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Kleiner ist größer: Unsere liebsten Minihäuser

von Cindy Michel
Wohnraum wird knapp und Mieten immer teurer. Klitzekleine Häuser könnten die Lösung des Dilemmas sein – und ganz nebenbei sparen diese noch enorm viel Energie. Doch die Raumwunder schaffen noch mehr: Sie können Flüchtlingen und Menschen in Katastrophengebieten ein Dach über dem Kopf geben. Wir stellen unsere Favoriten vor.

Ein dicker Bauch und ein großes Haus waren schon in den 1950er Jahren ein Zeichen von Wohlstand. Je weiter der Gürtel, desto größer der persönliche Erfolg, glaubte man. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Heute gilt: weniger ist mehr. Wohlstandskrankheiten und Lebensmittelskandale haben ernährungstechnisch Wege für die vegane und bewusste Küche geebnet und in Sachen Wohnraum geht der Trend ganz klar zum Downsizing, zum funktionalen Minimalismus.

Steigende Immobilienpreise, die Finanzkrise und eine wachsende Anzahl von digitalen Nomaden, die Mobilität und Unabhängigkeit mehr schätzen als Jägerzaun und Wohnfläche, sind Auslöser und Begründer einer neuen Bewegung, dem Tiny-House-Movement. Der Gedanke auf engstem Wohnraum zu leben, abseits von konventionellen Reihenhaussiedlungen und spießiger Vorstadtromantik, ist nicht neu. 

In den 1920er Jahren gab es eine Art Gegenbewegung in den USA, als das Motorhome populär wurde, kleine Häuschen auf Rädern. In Europa waren es vor allem Hippies und Aussteiger die alternative Lebensformen suchten – und sie in Bauwagensiedlungen fanden. Heute liegen diese Winzig- oder Kleinsthäuser wieder im Trend. Denn sie sparen nicht nur Geld, sondern auch Energie. Allein durch die geringe Größe wird bereits beim Bau weniger Treibstoff und Strom benötigt, ganz zu schweigen von späteren Heizkosten. So schrumpft der eigene ökologische Fußabdruck mit der Wohnfläche. Klare Maßangaben gibt es nicht, jedoch haben Minihäuser typischer Weise nicht mehr als maximal 50 Quadratmeter Wohnfläche.

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Jay Shafer, Pionier des Tiny House Movements, gibt eine Führung durch sein Haus.

Obgleich Platzmangel kein Thema im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein sollte, sind die Amerikaner Pioniere des Tiny-House-Movements. Allen voran Jay Shafer. Der Architekt und Gründer der Tiny House Firma Tumbleweed soll einer der ersten gewesen sein, der vor etwa 20 Jahren in ein selbstgebautes Minihaus zog. „Ich hatte nie vor, ein Winzighaus zu bauen. Effizient sollte mein Heim werden, dadurch wurde es eben mini“, berichtet Shafer dem Designmagazin Life Edited. Langsam scheint der Trend auch in Europa anzukommen. Außerdem haben Designer das Potenzial der kleinen Häuschen erkannt, wenn es um Flüchtlingshilfe und Katastrophenschutz geht.

Wir finden Downsizing gut und stellen euch zum Jahreswechsel unsere Favoriten der winzigen Häuser vor. Vom Heim, das einmal um die Welt fuhr bis zum Muji-Kork-Häuschen ist alles dabei.

1) Auf elf Quadratmetern einmal um die Welt

Nicht die Größe des Eigenheims war für Sabine Hoppe und Thomas Rahn ausschlaggebend, sondern die Mobilität. Denn mit ihm wollten die Künstlerin und der Archtiekt/Forstwissenschaftler einmal um die Welt. Sie entschieden sich für einen Mercedes Benz Kurzhauber LA 911B ( Baujahr 1977), den sie Paula tauften. Sechs Jahre wohnten die beiden 36-jährigen Bayern auf elf Quadratmetern, legten mit durchschnittlich 40 Kilometern pro Stunde, 120.000 Kilometer zurück, durchquerten 54 Länder auf fünf Kontinenten und passierten dabei 75 Grenzen. Ursprünglich war der Siebeneinhalb-Tonner ein mobiles Büro des Bundesgrenzschutzes, der Vorbesitzer hatte Paula zu einem mobilen Eigenheim ausgebaut.

