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Nilz on Moviez / Warum man „San Andreas“ eine Chance geben sollte und „Kiss The Cook“ wie ein Wangenkneifer ist

von Nilz Bokelberg
Nilz Bokelberg spricht in seiner WIRED-Kolumne über die wichtigsten Filme und Serien der Woche. Diesmal mit „San Andreas“ und „Kiss the Cook — So schmeckt das Leben“. Stay tuned!

#1 „San Andreas
Eigentlich ein Film, der hier nix zu suchen hat, in dieser kuratierten Liste. Ich meine, hey, auf dem Papier spricht alles gegen diese Produktion: Dwayne „The Rock“ Johnson (der vor ein paar Jahren verlauten ließ, er möchte als Schauspieler nicht mehr „The Rock“ genannt werden, was er aber, wie ich glaube, wieder zurückgenommen hat) spielt die Hauptrolle, die Effekte sind nicht gerade up to date und eigentlich dachte man, Roland Emmerich hätte vor ein paar Jahren das Genre des Katastrophenfilms mit „2012“ komplett abgeschossen und -geschlossen. Weil er es geschafft hat, in dem Film quasi mehr oder weniger jede gängige Katastrophe passieren zu lassen.

Das bedeutet: Alles ist im Eimer. Und zwar big time.

Nun leben aber Totgesagte bekanntlich länger und so ist es auch in diesem Fall. Wobei ich vielleicht noch eine Warnung vorausschicken sollte: Ich liebe Katastrophenfilme, sie sind eines meiner liebsten Genres. Keine Ahnung wieso, aber ich find das einfach toll: „Flammendes Inferno“, „Erdbeben“, „Poseidon Inferno“ — you name it. Dabei gibt es natürlich ganz einfache Genre-Regeln: Kinder überleben immer, Ältere fast nie (aber sie opfern sich oder sterben zufrieden), es gibt immer Ganoven, Kleinkriminelle oder Bösewichte, die versuchen von der Katastrophe zu profitieren oder die sich bei der Rettung vordrängeln. Aber auch die schaffen es nie bis zum Ende des Films und natürlich gibt es immer einen Helden, gerne Familienvater, gerne mit Frau und Kind, in der Katastrophe. Und dann immer noch ein paar andere Charaktere, um das Bild abzurunden. Gerne ist auch immer ein Wissenschaftler dabei.

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Aber worum geht es denn nun in „San Andreas“? Kurz gesagt: Das krasseste Erdbeben ever erschüttert Amerikas Westküste mit einer guten 9,6 auf der bis höchstens 10 gehenden Richterskala. Das bedeutet: Alles ist im Eimer. Und zwar big time. Da die Wissenschaft aber mittlerweile so weit ist, Erdbeben recht gut vorhersagen zu können (toll als Chefforscher: Paul Giamatti), konnte die Bevölkerung gewarnt und zum großen Teil evakuiert werden. Happy Drehbuchtwist, damit man nicht so viele Zivilisten sterben lassen muss. The Rock spielt einen frisch geschiedenen Rettungsflieger aus L.A., dessen Tochter mit dem Neuen seiner Ex in San Francisco ist, als das erste Beben Kalifornien erschüttert. Zusammen mit seiner Ex macht sich der Rettungsflieger auf den Weg zur Golden Gate Bridge, um die gemeinsame Tochter zu retten. Die wiederum hat sich mittlerweile mit zwei Brüdern, die als Touristen in der Stadt weilen, angefreundet und kämpft sich mit ihnen durch ein im Chaos versunkenes San Francisco. Oder das, was davon übrig ist.

So weit, so katastrophal. Der neue Freund der Ex-Frau entpuppt sich natrülich als gewissenloses Arschloch und seine Ex, gespielt von Kylie Minogue, irgendwie auch. Warum sind die eigentlich nicht zusammen geblieben? Es wird andauernd improvisiert in diesem Film. Nicht schauspielerisch, sondern so MacGuyver-technisch. Jede Szene steuert dabei auf eine andere Klimax zu. Immer ist man knapp vor irgendetwas Schlimmen, immer werden alle kurz vor der Eskalation gerettet. Es ist wirklich herrlich! Andauernd soll der Zuschauer sich um irgendwen sorgen, mal mehr, mal weniger. Aber in Ruhe gelassen wird man nie. Klar, bei so viel künstlicher Spannung kann nicht alles funktionieren und manche Situation ist so heftig hinkonstruiert, dass es wehtut, aber eigentlich ist das egal: Man muss sich auf dieses Spiel einlassen, muss Achterbahn fahren wollen. Dann kann man sogar gut mit dem Spiel von Dwayne Johnson leben und wird mit ein paar echten Sitzpress-Wow-Effekten belohnt. Das Hinauffahren auf eine Flutwelle beispielsweise ist einer der physischsten Momente im ganzen Film, den ich so selten gesehen hab. Sehr aufregend.

