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Power Rangers ist ein ängstlicher Reboot ohne Identität

von Michael Förtsch
Mit Power Rangers soll die 90er-Jahre-Kultserie einen erwachsenen Neustart bekommen. Doch der gelingt nicht wirklich. Der Film präsentiert zwar ein taffes Team, blickt aber viel zu verschämt auf sein Spandex-Erbe. 

Mich haben die Mighty Morphin Power Rangers vor allem genervt. So sehr man auch wollte, man konnte ihnen in den 90ern nicht aus dem Weg gehen. Heute wiederum stehen sie wie wenig anderes für dieses Jahrzehnt: das explodierende Gras, die peinlichen Spandex-Anzüge, die lachhaften Plastikschwerter und natürlich der Song „Go Go Power Rangers“ sind Popkultur-Nostalgie-Gold! Immer wieder wurden die Power Rangers zitiert, ihre Ästhetik analysiert und parodiert. Und dann war da noch das milliardenschwere Konglomerat von Spin-Off-Serien und Film-Auskopplungen als Billig-Patchwork, für das Aufnahmen von US-Schauspielern mit Material der  japanischen Serie Kyōryū Sentai Zyuranger verschnitten wurden.

Etliche Hobbyfilmer haben über die Jahre ihre Katzen und Hunde Power-Rangers-Szenen nachspielen lassen. Es gibt die albernen YouTube-Rangers, die verstörenden Meet the Putties und ambitionierten Teenagers With Attitude. Mit Power/Rangers hat der Hart-am-Limit-Regisseur Joseph Kahn einen aufwändigen Kurzfilm produziert, der auch über das Netz hinaus Beachtung fand. Denn Kahn dekonstruierte die kunterbunte Serie äußerst clever zur finsteren Dystopie – und kritisierte damit auch den Trend der Dark&Gritty-Reboots.

Nun hat Project-Almanac-Regisseur Dean Israelite dem Kult-Franchise mit Power Rangers einen 105-Millionen-Dollar-Neustart im Kino verpasst. Der Film wirft uns zu Anfang 65 Millionen Jahre in die Vergangenheit, um das Aussterben der Dinosaurier neu zu erklären. Daran war hier kein verirrter Meteorit schuld, sondern ein Schlagabtausch zwischen den einstigen Ur-Power-Rangers und der abtrünnigen Ex-Rangerin Rita Repulsa (Elizabeth Banks). Sie tötete alle bis auf den Roten Ranger Zardon (Bryan Cranston), der sich letztlich aber ebenfalls opferte, um Repulsa aufzuhalten und die Medaillons, die den Rangers ihre Kräfte verleihen, in einem Glasblock einzuschließen.

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Zurück in der Gegenwart gibt es zunächst einen infantilen Scherz über das Melken eines Bullen. Dann ruiniert sich die Football-Hoffnung Jason (Dacre Montgomery) bei einem Autounfall sein Bein. Der Star des Kleinstädtchens Angel Grove wird urplötzlich zum Außenseiter mit elektronischer Fußfessel. Eher widerwillig lässt er sich vom Nachsitzen vom technisch versierten und autistisch veranlagten Billy (RJ Cyler) zu einer Goldmine mitschleppen, wo dieser den Glasblock mit den Medaillons freisprengt. Ganz zufällig sind auch Kimberly (Naomi Scott), Zack (Ludi Lin) und Trini (Rebbeca Gómez) dabei, die anschließend gemeinsam vor dem Wachdienst flüchten und dabei von einem Zug erfasst werden. Am nächsten Tag wachen sie alle jedoch unversehrt, ziemlich irritiert und mit übermenschlichen Kräften auf.

Die fünf Teenager sind keine Abziehbilder, sondern echte und ziemlich charmante Personen

Die Gruppe ist gut gecastet. Die fünf Teenager sind keine Abziehbilder, sondern echte und ziemlich charmante Personen. Man kann durchaus Sympathie zu ihnen aufbauen, weil sie verständliche „Komplexe“ mit sich herumtragen, die aber leider eher als „Schaut! Wir sind erwachsen, progressiv und mutig“-Statements der Produzenten denn als echte Persönlichkeitsfacetten fungieren. So outet sich Trini bei einem Lagerfeuergespräch als lesbisch, jedoch wird die einfühlsame Szene allzu schnell fallen gelassen und nicht weiter reflektiert.

Fast drei Viertel des Films werden auf die Origin-Story, das Vorstellen von Charakteren und eine geerdete Hintergrundgeschichte verwendet. Dazu gehört auch der tote Ur-Ranger Zardon, der – wie auch immer – im Speicher seines verschütteten Raumschiffs weiterlebt, das die Teenies später entdecken. Anders als in der Serie zeigt sich Zardons Gesicht nicht in einem Wassertank, sondern auf einem riesigen 3D-Nagelbett an der Wand und offebart eher wenig Vertrauen in seine Nachfolger. Dennoch schickt er sie mit dem plappernden UFO-Kopf-Robo Alpha 5 ins Ranger-Training – genau in dem Moment, als Rita Repulsas ausgemergelter Körper von einem Fischerboot aufgelesen wird.