„Wir haben beide unsere Wohnungen gekündigt und sind komplett ins Auto gezogen“, sagt Rahn im Gespräch mit WIRED. Die neue Enge in den eigenen vier Wänden auf ebenso vielen Rädern habe nie ein Problem dargestellt, im Gegenteil: „Wir haben gemerkt, dass elf Quadratmeter schon Luxus sind, so viel bräuchten wir gar nicht“, so Rahn. Sie hätten ja auch alles gehabt, was man zum Leben brauche: ein Bett (1,20 x 1,90 Meter), Dusche, Toilette, Sitzecke, Gasherd, Kühlschrank, 300 Liter Frischwassertank, 220 Watt Solarmodule, Gasheizung und Holzofen. „Alles in allem konnten wir etwa zwei Wochen komplett autark im Lkw wohnen“, berichtet Rahn. „Unser Ressourcenverbrauch, abgesehen von Paulas Verbrauch, war extrem gering.“

Während der Reise haben die beiden auf ihrer Internetseite abseitsreisen.de geblogged, um anderen Tipps zu geben und ihre Erfahrungen mit Gleichgesinnten zu teilen. „Wir dachten damals, wir wären die einzigen, die sich dafür entscheiden im Auto zu leben und um die Welt zu fahren. Tatsächlich gibt es extrem viele Menschen die das machen. Wir haben etliche Leute kennen gelernt, die keinen festen Wohnsitz haben, nur reisen, und völlig ortsunabhängig arbeiten.“

Das mobile Leben sei komplizierter und aufwändiger, merkt Rahn an. „Wenn man wie wir, fast jeden Tag an einem anderen Ort übernachtet, musst du immer nach allem suchen. Wo kann man die Wäscheleine spannen? Wo gibt es einen Waschsalon mit Trockner? Wo gibt es einen Bäcker?“ Dinge des alltäglichen Lebens, die in einem Leben auf Reisen jeden Tag neu entdeckt werden müssen.

„Wir haben festgestellt, dass die ganze Vorbereitungsphase, während man überlegt, welche Solarzellen oder Abschleppseile am besten wären, nicht so wichtig ist. Eigentlich waren immer alle, die wir untergwegs getroffen haben, mit dem was sie hatten zufrieden.“ Aktuell wohnen die beiden in einer Mehrgenerationen Wohngemeinschaft im Allgäu, aber der Gedanke, dass sie jederzeit wieder zusammen mit Paula auf Reisen gehen könnten, sei befreiend.

2) Bauhaus-Barock auf sechs Quadratmetern für 100 Euro

Eine Wohnung mit Bad, Küche, Schlafzimmer und Wohnzimmer auf einer Fläche von gerade mal sechs Quadratmeter soll möglich sein. Das glaubt zumindest der Architekt Van Bo Le-Mentzel von der tinyhouse University. Die Wohnung, die gerade mal 2 Meter breit und 3,20 Meter lang ist, soll den Mieter maximal 100 Euro warm im Monat kosten, inklusive Strom, Heizung und Internet.

Eine Deckenhöhe von 3,60 Meter soll dafür sorgen, dass die Bewohner sich nicht eingeengt fühlen. Auch ein Obergeschoss gibt es in diesem Raumwunder: Der Platz oberhalb des Badezimmers kann als Stauraum, Schlaf- oder Arbeitsplatz ausgebaut werden. Witzige Optik: das Sprossenfenster im Wohnzimmer. Es erinnert eher an eine barocke Stube als an einen Neubau.

„Die Effizienz der Raumorganisation kommt vom Bauhaus, und die Ästhetik der Proportionen aus dem Barock” erklärt Le-Mentzel. „Deshalb nenne ich den Baustil Bauhaus-Barock“. Auch Ornamente seien denkbar, meint der Architekt, der mit den Hartz IV Möbeln bekannt wurde. Dieser Stuck würden dann allerdings mit einem 3D Drucker aus recyceltem Plastik hergestellt werden. Die Wohnungen könnten auch gekoppelt werden, so würde eine Art Gemeinschaftsraum von 42 Quadratmetern in der Mitte entstehen, in dem die Bewohner gemeinsam kochen oder lernen könnten, so Le-Mentzel. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen WG hätte jeder Bewohner sein eigenes Bad und Küche.

Die Durchmischung sei wichtig. Den Gemeinschaftsraum benutzen im besten Fall Menschen aus allen Gesellschaftsschichten: Jetsetter, Rechtsanwältinnen, Ärztinnen, Pflegerinnen, Studierende, Junge und Alte, Gesunde und Pflegebedürftige.

Er ist eine Mischung aus Co-Working, Kulturzentrum und Mehrgenerationenhaus und kann für einen anderen sozialen Kitt sorgen als Hausprojekte, die rein für Demente, Geflüchtete, Studierende oder Existenzgründerinnen gedacht sind.
 

3. Mini-Appartments auf den Dächern der Stadt

Wohnraum ist knapp, doch die minimalistischen klitzekleinen Häuser, die überall hinpassen – nicht nur in unbebaute Nischen, sondern vor allem auch auf bisher ungenutzte Häuserdächer – sollen helfen. Das jedenfalls stellen sich die Gründer von Cabin Spacey mit ihren Wohnmodulen vor. Der Prototyp des Hauses soll eine Grundfläche von ungefähr 8,5 auf 3,2 Meter haben und 3,5 bis 3,7 Meter hoch sein – insgesamt sind das knapp 20 Quadratmeter Standfläche. Innen ist trotzdem alles untergebracht was die bis zu zwei Bewohner zum Leben brauchen: Küche, Bad, Wohnraum und Schlafempore.

