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Er holte Mode vom Laufsteg ins Netz: Helmut Lang, Internetpionier, Modelegende, Bildhauer

von Dirk Peitz
Als erster Modedesigner überhaupt präsentierte Helmut Lang einst seine Kollektion im Netz statt auf einem Laufsteg. Die Fachwelt war erbost. Aber er macht halt sein Ding, derzeit vor allem als Bildhauer. WIRED hat ihn auf Long Island besucht. Eine seltene Gelegenheit, etwas mehr über den weltberühmten Österreicher zu erfahren.

Wenn es eines gibt, das uns soziale Medien gelehrt haben, dann dieses: Aufmerksamkeit ist heute eine Währung, und wir alle buhlen darum. Oder fast alle. Denn es gibt die seltenen Fälle von Menschen, die sich aus dem Netz völlig heraushalten – und trotzdem allgegenwärtig erscheinen, jedenfalls in ihrem Bereich. Oder ihrem ehemaligen.

Helmut Lang ist so ein seltener Fall: Der Österreicher wurde in den 90er-Jahren weltberühmt als Designer minimalistischer Kleidung und ist bis heute einer der einflussreichsten Modemacher der Gegenwart – obwohl er seit elf Jahren gar keine Mode mehr macht. Doch andere zitieren seine einstigen Entwürfe immerfort, und wir alle tragen seine Ideen weiter am Leib.

Und Lang? Hält sich aus allem total raus. Lebt auf Long Island, macht Kunst, zeigt sie hin und wieder öffentlich, aber fast nie sich selbst: Lang geht nur selten zu seinen eigenen Ausstellungseröffnungen, gibt fast keine Interviews und lässt sich nur sehr, sehr selten fotografieren, die aktuellsten Bilder von ihm sind einige Jahre alt. Selbstverständlich hat Lang auf keiner einzigen sozialmedialen Plattform ein Profil, und dennoch weiß er genau, was dort los ist: Er leiht sich von Freunden einfach deren Smartphones, um nachzuschauen. Klingt verrückt. Scheint aber zu funktionieren: Helmut Lang geht’s super.

Das Internet gab mir damals die Möglichkeit, an den Türstehern der Modewelt vorbei meine Arbeiten ungefiltert zeigen zu können

Helmut Lang, Modedesigner, Künstler und Internetpionier

Wir wissen das, weil wir mit ihm gesprochen haben: Lang hat WIRED zu Hause auf Long Island eines seiner so seltenen Interviews gewährt. Um unter anderem ein Missverständnis ihn betreffend aufzuklären: Er lebe keineswegs zurückgezogen und isoliert von der Welt, sagt Lang.

Und tatsächlich ist der heute vor allem bildhauerisch tätige Künstler auf seine sehr eigene Art ein Internetpionier, denn er war der erste Modedesigner, der ins Netz gegangen ist: Im Jahr 1998 waren Modekritiker fassungslos bis erbost, weil Lang eine Kollektion im Netz statt auf einem Laufsteg präsentierte, als Erster überhaupt. Er habe dazu damals allerdings noch Videokassetten und gedruckte Lookbooks verschicken müssen, erzählt Lang im WIRED-Interview, „weil noch nicht alle Leute einen Internetanschluss besaßen – oder zumindest nicht wussten, wie man ihn benutzt.“

Keine 20 Jahre ist das her, und Lang sagt im Rückblick heute: „Das Internet gab mir damals die Möglichkeit, an den Türstehern der Modewelt vorbei meine Arbeiten ungefiltert und in Gänze zeigen zu können, die gesamte Kollektion. Plötzlich konnte Mode überall auf der Welt und von jedem betrachtet werden, das war ein enormer Schritt nach vorne hin zur Demokratisierung der Mode. Selbstverständlich ahnte da noch niemand, wie dramatisch das Internet-Zeitalter die Modekultur verändern sollte, zunächst durch Blogs, später durch Instagram – und in welchem Ausmaß Mode heute im Netz diskutiert, kommentiert und verkauft werden würde.“

Obwohl er es gut finde, „dass so viele Menschen heutzutage an diesem unendlich umfassenden Gespräch im Netz teilnehmen können“, sagt Lang, „möchte ich die Meinungen anderer nicht zum Maßstab für mich nehmen.“ Denn: „Ich habe mich vor langer Zeit bereits entschlossen, mein Leben mit der Geschwindigkeit zu führen, die mir selbst möglich ist – selbst wenn es um den Preis geschieht, dass ich innerhalb eines Systems nicht so schnell vorankomme, wie es möglich wäre.“

Lang spricht in der neuen WIRED-Ausgabe, die ab dem 7. Juni in jedem gutsortierten Kiosk erhältlich ist, ausführlich übers Erschöpfen und Erschaffen. Das Thema Kreativität bildet in der neuen WIRED einen Heftschwerpunkt, unter anderem erzählt die Schriftstellerin, Filmemacherin und App-Bauerin Miranda July darüber, wie sie auf immer neue Ideen kommt.

Die Kunst, die Helmut Lang schafft, ist derzeit in Dallas zu sehen, bis zum 21. August noch in der Einzelschau „Burry“ in der Ausstellungshalle Dallas Contemporary

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