michael Bister über seine Erfahrungen in der ESL. Und das mehrere Stunden lang. Arno Schmidt trainiert am Tag in der Regel bis zu fünf Stunden, vor wichtigen Spielen auch länger. „Um vom Gaming leben zu können, müssten es eigentlich acht bis zehn Stunden sein“, sagt der Pro-Gamer. „Aber wenn man auf die 20 zugeht, wird man realistisch.“ Damit meint der Abiturient, die Chance, das Hobby Zocken irgendwann wirklich zum Beruf machen zu können. Die Chance darauf ist sehr gering, auf unter 20 schätzt Michael Bister die Zahl der Pro-Gamer, die in Deutschland vom Spielen leben können. „Wer es schafft, mehr als einen Nebenverdienst daraus zu machen, gehört zu den Besten weltweit.“

Die besten Spieler der Welt verdienen sechsstellig.

Arno Schmidt verdient derzeit monatlich etwa so viel wie ein Minijobber. Über genaue Summen spricht man in der Szene nicht. Zumindest, wenn man noch aktiver Spieler ist. Veteran Keitel hat seine Karriere schon vor knapp zehn Jahren beendet. In den sechs Jahren, in denen er professionell spielte, habe er insgesamt 30.000 Euro verdient, rechnet er vor. Sachpreise und Reisekosten eingerechnet. „Die besten Spieler weltweit verdienen sechsstellig“, sagt Keitel. Diese Summen kommen durch das Sponsoring von Unternehmen und dem Verkauf von Fanartikeln zusammen, ein Geschäft, das vor allen Dingen in Korea und den USA boomt. In Deutschland entsprechen solche Preisgelder noch nicht der Realität, aber der Markt wächst. Immer mehr Konzerne entdecken die Werbeflächen rund um die Matches, mit denen sie vor allem die Jüngeren erreichen wollen. Mehr und mehr Games werden außerdem live gestreamt und über Social Media vermarktet. Pro Saison könne man derzeit bis zu 45.000 Euro verdienen, sagt Experte Bister. Und die Preisgelder werden nach seiner Prognose noch weiter steigen.

Darauf möchte Arno nicht warten. „Ich bin zwar noch nicht am Limit, von dem, was ich erreichen könnte. Aber ich möchte mein Privatleben nicht komplett aufgeben, nur um eventuell für ein, zwei Jahre oben zu stehen.“ Der 18-Jährige möchte erst einmal studieren, vielleicht etwas Soziales. „Gaming ist für mich immer noch ein Hobby. So lange ich in ein paar Jahren immer noch Spaß daran habe, reicht mir das.“ 

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