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„Path Out" macht die Flucht aus Syrien zum Retro-Spiel

von bento
Das Spiel „Path Out“ mischt Realität und Fiktion: Es geht um die Flucht von Abdullah Karam aus Syrien – eine wahre Geschichte. 16-Bit-Optik und eine Prise Humor helfen, trotz des ernsten Themas Spielfreude zu erleben.

Abdullah steht im dunklen Wald. Er ist auf der Flucht und sein Schleuser hat ihn mitten im Nirgendwo abgesetzt. Es gibt keine Orientierung. Vorsichtig drücke ich die Pfeiltasten der Tastatur. Die kleine, pixelige Figur läuft umher – und steht plötzlich Nase an Nase mit einem bewaffneten Mann. Der Bildschirm färbt sich rot. 

„Oh Gott, ich habe ihn getötet“, denke ich. „Na toll, du hast mich getötet“, sagt der echte Abdullah, dessen Gesicht im Spiel erscheint und mich vorwurfsvoll anguckt. Denn das Spiel „Path Out“ mischt Realität und Fiktion: Zu Grunde liegt eine wahre Geschichte – Abdullahs wahre Geschichte.

Abdullah Karam ist vor gut drei Jahren aus Syrien geflohen. Ein Jahr später hatte er es geschafft: Er ist in Österreich angekommen, seiner neuen Heimat. Nun hat sich der 21-Jährige einen Traum verwirklicht und gemeinsam mit einer deutschen Spielefirma das Spiel entwickelt, das seine Flucht nachzeichnet. 

Und es zeigt: So schwer und ernst das Thema auch ist, mit ein wenig Humor – und einer old school 16-Bit-Optik – ist es etwas einfacher zu bewältigen. „Path Out“ ist ein Rollenspiel, in dem der Spieler versucht, als Abdullah aus der syrischen Heimat in die benachbarte Türkei zu fliehen. Die Entscheidung für die Flucht wird von Abdullahs Eltern getroffen, nachdem sein Bruder bei einer Demonstration gegen Präsident Baschar al-Assad in einen Schusswechsel geriet wird.

All das ist tatsächlich so passiert: „Am Emotionalsten war für mich der Moment, in dem ich mich von meinen Eltern verabschieden musste. Das wünsche ich niemandem“, sagt Abdullah zu bento.

Kommt schon! Wir haben keine Kamele in den Straßen, nur an Touristenorten

Abdullah Karam

Nur Kleinigkeiten wurden für die Erzählstruktur des Spiels abgewandelt – und die verraten teilweise viel darüber, wie Deutsche sich Syrien vorstellen. Zum Beispiel das Haus, in dem Abdullahs Familie lebt: Im Spiel ist es eine große Anlage mit hübsch gefliestem Innenhof im arabischen Stil – in der Realität war es ein modernes Gebäude. 

„Genießt das Klischee“, sagt Abdullah zum Spieler im Videokommentar. Noch stereotyper wird es auf der Straße vor dem Haus: Dort steht ein Kamel. Das ist selbst für Abdullah zu viel. „Kommt schon! Wir haben keine Kamele in den Straßen, nur an Touristenorten“, sagt der Video-Abdullah zu den Vorurteilen der Deutschen. 

Elemente wie solch ironische Kommentare schaffen einen erleichternden Kontrast zu den sehr ernsten Themen der Geschichte. Denn obwohl die Figuren kleine Pixel-Männchen sind und die Umgebung an die Retro-Spiele aus den späten Achtzigern erinnern, wird man sehr schnell in die Geschichte gezogen und fühlt sich als Teil der Handlung. 

Zum Beispiel, wenn einem erklärt wird, man solle lieber nicht mit einem bestimmten Nachbarn sprechen – „der schreibt Berichte an die Regierung“. Oder die besorgten Gesichter der Eltern, als sie von dem Vorfall auf der Demonstration erzählen.

Dadurch sollen Menschen von seiner Geschichte erfahren und trotzdem dabei Spaß haben. „Außerdem bin ich ja selbst Gamer“, sagt Abdullah, der vor seiner Flucht gerade das syrische Äquivalent des Abiturs gemacht hatte und ein ganz normales Teenager-Leben führte.

Positive Reaktionen

Die Reaktionen auf das Spiel seien bisher sehr positiv, erzählt Georg Hobmeier, einer der Köpfe von Causa Creations, die das Spiel mit Abdullah zusammen entwickelt haben.

Die Firma hat bereits Erfahrung mit dieser Art von Videospielen, denn sie produziert ausschließlich politische Games. Dabei geht es mal um die Entsorgung alter Smartphones und mal um die Frage, was eigentlich Freiheit bedeutet. 

Das Unternehmen ist damit Teil einer wachsenden Bewegung im Games-Bereich: „Vor einigen Jahren konnte man mit politischen Spielen noch kein Geld verdienen, doch dann kam mit ,This War of Mine‘ ein Umbruch“, sagt Hobmeier zu bento. Das Spiel von 11 Bit Studios erschien 2014 und erzählt die Geschichte einer Gruppe Menschen, die in einer vom Krieg zerstörten Stadt überleben müssen. 

„Path Out“ hat nun ein ähnliches Thema. Doch das Besondere an diesem Spiel ist, Abdullah immer wieder zu begegnen, seinen Kommentaren zuzuhören und sich daran zu erinnern, dass Krieg für viele Menschen eben kein Spiel ist.

Bisher gibt es das Spiel nur als Demoversion auf itch.io zum Herunterladen. Das vollständige erste Kapitel von Abdullahs Flucht erscheint im Oktober auf der Games-Plattform Steam. Um eine Vollversion produzieren zu können, bemüht sich Causa Creations nun um weitere Finanzierung. 

Bento

Dieser Artikel erschien zuerst bei Bento
Das Original lest ihr hier.

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