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Nilz on Moviez / Die zweite Staffel von „Fargo“ wird noch richtig groß!

von Nilz Bokelberg
Donnerstag ist Kinotag, aber seien wir ehrlich: Vor „Star Wars“ lohnen sich große Reviews sowieso nicht mehr. Nilz Bokelberg schaut sich diesmal stattdessen lieber die Serien-Umsetzung von „Fargo“ an — und die Kauzigkeit der neuen Staffel überzeugt.

Im Zeitalter der Serien ist ja alles erlaubt. Kinofilme werden zu Kinoserien — Vin Diesel hat gerade angekündigt, dass nach Teil 10 (in Worten: ZEHN) bei „Fast and the Furious“ Schluss sein soll —, Fernsehserien zu Kinofilmen (von „Charlie's Angels“ über das „A-Team“ bis zu „U.N.C.L.E.“), Fernsehserien enden im Kino („Sex and the City“, „Entourage“) oder Fernsehserien werden zu Kinoserien („Mission Impossible“). Da aber vor allem die Serienlandschaft immer weiter Nachschub braucht, werden mittlerweile auch Kinofilme immer öfter zu Fernsehserien. Und selten geht das wirklich gut.

Denn ein Kinofilm ist mehr als die Summe seiner einzelnen Teile. Ein guter Kinofilm hat auch immer eine Seele. Etwas, dass ihn eben besonders macht. Manchmal ist es ein Glücksgriff, etwa eine Konstellation von Autor, Regisseur und Darstellern, die genau in dem Moment der Zusammenarbeit Sinn ergibt und deswegen so gut funktioniert.

Und manchmal gibt es diese Ausnahmetalente. Menschen, die eine derart eigene Handschrift haben, ein derart eigenes Verständnis, dass man sie nur lieben oder hassen kann. Scorsese, Coppola, Spielberg — you name it. Und zu diesen Menschen zählen natürlich auch die Coen-Brüder. Von „Arizona Junior“ über „Millers Crossing“ bis zu „Inside Llewyn Davis“ und „No Country For Old Men“ reicht ihr Werk, und auch wenn die Geschichten bisweilen sehr unterschiedlich sein mögen, eint sie alle dieser ganz besondere Stil: Geschichten zu erzählen, wie sie eben nur die Coen-Brüder erzählen können. Und auch wenn die Fake-Meldung über einen zweiten Teil ihres Kult-Klassikers „Big Lebowski“ hohe Wellen schlägt (und wir alle hoffen, dass dieser Film niemals wirklich kommen wird), kann man sich auf die Brüder als Filmmacherduo doch noch immer verlassen. Selbst ihre schwächeren Filme sind immer noch besser als der Großteil langweiliger Hollywood-Produktionen.

Ein zentrales Meisterwerk von Joel und Ethan Coen ist „Fargo“. Dieser Film katapultierte sie in die A-Liga der Hollywood-Regisseure, öffnete ihnen viele Türen und ist vielleicht nach wie vor einer der besten Filme, die sie je gemacht haben. Und aus ihm wurde eine Serie, produziert von den Coens, aber inhaltlich einem neuen Team überlassen.

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Die erste Staffel der Adaption überraschte mit einem aufregenden Billy Bob Thornton und einem perfekt inszenierten Martin Freeman. Sie atmete gekonnt die Atmosphäre des Films: Ein verzweifelter kleiner Mann, der sich für cleverer hält als alle um ihn herum und der durch ein paar wirklich blöde Zufälle richtig in die Scheiße geritten wird. Dazu eine halbwegs kauzige Polizstin und ein Kaff, in dem jeder jeden kennt. Das hat auf Serienlänge erstaunlich gut funktioniert. Auch wenn die Gewalt an manchen Stellen etwas zu explizit war, so als wolle man noch irgendwelche Härte-Gelüste bedienen, was die Serie eigentlich nicht nötig hatte. Neben den inszenatorischen Gemeinsamkeiten mit dem Filmgab es noch eine erzählerische: Das Geld, das Steve Buscemi im Film an einem Zaun vergräbt, wird in der Serie wiedergefunden. Schöner Twist, warum nicht. Reicht vollkommen als Bezug.

