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Wie ist es, auf „bezahlte Dates“ zu gehen? Eine Ohlala-Nutzerin erzählt

von Chris Köver
Die App Ohlala soll Prostitution von ihrem dreckigen Image befreien. Zara Winter verwendet sie seit dem vergangenen Sommer, um Männer zu „bezahlten Dates“ zu treffen. Für sie geht es dabei allerdings nicht primär ums Geld. Gespräch mit einer Nutzerin, die klare Verhältnisse schätzt.

Vor etwas mehr als zwei Jahren gründete Pia Poppenreiter Ohlala. Die Idee: eine App für „bezahltes Dating“, über die Frauen sich für eine bestimmte Zeit von Männern buchen lassen können. Eine App, nicht für Escorts, Nutten, Huren oder wie auch immer Prostituierte sonst bezeichnet werden, sondern für alle Frauen, die sich im Austausch für ihre Zeit und Zuwendung entschädigen lassen wollen. Was auf einem Ohlala-Date passiere, entscheiden allein die Beteiligten, betont Poppenreiter. Wie bei einem normalen Date auch.

Neben einer effizienten Vermittlung von Kunden an Anbieter – da unterscheidet sich Ohlala nicht groß von AirBnB oder Uber – steht bei Ohlala die Anonymität der Frauen im Vordergrund. Poppenreiter hat die App gemeinsam mit Expertinnen aus der Branche entwickelt. Deren größtes Problem: Weil Sexarbeit mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet ist, fürchten viele um ihren Ruf und wollen oder müssen unbedingt anonym bleiben.

Auf Ohlala können sie das: Nicht die Frauen bieten sich hier an, wie auf anderen Escortseiten, sondern die Männer gehen als erste aus der Deckung. Sie posten eine Anfrage. Nutzerinnen können sich dann selbst aussuchen, wer ihnen gefällt und einen Chat beginnen. Vorher ist ihr Profil für niemanden sichtbar.

Ich mag einfach, dass meine Zeit wertgeschätzt wird

Zara Winter

Etwa 8000 Nutzerinnen in Deutschland würden die App bereits regelmäßig verwenden, sagt Poppenreiter. Eine davon ist Zara Winter. Sie hat ihre Erfahrungen auch aufgeschrieben, als kleinen Band unter dem Titel 50 Nights of Ohlala, veröffentlicht im Eigenverlag. Eine kurze Episode zu jedem der 50 Männer, die sie von Sommer bis Dezember 2016 getroffen hat, findet sich darin.

Als Treffpunkt schlägt Zara ein Kaffeehaus im Berliner Westen vor, in der Nähe des US-Konsulats. Zara ist nicht ihr richtiger Name. Sie verwendet ihn für Dates, manchmal nennt sie sich auch Lina oder Sarah. Sie hat auf ihrem Smartphone eine WhatsApp-Liste mit den Kontakten ihrer Dates. Ihr jeweiliges Alter Ego steht als Buchstabenkürzel davor, außerdem vermerkt sie, worauf die Männer standen und ob es gut war mit ihnen. Smiley oder Ausrufezeichen heißt: War cool, mit dem gerne wieder.

Zara ist 24, fünf Jahre jünger als Pia Poppenreiter. Wie die Ohlala-Gründerin hat sie lange, glatte Haare, die über ihre Schulter fallen. Zum grauen Stretchkleid trägt sie Winterstiefel und dezentes Makeup. Sie lacht offen und tief aus dem Bauch heraus, berührt einen beim Sprechen am Arm und der Schulter. Eine kluge Gesprächspartnerin. Man kann sich vorstellen, dass Männer gerne in ihrer Gesellschaft sind.

Ich habe nicht den Zukunftsstress: Mag der mich wirklich?

