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No Man's Sky ist nicht das Spiel eurer Träume – und das ist gut so

von Michael Förtsch
Mit No Man's Sky ist gerade eines der meisterwarteten Games des Jahres erschienen. Doch es wird etliche Spieler enttäuschen. Denn das Science-Fiction-Epos ist zwar wundervoll – konnte seinem Hype aber nie gerecht werden.

Beinahe wäre No Man's Sky im Dezember 2013 gestorben. Am Weihnachtsabend wurden die Straßen der britischen Stadt Guildford und damit auch die Büros des kleinen Entwicklerstudios Hello Games durch ein Hochwasser überflutet. Büromöbel, Dokumente, Videospielkonsolen, Fernseher, Backup-Festplatten und vor allem zahlreiche Rechner wurden zerstört. „Hätten wir No Man's Sky nicht erst kurz zuvor der Welt gezeigt, hätten wir wohl gekniffen“, sagt Studiogründer Sean Murray. „Wir hätten es vielleicht aufgegeben und niemand hätte etwas bemerkt.“ Doch der beeindruckende Enthüllungstrailer zu den Spike VGX Awards hatte längst jede Umkehr vereitelt – und damit das Game ermöglicht, das am 10. August 2016 erschienen ist.

Seitdem habe ich etwas mehr als 14 Stunden im Kosmos von No Man's Sky verbracht (der Fassung nach dem Day-One-Patch 1.03, der vieles verbesserte) und kann sagen: Es bietet ein einzigartiges Universum, das sich via Internet alle Spieler teilen und dessen 18.446.744.073.709.551.616 – also mehr als 18 Trillionen – Planeten einer komplexen mathematischen Formel entspringen.

Zu Anfang des Spiels habe ich davon recht wenig. Denn mein mickriges, recht unansehnliches Schiff, die Rasamama S36, ist auf einem Planeten gestrandet. Den Impulsantrieb und die Startschubdüsen hat's erwischt. Wie und warum? Das wird weder erklärt noch ist es wichtig. Allein das vorrangige Ziel ist klar: die beschädigten Systeme reparieren und auf ins All!

Die Mittel dafür finden sich auf der wilden Planetenoberfläche. Weithin ziehen sich gelb-grüne Wiesen und sandige Ebenen, auf denen Riesenpilze und dichte Wälder sprießen. Mit meiner Multiwerkzeug genannten Pistole lassen sich aus so ziemlich allem Ressourcen extrahieren. Wo es welche Rohstoffe gibt, zeigt mir ein Sonar-artiger Scanner. Verschiedene Pflanzen enthalten etwa Kohlenstoff, Zink oder Platin. Felsen hingegen Eisen, Kupfer und Gold. Kristalle wiederum Plutonium. Die Ausbeute lässt sich im Inventar des Raumanzugs und in meinem Schiff lagern und zu Nutzgut verarbeiten, etwa Platten für die Reparatur des Raumgleiters.

Nach einer Stunde kann ich starten. Ein spektakulärer Moment: Die Planetenoberfläche wird kleiner, ihre Krümmung sichtbar, Wolken nehmen kurz die Sicht, dann öffnet sich der rot gefärbte Sternenhimmel. Einige fremde Schiffe schießen aus dem Hyperraum heran, hinter ihnen zeichnen sich weitere Himmelskörper und eine Tetraeder-förmige Raumstation ab. Einfach imposant – und so wie es auf VGX, E3, GamesCom und in zahlreichen Videos versprochen wurde. Tatsächlich ist das prozedurale All von No Man's Sky einfach magisch, faszinierend und wunderschön. Es lädt zum Entdecken ein.

Ressourcenmangel, Nachschubbedarf, simples Am-Leben-Bleiben

Auf meiner Reise stoße ich auf endlose Wiesenwelten voll blauem Gras, Dinosaurier mit Elchgeweihen, hüpfende Ananas-Kreaturen, Wasserplaneten mit tausenden Inseln und Wüsten, die von hunderte Meter langen Felsbögen überspannt sind. Viele Szenen könnten Sci-Fi-Roman-Covern der 70er Jahre oder den Bildbänden von Chriss Foss entsprungen sein. Meinen Entdeckungen darf ich Namen geben und sie mit der Welt teilen. Außerdem locken Alien-Monolithe, verlassene Ruinen, Raumschiffwracks, geheimnisvolle Signale und eine erlernbare außerirdische Sprache. Doch wer hofft, einfach und ungebremst in die Weiten des Alls vorstoßen zu können, der wird bitter enttäuscht.