Den kompletten Strombedarf soll ein auf dem Dach installiertes Solarpanel decken. Für angenehme Wärme im Winter und zugliech klimatisierte Luft im Sommer sorgt eine Luft-Wärme-Pumpe. Das spannende an der Vision: Die Häuser sollen auf den Dächern über der Stadt neuen Wohnraum bieten. Das wäre dann in zentraler und trotzdem ruhiger Lage. Aber nicht nur das – die Gründer gehen in ihrem Zukunftsszenario noch einen Schritt weiter: „Wir könnten uns eine Art Co-Living-Modell vorstellen. Mitglieder unserer Mietgemeinschaft könnten irgendwann flexibel komplett ausgestattete Häuser in verschiedenen Städten mieten, anstatt sie mitzunehmen“, sagt Andreas Rauch im Gespräch mit der Gründerszene.

Der Verkaufspreis soll unter 100.000 Euro liegen, der Hersteller verspricht eine Lebensdauer von 100 bis 200 Jahren.

4) Ein Mini-Haus für Katastrophengebiete

Egal ob Stürme, Tsunamis oder Erdbeben: Bei schrecklichen Katastrophen verlieren nicht nur oftmals hunderte Menschen ihr Leben, sondern es werden auch auch unzählige Häuser zerstört. So bleibt der Überlebende ohne Obdach zurück. Schnell werden Notunterkünften in Sporthallen oder Schulen eingerichtet, doch das grenzt oft an eine logistische und organisatorische Herausforderung. Schnelle Abhilfe könnte in Zukunft eine Erfindung des britischen Designstudios Duffy London schaffen.

Das Team hat mit dem Duffy Shelter einen Bausatz entwickelt, mit dem sich eine sichere Behelfsbehausung schaffen lässt. Alles was zum Aufbau benötigt wird ist ein Schraubenzieher und etwa eine Stunde Zeit. Bis zu 35 Shelter-Bausätze sollen in einen einfachen Transporter wie einen Mercedes Sprinter passen. Denn das Set besteht lediglich aus zwei Wänden, einer Decke, einem Boden, zwei Türen und zwei Fußstreben, die aus Holz und Blech gefertigt werden.

Anschließend steht ein 1,85 Meter langer und 1,42 Meter hoher Unterschlupf bereit, der genügend Platz für zwei Menschen zum Schlafen bietet. Ein Brett, das zwischen zwei Fenstern eingelassen ist, bietet Stauraum. Für den Schutz vor Hitze und Kälte sorgen eine je nach Einsatzort angepasste Isolierung, die in die Deckenverkleidung eingezogen wird, und kleine Lüftungsklappen an den Seitenwänden.

Der breite Standfuß des Shelter soll garantieren, dass die Bewohner selbst auf schlammigen oder überschwemmten Untergrund vor Feuchtigkeit und Schmutz geschützt sind. Laut der Duffy-Desiger ist das handgefertigte Mini-Haus so konzipiert, dass es sich je nach Einsatzzweck auf vielerlei Arten anpassen, um- und ausbauen lässt. So tauge das Shelter etwa auch als Krankenlager für Verletzte und Geflüchtete in Kriegs- und Krisengebieten.

5) Bei Muji gibt es nicht nur Haushaltswaren, sondern auch Winzighäuser

Pullover, Duschgel, Reise-Nasentrimmer und kleine Möbelstücke: Die Kleinkram-Produktpalette von MUJI ist mannigfaltig. Wahrscheinlich vielfältiger als die meisten für möglich halten würden, denn der japanische Haushaltwarenhersteller produziert sogar eigene Mini-Häuser, die Muji Huts.

In Japan nennt man die Raumwunder „Kyosho Jutaku“ und MUJI geht in diesem Segment gleich mit drei verschiedenen Modellen von drei verschiedenen Designern an den Start: Jasper Morrison, Konstantin Grcic und Naoto Fukasawa (Chefdesigner bei MUJI).

Die von ihnen entworfenen kleinen Fertighäuser unterscheiden sich unter anderem im Material. Morrisons Hütte ist aus Kork gemacht, die von Grcic aus Aluminium und Fukasawas aus Holz. Zum alltäglichen Wohnen eignet sich vor allem das Kork-Haus. Es ist das einzige der drei, das mit jedem nötigen Raum ausgestattet ist: Küche, Bad und Schlafzimmer.

Ab 2017 sollen die Muji Huts für Preise zwischen 3 und 5 Millionen Yen (etwa  23.000 bis 38.500 Euro) erhältlich sein.

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