Zara Winter

Seit dem Sommer trifft sie über Ohlala ein bis zwei Mal die Woche Männer, je nachdem, wie viel Zeit sie gerade hat neben dem Studium und ihrer Selbständigkeit. Das Geld sei nett, aber nicht so wichtig, sagt sie. „Ich mag einfach, dass meine Zeit wertgeschätzt wird.“ Zara ist Single, vor Ohlala war sie auch auf anderen Dating-Plattformen unterwegs, unbezahlten. Eine frustrierende Erfahrung. Oft wollten ihre Dates sie nicht mal zum Essen einladen, bevor es nach Hause ging. Manche machten sich nicht die Mühe abzusagen. Das ist jetzt anders.

Stört sie nicht, dass die Männer auf Ohlala so klar nur Sex suchen? „Aber das wollen doch alle“, ruft sie so laut, dass sich zwei ältere Damen am Nebentisch umdrehen. Sie seufzt. „Genau das ist der Punkt. Die Männer auf den anderen Datingplattformen, das waren junge, hübsche Typen, aber keiner von denen will irgendeine Verbindlichkeit.“ Sie habe nichts gegen kurzfristigen Spaß, im Gegenteil, sagt sie und grinst. Nur sollte er schon mit einem Minimum an Respekt verbunden sein. „Auf Ohlala ist der Rahmen wenigstens klar. Und dadurch, dass ich eine Wertschätzung durch das Geld bekomme, habe ich nicht diesen Zukunftsstress: Mag der mich wirklich?“

Vor Zara auf dem Tisch liegen zwei iPhones: Ein älteres mit einem völlig zertrümmerten Bildschirm, das nutzt sie privat. Daneben ein neues Modell, ihr Ohlala-Handy. Sie hat es sich zugelegt, nachdem Kunden sie beim Date mit ihrem Klarnamen begrüßten. Sie hatten ihn anhand ihrer Nummer im Netz recherchiert. In ihrer XXL-Handtasche trägt Zara außerdem einen pfundschweren Schlüsselbund, daran ein Schlagstock aus Metall und ein Alarmknopf. Bisher hat sie beides nicht gebraucht.

An der App schätzt sie neben der Anonymität die Effizienz. Auf vielen Escort-Seiten wollten Männer „nur chatten, um heiß gemacht zu werden“. Zum eigentlichen Treffen – und der Transaktion – komme es nie. Zeitverschwendung für die Frauen. Ohlala setzt deshalb ein Zeitlimit. Männer posten Anfragen für denselben Tag, Nutzerinnen haben dann eine begrenzte Zeit, um sich darauf zu melden. Auf dem Screen läuft ein Countdown: „Tim_Berlin: Noch 21 Minuten!“ Instant Paid Dating nennt Poppenreiter das und Zara findet es praktisch.

Irgendwann sollen Kundinnen wie Zara das ganze Date über die App abwickeln, nicht nur die Kontaktaufnahme. Dann müsste kein Umschlag mehr über den Tisch geschoben werden im Restaurant oder Hotel, beide Seiten wären besser vor Betrug geschützt und selbst Steuern könnten automatisch abgeführt werden. Dazu müsste Ohlala allerdings erst einen Payment-Anbieter finden, der bereit ist, mit dem Startup zusammenzuarbeiten. Die No-Sex-Regeln des App-Stores umgehen Pia Poppenreiter und ihr Mitgründer und CTO Torsten Stüber, indem Ohlala als reine Web-App auf dem Handy läuft. Um einen Finanzdienstleister kommen sie aber nicht herum. Visa und Mastercard wollen nichts mit sogenannter Erwachsenenunterhaltung zu tun haben, Paypal ebenso wenig. Sie alle sind schon in den USA unter Druck geraten. Wie die Bezahlung gelöst wird, das ist nur eines von vielen Problemen, für die Poppenreiter noch keine Lösung hat.

Das Porträt der Ohlala-Gründerin Pia Poppenreiter lest ihr in voller Länge in der aktuellen Ausgabe von WIRED Germany.

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