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Netzlese zu Orlando / Die Suche nach Antworten

von WIRED Editorial
Nach dem homophoben Anschlag von Orlando laufen die Medien-Kanäle heiß. Natürlich suchen Kommentatoren, Experten, Politiker und Bürger nach Antworten. Uns sind drei Thesen aufgefallen, die besondere Beachtung verdienen im Wust der unterschiedlichen Interpretationen.

1. Wir dürfen uns nicht auf den Täter stürzen
Alle wollen wissen: Wer ist, wer war der Täter? Das Netz hält meist viele Antworten bereit, und die Medien überschlagen sich darin, jedes Selfie, jeden Tweet, jeden Facebook-Kommentar sofort aufzugreifen und zu verbreiten. „Halt!“ ruft Zeynep Tufekçi, Soziologin an der University of North Carolina: „Das Motiv dieser Killer ist oft nachträgliche Berühmtheit.“

Deshalb fordert sie, trotz aller berechtigten Wut, nicht die Täter in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Problem, das die USA mit Amok-Läufen und Massenschießereien haben. Tufekçi, die auch Kolumnen für die New York Times schreibt, begründete ihre Sicht gleich am Sonntagabend in einer Reihe von lesenswerten Twitter-Beiträgen. Hier zwei Beispiele:

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2. Wer ist ein Terrorist?
Jeffrey Simon, Politikwissenschaftler an der University of California in Los Angeles und Autor der Buches Lone Wolf Terrorism erklärt das Problem mit dieser verhältnismäßig neuen Form von Terrorismus aus Perspektive der Sicherheitsdienste: Weil selbstmotivierte Einzeltäter keinerlei Kommunikation mit der terroristischen Organisation aufrechterhalten, in deren Namen sie die Anschläge verüben, gibt es auch nichts abzuhören. Sie vorab zu fassen, wird dadurch fast unmöglich, nicht mal der Islamische Staat selbst weiß von ihnen bis sie ihm öffentlich die Treue schwören – und dann ist es in der Regel zu spät.

Simon sieht das Internet hier als entscheidenden Faktor: „Es bietet für Einzeltäter viele Möglichkeiten, sich über terroristische Taktiken und Ziele zu informieren und sich über die Lektüre von ideologischen Webseiten, Tweets und Blogs zu radikalisieren,“ sagt er im Interview mit dem US-Magazin Slate. Umgekehrt sei das Netz auch eine potentielle Schwachstelle der Täterinnen und Täter, weil viele über ihre extremistischen Überzeugungen bloggen oder twittern. Die entscheidende Frage sei: Wie unterscheidet man jene, die über Gewalt sprechen von jenen, die tatsächlich gewalttätig werden – auch der Attentäter von Orlando wurde vor Jahren vom FBI interviewt.

Der Islamische Staat fordert bereits seit Jahren öffentlich dazu auf, Anschläge im Namen der Organisation zu begehen. Im vergangenen Monat hatte ein Sprecher der Organisation Abu Muhammad al-Adnani in seiner jährlichen Ansprache wieder dazu aufgerufen, Anschläge während des Ramadans zu verüben – dieser Appell war besonders an „Soldaten und Unterstützer der Kalifats in Europa und Amerika“ gerichtet. „Der kleinste Akt, den du auf ihrem Land verüben kannst ist uns lieber als der größte Akt, den du hier begehen könntest,“ sagte er. Eine Erlaubnis vorab sei nicht notwendig, und wer sich scheue, Zivilisten zu töten, dem sei gesagt, dass der IS dies lieber sehe, weil es die Gegner mehr schmerzt.  

Jeffrey Simon vergleicht solche Aufrufe mit Spam-Emails. „Du kannst sie rausschicken und wenn nur ein sehr kleiner Prozentsatz den Köder schluckt, kann das sehr effektiv sein.“

Auch Charlie Winter, Konfliktforscher an der Georgia State University, weist in der New York Times darauf hin, wie klug diese Strategie des IS angelegt ist. „Sie haben eine Situation geschaffen, in der Menschen ohne direkte Verbindung einen Angriff verüben können. Sie müssen nur Abu Bakr al-Baghdadi die Treue schwören, vor oder während dem Angriff, und das katapultiert sie vom einem selbstmotivierten Dschihadisten zu jemanden, dem man als Soldat des Islamischen Staates vergöttern kann.“

3. Ein geplantes Verbrechen gegen die LGBT-Community!

„Press Review“ heißt die Sendung auf SkyNews, in der eingeladene Journalisten die Schlagzeilen der großen Zeitungen diskutieren, in diesem Fall ausschließlich zu dem tödlichen Angriff in Orlando. Es diskutierten: Gastgeber Mark Longhurst, Radiomoderatorin Julia Hartley-Brewer und der Guardian-Kolumnist Owen Jones. Ihm ist es ein Anliegen klarzustellen: „Das war ein homophober Terrorist.“ Der Täter von Orlando habe „ganz bewusst die LGTB Community attackiert“. Es sei wichtig, das ganz deutlich auszusprechen.

Owen stürmt wenig später aus der Sendung, weil sowohl der Moderator als auch Hartley-Brewer relativierend dagegenhalten. Der Täter sei „ein Verrückter“ gewesen, sagt die Radiomoderatorin: “Wer 50 Menschen tötet, ist verrückt.“ Und letztlich gehe es doch eher um die Frage, warum die USA so leicht Zugang zu Waffen ermöglichten.

Nur deshalb sei dieser Massenmord möglich geworden. Owen Jones ruft dazwischen: „Dieser Mann hasste Schwule. Er hasste LGTB Menschen. Er ermordete sie.“ Hätte er in einer Synagoge gemordet, wäre das doch eindeutig als antisemitisch kommentiert worden. Warum also nicht dieselbe klare Zuordnung nun treffen? Nein, dazu konnten sich die beiden anderen nicht durchringen. Owen verlässt das Studio. Die Sendung geht weiter, als wäre nichts gewesen. 

Auf Twitter und Facebook aber solidarisieren sich viele mit Owen Jones, wiederholen seine These nachdrücklich. 

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Und Owen Jones? Er bittet via Social Media alle Londoner, gegen Hass auf Homosexuelle auf die Straße zu gehen. Heute Abend: 

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Solidarität im Netz – und außerhalb. 

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