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KI-Gott sei Dank: Ohne Grenzüberschreitung keine Innovation

von Johnny Haeusler
Der Ex-Waymo-Chef und Robotikexperte Anthony Levandowski hat eine Kirche gegründet, deren Gott eine Künstliche Intelligenz ist. Verrückt? Unbedingt, findet unser Kolumnist, denn wir brauchen Leute, die abseits des Mainstreams agieren.

Die Gründung einer Religion oder Sekte sei einfacher als die Gründung eines Unternehmens oder einer Partei, erzählte mir mal jemand, und irgendwann werde ich diese Behauptung überprüfen.

Anthony Levandowski hat das bereits getan. Der Mann, der früher Waymo leitete, sein 2016 gegründetes Unternehmen Otto an Uber verkaufte und dabei nicht immer super aussah, ist jetzt selbst ernannter Dekan und CEO des Non-Profit-Unternehmens Way of the Future, und das ist nichts anderes als eine Kirche, deren Gott eine A.I. sein soll, eine Artificial Intelligence. Mark Harris hat sich für WIRED und Patrick Beuth für die ZEIT mit dem Möchtegern-Kult auseinandergesetzt, der den Planeten gerne einer Künstlichen Intelligenz überlassen möchte.

Wenn Menschen mit solchen Ideen und einer mehr als spartanischen Website an die Öffentlichkeit gehen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie sehen sich als Künstler_innen und haben eine tiefere oder auch lustig gemeinte Botschaft – die Abkürzung WOTF für Way of the Future könnte auf Letzteres hinweisen. Oder aber sie sind völlig durchgeknallt. Auch dafür gäbe es im Fall von WOTF durchaus den ein oder anderen Hint.

Dabei klingt der Begriff „durchgeknallt“ viel despektierlicher als angebracht. Denn ich glaube (!), wir brauchen Leute, die abseits vom Vorhandenen, vom Mainstream agieren und im wahrsten Sinne des Wortes etwas verrückt sind. Ohne Grenzüberschreitung keine Innovation.

Der Größenwahn, die Tobsuchtsanfälle, die innere Getriebenheit von Steve Jobs. Die unerschütterliche Überzeugung von Mark Zuckerberg, dass Facebook die Welt verbessere. Und die Marsmissionen, Highspeed-Tunnel und Raketen von Elon Musk. Nur drei von vielen Beispielen, die zeigen: Ein bisschen crazy zu sein kann nicht schaden, wenn man etwas bewegen will.

Letztendlich sind manche Unternehmensgründer damit einem Künstlercharakter vielleicht näher als dem strategisch denkenden, abgebrühten Wirtschaftsboss, was der Grund dafür sein könnte, dass wir diese Charaktere oft genauso lieben, wie wir sie manchmal hassen. Und was außerdem dazu führt, dass einige ihrer Unternehmungen so dicht an religiösen Gemeinschaften sind, dass der Schritt von Anthony Levandowski zu Way of the Future beinahe logisch erscheint.

Der über allem schwebende, leuchtende Apfel als geradezu kirchliches Symbol bei einer Apple-Keynote (und das gleiche Symbol auf den Geräten, die wir vor uns halten wie Christen eine Bibel). Der fast irre klingende Enthusiasmus der Zuschauer bei einem Auftritt von Elon Musk. Und die Fotos von Mark Zuckerberg und seiner Familie, die manchmal wie kitschige Inszenierungen aus einem Prospekten der Zeugen Jehovas wirken … warum also nicht gleich eine Kirche gründen?

Nun ist es aber bei Way of the Future so: Levandowski verkauft nichts. Er hat keine Technologie, zu der wir uns zugehörig fühlen sollen, keine Software, keine Geräte. Sondern (bisher) nur den Wunsch, "eine auf KI basierende Gottheit aus Hardware und Software“ zu realisieren, zu akzeptieren und anzubeten.

Was uns zum Anfang der Überlegungen zurückführt: Entweder ist Levandowski ein Künstler, oder er hat eine ziemliche Macke.

Am Ende werden wird wie bei seinen genannten Kollegen wohl feststellen müssen: Es trifft beides zu.

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