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Beckedahl: Die GroKo betreibt Raubbau an unseren Grundrechten!

von WIRED Editorial
Die Diskussion um die Freiheit im Internet steckt fest, das stellt Netzaktivist Markus Beckedahl bei seiner jährlichen Betrachtung der netzpolitischen Debatte fest. Schuld sei die Regierung: „Die Große Koalition betreibt Raubbau an unseren Grundrechten“, lautet einer seiner zentralen Aussagen. Unter anderem kritisiert er die Abschaltung der linken Plattform Indymedia.

Markus Beckedahl glaubte erst an einen Witz. Auf der „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz 2017 präsentiert er ihn groß auf einer Leinwand: „Bei uns zum Download: der Staatstrojaner“, steht da. Es handelt sich aber nicht um einen Witz, sondern um eine Wahlwerbung der CDU. „Die verstehen nicht einmal ihren Fehler!“, schimpft Beckedahl in Berlin. Die Große Koalition hat den Einsatz von Staatstrojanern kurz vor der Sommerpause massiv ausgeweitet – die Regierung verstehe aber nicht, dass sie damit ein Gefühl von Unsicherheit bei der Bevölkerung fördere. Der Grund: Jede für solche Programme geheim gehortete Sicherheitslücke befördert die Gefahr von kritischen Sicherheitszwischenfällen. Zuletzt etwa im Fall WannaCry und NotPetya – die weltweit für Chaos sorgten.

Beckedahl, Aktivist und Chefredakteur von Netzpolitik.org, hat am Freitag harsche Kritik an den netzpolitischen Entscheidungen der Großen Koalition geübt. Anstatt aus den Snowden-Enthüllungen zu lernen, habe die Regierung die Freiheit im Internet in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt abgebaut.

„Wir haben immer mehr Ressourcen, Personal und Befugnisse zur Netzüberwachung bei unseren Geheimdiensten“, sagte Beckedahl. Dazu kritisierte er die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und die jüngst bekannt gewordenene massenhafte Sammlung von Daten beim Bundeskriminalamt. „Wir brauchen mehr Transparenz, was bei diesen Datenbanken passiert“, forderte Beckedahl. Und was dort unberechtigt gespeichert worden sei, müsse dringend „wieder abgebaut werden“. 

Das kannten wir bisher nur von repressiven Staaten

Markus Beckedahl

Auch in der Abschaltung der linken Online-Plattform Indymedia sieht Beckedahl enormes Gefahrenpotenzial. Dort seien zwar teils radikale Inhalte zu finden gewesen, aber „einfach so eine Seite zu verbieten, ohne jegliche rechtstaatlichen Mittel zu benutzen – das kannten wir bisher nur von repressiven Staaten wie der Türkei.“

Generell bleibt die digitale Debatte für Beckedahl zu stark in einer defensiven Haltung stecken. Statt über Gestaltung und Fortschritt zu sprechen, müssten Datenschützer und Aktivisten derzeit vor allem Schlimmeres verhindern. Als Beispiele brachte er den Kampf gegen Overblocking, also das massenhafte Löschen von Inhalten in Sozialen Netzwerken, gegen die Zensur durch Urheberrechte-Halter, Upload-Filter und Monopole durch große Internet-Unternehmen. All diese Fragen habe die Regierung in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelt. „Wir freuen uns, dass 2017 viel Geld in ein Internetinstitut gesteckt wird, aber hätten wir das zehn Jahre früher getan, hätten wir jetzt mehr Antworten auf solche Fragen.“

Beckedahl wünscht sich stattdessen ein Recht auf Tüfteln, also offener und frei verwendbarer Soft- und Hardware für Kunden. Er verlangt auch ein Recht auf Remix: „Es kann nicht sein, dass Memes in der Theorie in Deutschland immer noch verboten sind“, sagte Beckedahl. Außerdem fordert er eine Debatte um die Depublizierungspflicht von öffentlich rechtlichen Sendern im Internet.

„Die Größte Herausforderung sind aber die Fernsehstudios, die wir alle in unseren Hosentaschen tragen“, sagt Beckedahl. Solange nicht mehr Geld in die Bildung und Aufklärung im Umgang mit digitaler Technologie fließe, könnten zentrale gesellschaftliche Probleme nicht gelöst werden. Sein Vorschlag: Politikern könnte der Besuch auf der ein oder anderen Konferenz des Hacker-Vereins Chaos Computer Club nicht schaden.

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