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re:publica / Laurie Penny: „Wir können nur werden, was wir uns auch vorstellen können“

von Anna Schughart
Laurie Penny spricht auf der re:publica über die weltverändernde Macht von Geschichten: Warum es so gut ist, dass sie gerade diverser werden und sie sogar ein bisschen versteht, dass das manchen Menschen Angst macht.

Welche Macht haben Geschichten? Eine sehr, sehr große, findet Laurie Penny. Geschichten unterhalten uns nicht einfach, sie seien ein Weg, Kultur zu vermitteln. „Wir können nur werden, was wir uns auch vorstellen können“, sagt die Publizistin und Aktivistin auf ihrem re:publica-Talk, „und gerade wird unsere Vorstellungskraft extrem geweitet.“

Um zu zeigen, wie sehr sich Storys gerade zur Zeit verändern, macht sich Penny erstmal „deep, deep into the Nerd hole“ auf, heißt vor allem: Es geht um Fanfiction. Für Fanfiction nutzen Fans ein bestehendes Universum, wie zum Beispiel Harry Potter, um ihre ganz eigenen Geschichten zu schreiben. Dann ist alles möglich: Harry kann eine Beziehung zu Draco Malfoy haben, Sex mit Snape oder plötzlich ein Mädchen sein. Oder Hermine wird plötzlich zur Protagonistin ihrer eigenen Abenteuer. (An alle, die Harry Potter nie gelesen haben: Das wären wilde Abwandlungen der Originalgeschichte)

Penny zeigt am Beispiel Fanfiction, wie sich – vor allem Frauen – dem literarischen Modell der klassischen Heldenreise widersetzen, die immer wieder und wieder als Plot für Filme, Bücher oder Serien herhalten muss. Der Held dieser Geschichten ist immer jung, weiß und männlich. Extrem langweilig, findet Penny. Die Fanfiction-Autoren wollten zwar „traditionelle“ Geschichten mit einem Anfang und einem Ende, Protagonisten und Antagonisten, sie wollten Geschichten, die als Spiegel und als Fenster dienen können und einen verändern, doch: „Sie wollten eine andere Art von Helden und eine andere Art zu erzählen“.

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Die vielen – vor allem weiblichen – Fanfiction-Autoren sind mittlerweile erwachsen geworden, haben Einfluss und beginnen selbst, Geschichten zu kreieren, die Gesellschaft zu beeinflussen und mehr zu verlangen. Doch obwohl Serien wie „Jessica Jones“, Filme wie „Mad Max: Fury Road“ oder Bücher wie „Die Tribute von Panem“ immer noch die Ausnahme und nicht die Regel sind, passiert diese Veränderung nicht ohne massiven Gegenreaktionen.

Als beispielsweise bekannt wurde, dass Hermine im neuen Harry Potter-Theaterstück von einer schwarzen Frau gespielt wird, „ist das Internet völlig ausgetickt“, sagt Penny. Menschen könnten sich Drachen, Zaubertränke und Todesser vorstellen, aber eine nicht-weiße Hermine – das sei undenkbar. Das ist problematisch, denn: „Der Teil unserer kulturellen Phantasien, der weiße, westliche Männer in das Zentrum jeder Geschichte stellt, ist der gleiche Teil der Rassismus und Sexismus legitimiert“, sagt Penny.

Doch sie kann die Wut der weißen Männer, die so daran gewöhnt sind, sich selbst immer wieder und wieder als Helden repräsentiert zu sehen, verstehen: Jeder, der schon einmal wegen seines Geschlechts oder seine Hautfarbe ausgeschlossen worden sei, habe sie schon einmal gespürt. Doch was ist, wenn man diese Wut jedes Mal spürt, wenn man ein Buch liest oder einen Film sieht? Irgendwann beginne man zu glauben, daran würde sich nie etwas ändern, sagt Penny: Und dann geschieht genau das, es ändert sich etwas.

Was bedeute es dagegen als weißer cis-Junge diese Bücher und Filme zu schauen? Es bedeute das gleiche, sagt Penny, was es für alle anderen schon immer bedeutet habe: „Sich mit jemandem zu identifizieren, der nicht wie man selbst aussieht, der nicht so spricht, fickt. Es ist eine Herausforderung und sie ist genauso radikal und nützlich wie für den Rest von uns.”

Die re:publica findet vom 2. bis 4. Mai 2016 in Berlin statt. Die WIRED-Berichterstattung zur Konferenz findet ihr hier

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