Wenig später wütet die Hexen-Domina auch schon in Angel Grove, tötet ohne Sinn und Verstand und sucht dabei einen Kristall, der alles irdische Leben auslöschen soll. Elizabeth Banks' Darstellung ist dabei widersprüchlich, aber effektiv. Ihr fehlt die manische Energie, um wahren Irrsinn zu verkörpern, dennoch wirkt sie als Repulsa unglaublich bedrohlich. Das genaue Gegenteil gilt jedoch für die Schergen, die sie den Rangers auf den Hals hetzt. Die erinnern an tumbe Stein-Golems aus Fantasy-Rollenspielen: öde, träge und vollkommen austauschbar. Auch das Goldar getaufte goldene Riesenmonster von Repulsa ist optisch eher ermüdend und wenig imposant.

Die Kämpfe sind leider kaum packender. Zwar schlagen die Rangers schnell und zackig um sich, die Kamera springt rasant von einem zum nächsten, aber die Choreographie erzeugt keine Dynamik. Anders als bei Marvels Avengers fühlt es sich nicht an, als würden die Power Rangers für- und miteinander kämpfen oder Spaß an der Herausforderungen haben. Erst wenn sie für das Finale in ihre Dinosaurier-Mechs steigen und zum Megazord-Riesenroboter fusionieren, gibt es Momente, in denen ihre Attacken dominohaft zusammenlaufen. Dann wird gelacht, gewitzelt und mit Leidenschaft ausgeteilt. Doch von Action wie in den Marvel-Streifen oder Pacific Rim ist das meilenweit entfernt.

Von Action wie in den Marvel-Streifen oder Pacific Rim ist das meilenweit entfernt

Dean Israelite bemüht sich sichtlich, die Power Rangers auf möglichst bodenständige und gefällige Weise zu inszenieren. In seinen miesesten Momenten erinnert der Film damit leider an das verunglückte Fantastic 4 – und in seinen guten Augenblicken an das grandiose Superhelden-Drama Chronicle (beides ironischerweise Filme von Josh Trank). Comichafte Wiedererkennungswerte wie die verschmitzten Münder der Rangers-Masken, der „Go Go Power Rangers“-Song oder manch infantiler „Pinkel in den Becher“-Witz erscheinen eher widerwillig eingestreut. Neckisches Augenzwinkern ans Original oder selbstbewusste Seitenhiebe auf den Internet-Kult um das Franchise? Nicht vorhanden.

Gerade dieses angestrengte Verleugnen der Vergangenheit und das Ausmustern des farbenfrohen Over-the-Top-Charmes der alten Serie machen es schwer, Power Rangers ernstzunehmen. Dabei hätte Lionsgate durchaus die Chance gehabt, den eigensinnigen Samstagmorgen-Spaß in einen zeitgemäßen Look zu kleiden, ohne Geschichtsrevisionismus zu betreiben. Im Februar war nämlich das ursprüngliche Skript vom einst als Drehbuchschreiber angeheuerten und dann wieder gefeuerten Chronicle- und American-Ultra-Schreiber Max Landis ins Netz gelangt.

Im Gegensatz zum finalen Drehbuch von John Gatins schwebte Landis eine bissige und selbstbewusste Interpretation vor, die das Erbe, die markanten Elemente der Mighy Morphin Power Rangers und ihren Beitrag zur Popkultur stolz umarmte. Zardos' Gesicht schwebte hier im Wassertank, das Warum der Geschichte wurde nachvollziehbar, aber dennoch mit selbstironischem Witz erklärt. Dazu gab es einen kräftigen Seitenhieb auf Geschlechterklischees und ein Ende, das wohl viele Fans mit einem zufriedenem Lächeln zurückgelassen hätte.

Unser Fazit: Power Rangers ist keine selbstsichere Neuinterpretation, sondern ein ängstlicher Reboot. Nicht unbedingt schlecht aber mut- und konturlos und ohne eigene Identität. Ein weiterer Superheldenstreifen, der in der Masse der Kinospektakel leicht untergeht und durch nichts anderes besticht als den angestaubten Namen. Da wäre mehr gegangen. Dennoch hat Power Rangers auch seine positiven Momente, die vor allem dem engagierten Cast zu verdanken sind. Vielleicht genügt das schon, um den in einer Post-Credit-Szene angedeuteten zweiten Teil zu rechtfertigen.

Power Rangers kommt am 23. März 2017 in die deutschen Kinos.

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