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Die ganze Macht der Dinge: Werden wir eins mit der Maschine?

von Karsten Lemm
Vernetzung wird allgegenwärtig: Cloud-­Diens­te helfen, riesige Datenmengen zu analysieren, Fühler, Funkchips, Prozessoren kosten immer weniger. „Es sind Dinge möglich geworden, die wir uns vor wenigen Jahren gar nicht vorstellen konnten“, sagt Sebastian Schlund, IoT-Experte am Fraunhofer-Institut. „Das hat eine ganz neue Dynamik hineingebracht.“

Dieser Artikel erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe des WIRED Magazins im September 2016 als Teil eines Specials über Künstliche Intelligenz. Wenn ihr die Ersten sein wollt, die einen WIRED-Artikel lesen, bevor er online geht: Hier könnt ihr das WIRED Magazin testen.

Ach ja, der Kühlschrank: Jahrelang reflexhaft vorgezeigt, wann immer uns die Segnungen der schlauen Zukunft ausgemalt wur­den – und jetzt kann er wirklich sagen, ob die Milch ihre Da­tums­grenze überschritten hat. Schickt Bilder durchs Netz, schlägt Rezepte vor, zeigt Facebook auf dem Display in seiner Tür. Echter Fort­schritt?

„Vergessen Sie den Kühlschrank“, sagt Werner Vogels, Chef des Amazon Cloud-­Dienstes AWS, und erzählt stattdessen von Hochdruckreinigern, die melden, ob das Putzmittel noch reicht. Lkw, die frühzeitig erkennen, ob ein Motorschaden droht. Football-Profis in Amerika, deren Trikots messen, ob ihre Körper einen gemeinsamen Biorhythmus finden – das Zeichen von Siegern. „Viele sagen: Das Internet der Dinge wird mal ganz groß“, erklärt Vogels. „Für uns ist es schon groß. Bei industriellen Anwendungen explodiert es geradezu.“

Kein Wunder, denn präzise Informationen darüber, wie sich ihre Produkte effizienter herstellen lassen und wie sie später genutzt werden, lassen Unternehmen auf Milliarden hoffen. Auch in Woh­nun­gen und Büros verbreitet sich das Internet of Things (IoT), weil es Einsparungen und neue Einsichten verspricht. Thermos­tate regeln automatisch Heizung und Licht, je nachdem, ob Menschen in der Nähe sind. Fitness-Tracker signalisieren Millionen, ob sie gut schlafen und wie gesund sie leben. Oft stammen die Daten aus dem einen Gerät, das uns über­all folgt, voller Sensoren steckt und immerzu im Netz ist: dem Smartphone.

„So ziemlich jeder nutzt bereits das Internet der Dinge“, sagt Kevin Ashton, der 1999 den Begriff erfand. „Nur haben die wenigsten Men­schen davon gehört.“ 80 Prozent der Deut­­schen können weiter nichts mit dem Stichwort anfangen, fast ebenso viele zucken bei „Industrie 4.0“ mit den Schultern. Verständlich, sagt Ashton: „Das Internet der Dinge ist von Natur aus unsichtbar.“

Doch auf jedes verkaufte Smartphone kommen Dutzende winziger Chips, die der Welt genau jene Intelligenz bringen, die Ashton sich als Procter & Gamble-Manager 1999 wünschte: Wenn jeder Lippenstift sagen kann, wo er gerade ist, hinterlässt der Weg zur Kundin eine Datenspur, die genau Auskunft gibt über Lieferung, Lagerzeiten und Einkaufsverhalten.

Lange blieben solche Visionen theoretisch, weil entscheidende Zutaten zur Umsetzung fehlten. Das ändert sich nun: Vernetzung wird allgegenwärtig; Cloud-­Diens­te helfen, gigantische Datenmengen zu analysieren; Fühler, Funkchips, Prozessoren werden immer billiger. „Es sind Dinge möglich geworden, die wir uns vor wenigen Jahren gar nicht vorstellen konnten“, sagt Sebastian Schlund, IoT-Experte am Fraunhofer-Institut. „Das hat eine ganz neue Dynamik hineingebracht.“

Fünfzig Milliarden vernetzte Geräte erwartet Cisco bis 2020, ein Großteil davon Dinge, die nun anfangen, in Daten zu sprechen: Parkuhren, die Bescheid geben, wenn ein Platz frei wird; Container, die wissen, ob die Fracht Hitzschlag bekommt; Fabriken, in denen keine Schraube mehr verloren geht.

Das wirtschaftliche Potenzial für Optimierungen schätzt McKinsey auf bis zu elf Billionen Dollar im Jahr. Der Weg dahin allerdings ist reich an Hindernissen: Noch fehlen Standards, die Milliar­den Geräte reibungslos kom­munizieren lassen. Firmen und Privatleute zögern, sich ins Abenteuer IoT zu stürzen. Und über allem hängen die Fragen: Wer kontrolliert unsere Daten? Wie lassen sie sich vor Hackern sichern?

Die Suche nach Antworten wird Jahre dauern, womöglich Jahrzehnte. Doch sicher ist: Das Internet der Dinge wird unser Leben verändern, weit mehr noch, als PC und Smartphone es getan haben. Denn am Ende, so sagt es der Autor Kevin Kelly voraus, werden wir in der Maschine aufgehen, werden im Com­puter leben, nicht mehr nur Seite an Seite mit ihm.

WIRED sprach mit Technik-Orakel Kevin Kelly über eine Zukunft der mitdenkenden Dinge. Zum Interview geht es hier

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