Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Der 360-Grad-Film „Hong Kong Unrest“ schickt dich direkt an die Front der Proteste für Demokratie

von Oliver Klatt
Die Bilder der Hongkonger Demokratie-Massenproteste gingen im vergangenen Herbst um die ganze Welt: Singende Studenten, die den Verkehr lahmlegten und aufgespannte Regenschirme hochhielten — gegen die Pfeffersprayattacken der Polizei und als Symbol des Widerstands. Die Virtual-Reality-Doku „Hong Kong Unrest“ versetzt den Zuschauer mitten ins Geschehen, direkt zwischen friedliche Demonstranten und hart durchgreifende Ordnungsmacht.

Die Macher von „Hong Kong Unrest“ bezeichnen ihren achtminütigen Film etwas spitzfindig als erste 360-Grad-Dokumentation, die eine Nachrichtengeschichte aufarbeitet. Denn Rundum-Dokus und -Spielfilme gibt es schon einige: etwa „Zero Point“ vom Studio Condition One, eine VR-Dokumentation über die Pioniere der Virtuellen Realität, oder „11:57“ vom Sid Lee Collective, der erste Horrorfilm für die Oculus Rift. Deren Hersteller haben gerade erst ein eigenes Filmstudio gegründet, das zunächst vor allem Animationsfilme produzieren soll. Obwohl die benötigte Hardware noch gar nicht im Mainstream angekommen ist, hat der Kampf um den Filmmarkt Virtual Reality also längst begonnen.

Ein Gefühl von Freiheit, das man bei herkömmlichen Dokumentationen nicht empfindet

Immersivly, das Startup hinter „Hong Kong Unrest“, sieht seine Nische im Journalismus. Der Film ist als Prototyp für eine Berichterstattung gedacht, die Distanz abbauen und gar nicht erst den Gedanken aufkommen lassen soll, dass das Gezeigte weit weg sei und einen nichts angehe. „Unser Film beweist, dass Nachrichten als 360-Grad-Video eine gefühlte Verbindung zwischen Zuschauer und Angeschautem aufbauen können“, sagt Immersivly-Gründer Louis Webb. Und Kameramann Edward Miller fügt hinzu: „Beim Schneiden des Films sind mir immer wieder Details aufgefallen, die mir im traditionellen Videojournalismus entgangen wären.“ Eingefangen hat Miller die Aufnahmen mithilfe einer Konstruktion aus sechs Go-Pro-Kameras. Am Rechner wurden die Bilder anschließend zu einem Panorama zusammengefügt.

In jedem Moment von „Hong Kong Unrest“ kann der Zuschauer sich um die eigene Achse drehen und damit seine Perspektive auf das Geschehen verändern — entweder durch Kopfbewegungen beim Betrachten mit einer VR-Brille oder durch das Ziehen des Bildes mit der Maus, wenn man „Hong Kong Unrest“ im Browser ansieht. Dabei entsteht ein Gefühl von Selbstbestimmtheit, das man bei herkömmlichen Dokumentationen nicht empfindet: Personen, die eben noch im Bildrand standen, geraten auf einmal in den Fokus. Nebensächlichkeiten ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Kein Blick gleicht dem anderen.

Ein gezieltes Lenken der Perspektive durch den Filmemacher wird dadurch jedoch unmöglich. Während andere Filme über die Proteste in Hongkong — etwa die des Kameramanns Nathan Mauger — durch Schnitt und Bildauswahl eine vorgegebene Dramaturgie entfalten, setzt „Hong Kong Unrest“ vor allem auf Massenszenen. Denn in denen gibt es immer etwas zu sehen, ganz egal, wo man hinschaut. 

Derzeit arbeitet Immersivly an einem eigenen Videomagazin, das sich ausschließlich dem 360-Grad-Journalismus widmen soll. Mit dem Projekt wolle man ein Publikum zurückgewinnen, das sich von traditionellen Nachrichtenkanälen längst abgewandt habe, weil deren Berichterstattung zu sensationsheischend sei, heißt es. 

Hong Kong Unrest“ funktioniert mit Oculus Rift, WebVR und den meisten Browsern. 

GQ Empfiehlt