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Ausgetagged! Urban Exploration muss trotz Instagram wieder geheimnisvoll werden

von Taina Niederwipper
Urban Explorer kennen keine Zäune. Sie überwinden Schranken aller Art, um ihre „Lost Places“ auf der ganzen Welt zu finden. Ein Trend, dem viele Hobbyfotografen nachgehen, ihre Entdeckungen zeigen sie häufig auf Instagram. Doch die geheimnisvolle Welt des sogenannten Urbex ist bedroht — durch die Verwendung von Location Tags. Unsere Autorin will sich ihre Leidenschaft nicht kaputt machen lassen und fordert: Leave nothing but footprints!

Verlassene Krankenhäuser, stillgelegte Bahnanlagen oder verfallende Hotels erkunden: Vor ein paar Jahren noch war Urban Exploration, kurz Urbex, ein Zeitvertreib für Eingeweihte. Dank unzähliger Presseberichte, Blogs und Location Tags bei Facebook, Instagram oder Twitter sind solche Orte heute leicht zu finden. Aus dem einstigen Nerd-Hobby ist längst ein Hype geworden. Und ich finde: Langsam nervt's.

Mein Problem: Menschen, die sich in Leichenkühlfächer legen und Selfies machen.

Nicht weil ich jetzt in manchen Ruinen auf eine wahre Völkerwanderung treffe, wenn ich als Urbexer unterwegs bin. Auch, dass sich die Neuen nicht um die Magie des Ortes scheren, ist zwar schade, aber nicht weiter störend. Mein Problem sind mehr und mehr zertrümmerte Scheiben, eingetretene Türen und Menschen, die sich in einer ehemaligen Anatomie ins Leichenkühlfach legen — und davon ein Selfie samt Ortsangabe durchs Netz jagen. Mal abgesehen vom Ekelfaktor: Wenn ich dadurch nicht mal mehr den Waldweg recherchieren muss, an dessen Ende das nächste Urbex-Abenteuer wartet, werden solche Besuche bald unmöglich. Denn jeder einzelne Location Tag trägt dazu bei, verlassene Objekte allein durch die Vielzahl der Besucher schneller ihrer Zerstörung auszuliefern.

Schuld daran haben aber nicht nur marodierende Touristen. Denn bei allen guten Absichten, den neuesten Fund mit der Urbex-Community im Netz zu teilen: Verantwortlich ist auch jeder, der aus lauter Eitelkeit Namen und Koordinaten alter Fabriken und Industrieruinen ins Netz posaunt — nach dem Motto: „Location tag or you weren't there!“

Geheimnisse verraten war schon in der Schule scheiße.

Und die Lösung? „Leave nothing but footprints“ heißt seit jeher das ungeschriebene Gesetz unter Urban Explorern. Entdecken, staunen und, belohnt mit ganz speziellen Fotos, glücklich und diskret wieder verschwinden. So geht das. Zumal Urbexer sich oft in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Viele neue Besucher verlassener Orte scheint das kaum zu stören.

Um es klar zu sagen: Auch ich zeige gerne ab und an Urbex-Fotos im Netz. Doch vielleicht sollten wir uns wieder öfter fragen, ob wir die Adresse eines verlassenen Orts einfach mal für uns behalten. Schließlich war Geheimnisse zu verraten schon in der Schule scheiße. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. 

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