No Man's Sky spielt sich ziemlich anders als erwartet. All die Vorschauen und Trailer voller exotischer Landschaften, Raumschiffflüge und Weltraumgefechte ließen in unseren Köpfen die Vorstellung eines gefälligen, zugänglichen oder gar meditativen Entdeckerspiels entstehen. Aber genau das ist No Man's Sky nicht. Stattdessen ist es ein arbeits- und zeitintensives Survival-Abenteuer. Das Spiel ist geprägt von Ressourcenmangel, Nachschubbedarf und simplem Am-Leben-Bleiben. Im Kern hat No Man's Sky mehr mit Minecraft, DayZ und Ark Survival gemein als mit Elite: Dangerous, Wing Commander oder Star Citizen.

Reisen von Sonnensystem zu Sonnensystem und Safaris auf fernen Monden? Alles möglich – aber nur mit harter Vorarbeit. No Man's Sky ist anstrengend. Wer ziellos über die Gestirne stolpert, ist nach wenigen Minuten tot. Denn die Lebenserhaltungserhaltungssysteme wollen mit Energie versorgt sein, vor allem wenn es sauren Regen oder Strahlung gibt. Wer sorglos umherfliegt, taumelt bald mit leerem Tank im Nichts. Bevor an den ersten Sprung ins nächste System auch nur zu denken ist, müssen Bauteile und Spritzellen für den Hyperantrieb konstruiert und beschafft werden. Und wer einem Alien ein neues Raumschiff mit großem Inventarraum abkaufen will, verbringt zunächst Stunden damit, Gold, Platin und Radox zu ernten.

Diese ständige Arbeit macht jede Errungenschaft besonders schätzenswert. Jeder Hyperraumsprung, jede Planetenlandung, jedes Schiffs-Upgrade und jede gewonnene Schlacht sind hart verdient. Der Survival-Aspekt ist deswegen kein Negativpunkt, ganz im Gegenteil. Nur macht es No Man's Sky seinen Spielern auf diese Weise auch schwer, all die Wunderdinge und die technologische Raffinesse zu genießen, die ihnen versprochen wurden. Spontanität und Ruhe sind rar in diesem Universum und die lange Reise ins Zentrum der Galaxie wird immer wieder harsch von Rohstoffknappheit, Pendel-Flügen und Arbeitsschichten unterbrochen.

Kein klassisches Spiel, sondern eine Erfahrung und ein Sinnbild

Das alles ist legitim und macht No Man's Sky zu keinem schlechten Spiel. In dem, was es tut, ist es fesselnd, befriedigend, gar großartig. Allerdings wird genau das unzählige Spieler vor den Kopf stoßen. Denn seit seiner Ankündigung wurde das Science-Fiction-Experiment von der PR-Maschine, aber auch von Spielern und Journalisten, auf vage Superlative reduziert: die unfassbare Unendlichkeit, das raffinierte mathematische Grundgerüst, die unglaubliche Freiheit. Die wirklichen Spielmechaniken dahinter blieben stets schemenhaft und nebulös. Das machte No Man's Sky zu einer Projektionsfläche, auf die jeder eigene Vorstellungen, Ideen und Visionen zeichnen konnte.

Kein klassisches Spiel, sondern eine Erfahrung und ein Sinnbild wurde No Man's Sky durch den Hype. Alle, die voller Vorfreude ausgeharrt hatten, erwarteten ein für sie ideales Wunscherlebnis. Das reale Werk – technisch beeindruckend, aber in bewährten Mechaniken verhaftet – konnte und kann dagegen nur profan und einengend wirken. Am wenigsten ist das wohl dem 15-köpfigen Entwicklerteam anzulasten. Denn dieses, glaubt man Hello Games, hat genau das Videospiel geliefert, das es liefern wollte. „Um ehrlich zu sein, es war beängstigend“, sagt No-Man's-Sky-Erfinder Sean Murray über den Hype und die vergangenen Monate. „In einer anderen Realität hätten wir es vielleicht in aller Stille entwickelt, angekündigt und einfach am nächsten Tag veröffentlicht.“

No Man's Sky ist für PC und Playstation 4 erhältlich.

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