In jeder Staffel wird eine eigene, neue und in sich geschlossene Geschichte erzählt .

Ab der zweiten Staffel, die gerade in den USA gestartet ist und hierzulande auf Netflix Woche für Woche mitverfolgt werden kann, wird aber klar, was sich die Macher der Serie wirklich gedacht haben: Ähnlich wie Beispielsweise in „American Horror Story“ wird in jeder Staffel eine eigene, neue und in sich geschlossene Geschichte erzählt. In der zweiten Staffel von Fargo unter anderem daran zu erkennen, dass sie Ende der 70er Jahre spielt und in einem anderen Ort, nämlich Sioux Falls, South Dakota. Fargo ist schließlich irgendwie überall.

Wie geht es also los, in der bislang zwei Episoden alten neuen Staffel? Sagen wir mal so: Als ich die erste Folge gesehen hatte, machte ich mir ein wenig Sorgen. Natürlich braucht man die erste Folge als Exposition und zur Verrortung. Quentin Tarantino sagte neulich in einem Interview, es sei grotesk, eine Serie nach der ersten Folge zu beurteilen, und ganz Unrecht hat er damit nicht (auch wenn ich das hier bereits einige Male getan habe): Es ist, als würde man einen Film nach seinen ersten zehn Minuten beurteilen. Sicher, die Dynamik ist bei einer Serie ein klein wenig anders, da schon ab Folge Eins ein Spannungsbogen aufgebaut werden muss, der einen zwingt, dranzubleiben. Trotzdem: Die erste Folge ist dazu da, Charaktere vorzustellen, einen Ort zu etablieren und vielleicht eine Grundgeschichte zu erzählen. Erzählerische Komplexität kann immer erst danach kommen.

In der ersten Folge der neuen „Fargo“-Staffel wurde jedoch arg an der Skurrilitäts-Schraube gedreht. Die Protagonisten sind noch einen Tick kauziger, die Situationen noch einen Tick abgedrehter, die Geschehnisse noch einen Tick unglücklicher und brutaler als in Staffel Eins. Mir wurde es stellenweise echt zuviel und im Geiste schrieb ich die gerade erst liebgewonnene Serie schon wieder ab. Schon klar, da hat irgendwer Marktforschung betrieben und wie wir alle wissen, ist Marktforschung der Tod guten Programms: Da werden dann die Stellen intensiviert, die besonders beliebt waren, und am Ende kommt ein mittelmässiger Brei raus, von dem man nur noch gelangweilt ist. „Fargo“ wäre nicht die erste Serie, der es so ergangen ist.

Es würde mich nicht wundern, wenn aus der Serie am Ende wieder ein Film wird.

Aber dann sieht man diese tollen Schauspieler — Kirsten Dunst, Ted Danson, Patrick Wilson — und man will einfach noch nicht aufgeben. Man guckt die zweite Folge und merkt: Okay, Drehbuchautoren dürfen auch mal einen schlechten Tag haben. Nachdem die erste Aufregung verpufft ist, nimmt sich „Fargo“ endlich die Zeit, die es braucht. Interessante Konflikte werden eröffnet, starke Figurenkonstellationen zeichnen sich ab und die absurden Situationen sind beinahe perfekt gesetzt. So skeptisch ich nach der ersten Folge war, so überzeugt bin ich nach der zweiten. Die zweite Staffel von „Fargo“ wird groß. Vermutlich so gut wie die erste, wenn nicht noch besser. Ich bin wirklich geflasht und kann die folgenden Episoden kaum abwarten. Und es würde mich nicht wundern, wenn aus der Fernsehserie am Ende wieder ein Kinofilm wird.

P.S.: Ich weiß, ich habe inhaltlich quasi gar nichts über die neue Staffel erzählt. Das hat einen Grund, ich wollte nicht spoilern. Vielleicht soviel: Es geht wieder um Kleinganoven, Verbrecher wider Willen und eine eigenwillige Dorf-Infrastruktur, aber auch um Familienclans und Stadt-Gangster. Außerdem sieht Patrick Wilson aus wie ein junger Bob Odenkirk, man hat also sofort das Gefühl, wieder in Fargo zu sein. Den Rest muss man selber gucken, sorry. 

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