So ein Film macht Spaß, ist sogar familienoptimiert. Warum sich also nicht den Spaß gönnen und einen lustigen „Boah ey!“-Abend im Kino verbringen? Und über das wohl patriotischste Ende seit „Independence Day“ können wir auch generös hinwegsehen. Weil vorher alles so viel Bock gemacht hat.

#2 „Kiss the Cook - So schmeckt das Leben“
Eine Formalie vorweg, vielleicht ein Appell, eine Art offene Notiz: Liebe deutsche Verleiher, macht doch bitte aus einem englischen Originaltitel keinen neuen englischen Titel für Deutschland, ja? Das macht doch wirklich gar keinen Sinn und ist in eigentlich 2000 Prozent der Fälle absoluter Käse. Letztes Jahr wurde aus (übrigens meinem Lieblingsfilm 2014) „Begin again“ hierzulande „Can a Song save your Life?“. Superbekloppter Titel und megadoof abschreckend. Warum also? Oder, letzte Woche erst in dieser Kolumne beschrieben: „Tomorrowland“ heißt in Deutschland „A World Beyond“. Mir ist schon klar, dass das internationaler klingen soll und auch für den Deutschen, der nicht so gut Englisch kann, aufregend und sexy. Aber mal im Ernst: Ich finde, ihr macht da viel Magie kaputt.

Das soll internationaler klingen und auch für den Deutschen, der nicht so gut Englisch kann, aufregend und sexy.

„Kiss the Cook“ macht da keine Ausnahme, wobei hier die Titeländerung noch am verständlichsten ist, da der Film om Original einfach nur „Chef“ heißt und das in Deutschland wirklich eher verwirrend wäre. Aber aus einem englischsprachigen Vier-Buchstaben-Ein-Wort-Titel einen englisch-deutschen Dreißig-Buchstaben-Sieben-Wörter-Titel zu generieren, das ist schon starker Stoff für 2015. Das nimmt dem Film leider auch viel. Macht doch nicht immer alles nach so albern ausgedachten Marketing-Massstäben, liebe deutsche Verleiher. Nutzt doch auch mal euer Gefühl, euer Herz. Spürt doch mal die Seele eines Films. Denn davon hat „Chef“ sehr viel.

Jon Favreau, bekannt als Regisseur von „Iron Man“ und ähnlichen Späßen, spielt hier die Hauptrolle, führt Regie und hat den Film auch geschrieben. Favreau spielt Carl Casper, einen versierten Chefkoch in einem noblen Restaurant in Los Angeles, der das Essen liebt. Eine Art Dirigent oder Komponist in der Küche. Sein Chef glaubt aber, dass zu viel Experimente schaden und verdonnert Carl zu einem festgeschriebenen Menü. Es kommt wie es kommen muss: Ein Gastro-Blogger schreibt eine vernichtende Kritik über das uninspierierte Menü, Casper schmeißt seinen Job hin. Doch dann bekommt er einen Foodtruck und seine Entdeckungs- und Erweckungsreise beginnt.

Das ist alles sehr Feel-good, es geht hier nicht um menschliche Abgründe. Das ist eben Sommer, Leichtigkeit, ein Zelebrieren des guten Lebens und leckeren Essens. Und ganz ehrlich: Das tut gut. Der Film ist ein Schulterklopfer, ein Wuscheln durch die Haare, ein Kneifer in die Wange. Dabei hat Favreau vermutlich sein ganzes Telefonbuch abgeklapptert und so schöne Gastauftritte von Leuten wie Robert Downey Jr. und Scarlett Johansson bekommen, die ihm die Einladung mit großer Spielfreude danken. Dieser Film wird kein Leben verändern. Aber er kann bestimmt einen doofen Tag schöner enden lassen und einen guten besser. Das reicht ja manchmal schon. 

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