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Binaural Bits / Orte, Geschichten & Geräusche: Die besten Apps für Audiowalks

von Moritz Metz
Spazieren und nebenbei einer Geschichte lauschen. Sogenannte Audiowalks beweisen, dass Orte, Geschichten und Geräusche zusammengehören. Moritz Metz vom Berliner Radiobüro hat fünf Konzepte für Audiowalks getestet.

An einem Sonntagnachmittag fuhr ich an den Wannsee. Bei einem Kiosk lieh ich mir Kopfhörer und einen MP3-Player. Damit hörte ich ein zum Kleistjahr 2011 angefertigten Audiowalk vom großen Hörspielmacher Paul Plamper. Zwei Stunden wunderbarer, stereophoner Stoff für einen Sonntagsspaziergang, ich bekam sogar einen extra ausgehändigten Laufplan auf Papier. Leider musste ich bei der Hälfte abbrechen; der freundliche Kiosk-Besitzer schloss seine Türen schon um 17 Uhr und hatte als Pfand für die Abspielgeräte meinen Personalausweis einbehalten. Dumm für mich. Doch zukünftig wird das großartige Genre der Audio-Guides zum Glück immer seltener von Öffnungszeiten abhängig sein. Smartphone-Apps machen Audiowalks für jeden zugänglich. Hier die fünf besten Beispiele:

Detour — ortsbasiertes Storytelling

Wegen seiner aufwändig produzierten Stadtspaziergänge war die App „Detour“ des ehemaligen Groupon-Gründers Andrew Mason der heimliche Star der SXSW-Konferenz in Austin, Texas. Ein eigens vom Team des berühmten WNYC-Podcasts „Radiolab“ produzierter Audiowalk führte Austin-Besucher zu verschiedenen Originalschauplätzen eines 130 Jahre alten Mordfalls. Ein offenbar von „Serial“ inspirierter Erzählansatz mit spannenden Cliffhängern — und einem (freiwilligen) Tequila-Stop. Abseits der Austin-Promorunde liegt Detours Fokus jedoch ausschließlich auf San Francisco. Jeden Monat gibt es eine neue Ausgabe für fünf bis zehn Dollar. Das Ziel der Macher ist der audiophile Umweg: das Entdecken von Orten, an denen Touristen normalerweise nicht stranden. In einer Episode spaziert der legendäre Autor John Perry Barlow durchs Stadtviertel Tenderloin. Wie ein Making-Of-Video beweist: eine sehr aufwändige Produktion, sogar mit eigens komponierter Musik. In einer anderen Detour-Tour führt ein Architekt zu versteckten Gebäude-Schönheiten. All diese Touren sind auch mit Freunden möglich, deren Spaziergangs-Standort dann synchronisiert wird. Schade, dass Detour bisher nur an der Westcoast läuft — und auf dem iPhone.

 

Audioguide.me – Geschichtenplattform mit Uploadbutton

Ähnliches wie Detour verspricht die iPhone & Android-App Audioguide.me. Mit einem Designpreis ausgezeichnet und für den deutschen Radiopreis nominiert will das Hamburger Team „interessante Geschichten, an den Orten ihrer Handlung“ erzählen. Hier gibt es kuratierte Stories und selbst hochgeladene User-Aufnahmen. Doch auch wenn viel Mühe und Liebe in der App stecken, wir wünschen uns mehr Geschichten. Was man sich außerdem fragen könnte: Wozu brauche ich ein „soziales Audio-Netzwerk“, wenn ich nur spazierengehen will? Immerhin gibt es ein paar Hörbuch-Snippets, Bushaltestellenspiele und den geolokalisierten Greenpeace-Podcast.

Radio Aporee – Das Uran der Audiokarten

Ein Urgestein auf dem Feld der Audiowalk-Apps ist „Radio Aporee“ vom Berliner Udo Noll. Seit 2006 tüftelt der Künstler und Programmierer an der Kartographierung von Klängen. Die Kartenansicht der etwas nerdigen Website oder Android-App spielt tausende von Aufnahmen aus der ganzen Welt ab, die User angefertigt haben — oder sogar live ins Netz senden. Außerdem ist Aporee auch die Engine für einige andere Projekte, zum Beispiel von "Radioortung", dem "Ku'damm31"-Audiowalk oder "Toposonie Spree".

GeoRG - Podcasts und Radiobeiträge auf einer Karte

Dieses Projekt ist ein Entwurf dessen, was mit Audiowalks möglich wäre. Die Open-Street-Map des Webapp-Prototypen "GeoRG" zeigt rund fünfzig handverlesene Beiträge verschiedener Radiosender. An Georgs Entwicklung habe ich selbst beim BLM.radiohack, einem Hackathon in München, mitgewirkt. Verschiedene Radiomacher suchten hier Anfang 2015 neue Ausspielwege für Audioinhalte. Der Grund: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Deutschlands produzieren täglich wunderbare, oft lokale Inhalte — und lassen sie, einmal gebührenfinanziert ausgestrahlt, in den Archiven versumpfen oder verwerten sie bestenfalls in einem Podcast (wobei der WDR derzeit daran kürzt). Am besten würden solche Radiokarten funktionieren, gäbe es einen einen offenen Standard für Geodaten in Podcast-Feeds. Kleine Podcaster und große Rundfunkanstalten könnten geogetaggte Inhalte bereitstellen – und jede standardkonforme Podcatcher-App könnte diese auf einer Karte anzeigen und abspielen. Vielleicht sogar entlang von Bahnstrecken und Straßen anstatt nur an fixen Orten!

iBeacons - Leuchtfeuer zur Indoor-Navigation

Mit ganz neuer Technologie hantieren Firmen wie das Potsdamer Audiowalk-Startup Yopegu. „iBeacons“ oder „Bluetooth Low Energy-Tags“ sind stromsparende, kostengünstige „Leuchtfeuer“ im Streichholzschachtelformat, die zu Hunderten in Flughäfen, Einkaufszentren oder Museen angebracht werden. Sie erlauben Smartphones eine metergenaue Lokalisierung per Kreuzpeilung. 2015 werde das Jahr der iBeacons, bloggt Techtag.de. Und zumindest Projekte wie die App vom „Kaltenberger Ritterturnier“ oder die Ausleih-iPads vom Frankfurter Kleist Museum arbeiten schon damit - als hyperlokale Museumsführer.

Und das ist erst der Anfang. Doch bei Kleist schließt sich erst einmal mein Kolumnenkreis. Wie ich die abgebrochene Wannsee-Tour zu Ende nach dem frühen Kiosk-Ladenschluss zu Ende brachte? Nur so viel: Es war mir vor Abgabe der Ausleih-Player gelungen, die MP3s auf mein Handy zu kopieren. Bei einem Audiospaziergang ganz ohne zeitliche Fesseln habe ich dann gemerkt: Die Frage nach App oder Ausleih-Player ist letztlich zweitrangig. Am wichtigsten sind immer noch die gut gemachten Inhalte.

In der letzten Folge Binaural Bits forderte Nicolas Semak das Ende der Laber-Podcasts.

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