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Digital ist besser / Warum Amazon Johnny Haeusler nur noch homoerotische Literatur empfiehlt

von Johnny Haeusler
Okay, es gibt Argumente für das gemeinsame Nutzen von Computern. Kontrolle ist eines. Aber genau da wird es schwierig, findet unser Kolumnist Johnny Haeusler. Denn wollt ihr wirklich wissen, was die Menschen, die mit euch wohnen, im Netz treiben?

Ich kenne viele Familien, die einen gemeinsam genutzten Computer oder ein gemeinsam genutztes Tablet im Wohn- oder Esszimmer stehen oder liegen haben. Die Idee dahinter ist so einfach wie sinnvoll: Kinder erlernen den Umgang mit den Geräten unter der Aufsicht der Eltern, ohne dass diese die ganze Zeit direkt daneben sitzen müssen.

Schnelle Wissensrecherchen können gemeinsam durchgeführt werden. Und ein tolles neues YouTube-Video oder einen Kinotrailer kann man zusammen anschauen, ohne dass Mama oder Papa den Büro-Laptop auspacken müssen. Der ja zu Hause eigentlich sowieso geschlossen bleiben soll.

In der Praxis kommt es mit einem Familien-Rechner oder -Tablet allerdings gerne mal zu Verwirrungen. Und das liegt an den Technologien, die einzelne Nutzer tracken und ihr Verhalten bewerten. Doch der Algorithmus geht immer davon aus, dass es eine einzige Person ist, die das Gerät nutzt.

So kommt es nach Shopping-Touren durchs Netz dazu, dass es jeder schnell mitbekommt, nach welchen Luxus-Gütern Vater, Mutter, Sohn und Tochter mal wieder im Netz gestöbert haben. Egal, ob sie das ernsthaft und für sich selbst getan haben. Denn die auf den Nutzer oder die Nutzerin angepasste Werbung auf anderen Websites verrät, wonach jemand in den Stunden und Tagen zuvor gesucht hat. Selbst wenn der Browser-Verlauf gelöscht wurde. Wer ein gemeinsames Amazon-Konto nutzt, hat sich vielleicht schon öfters über die scheinbar unpassende Werbung gewundert.

Mir wurden fast ausschließlich homoerotische Literatur und diverse Zubehör-Artikel für den meist nächtlichen Gebrauch angeboten.

Johnny Haeusler

In einer meiner Lieblingsanekdoten aus dem Internet hatte ich vor vielen Jahren eine Webcam für den Mann meiner Mutter bestellt. Sie wollte ihm ein Weihnachtsgeschenk machen, hatte sich aber durch die Auswahl überfordert gefühlt. Für mich war der Kauf nach kurzer Recherche eine einfache Sache, ich übernahm das gerne für sie. Noch Wochen danach — ich hatte Amazon zu dieser Zeit nicht oft für Bestellungen genutzt — wunderte ich mich allerdings darüber, dass mir als Kaufempfehlungen fast ausschließlich homoerotische Literatur, Kalender, Poster, Filme und diverse Zubehör-Artikel für den meist nächtlichen Gebrauch angeboten wurden.

Offenbar bestellten zu dieser Zeit — in der Webcams noch nicht fester Bestandteil jedes Computers waren — verhältnismäßig viele männliche Amazon-Kunden mit gleichgeschlechtlicher Orientierung dieses Produkt. Und so wurden mir eben Artikel empfohlen, die andere Kunden … na, ihr wisst schon.

Das störte mich alles nicht groß. Der ein oder andere Pulp-Kracher der Gay-Literatur zeigte mir schließlich, dass sich schwule Liebesromane von ihrer Hetero-Version nicht einmal durch den Bodybuilder auf dem Cover unterschieden. Ich fragte mich dennoch, zu wie vielen Konflikten der Blick auf die Amazon-Startseite des Partners oder der Partnerin in eher konservativen Ehen geführt haben könnte. Alles nur, weil der Algorithmus wieder nur Bahnhof verstanden hatte.

In einem anderen Beispiel erzählten mir unabhängig voneinander der Mann und die Frau eines mit uns befreundeten Paares von einem bevorstehenden Urlaub. Der Mann berichtete von der wahnsinnigen Überraschung, die er plante, da er den so lange verschobenen Trip nach Thailand nun endlich recherchieren und buchen würde. Und die Frau freute sich schon sehr, dass ihr Mann Flüge nach Thailand recherchierte. Das konnte sie seit Tagen anhand der eingeblendeten Werbung am gemeinsam genutzten Wohnzimmer-Computer ahnen. Nicht sehr romantisch, ich weiß.

Was nach den Internet-Ausflügen von 17-Jährigen am Computer an Werbung eingeblendet wird, das wollt ihr lieber gar nicht wissen.

Johnny Haeusler

Natürlich kann man auf einem Desktop-Computer oder Laptop für jedes Familienmitglied Accounts anlegen, aber wer macht das auf einem Familien-PC schon? Der Sinn des Sache ist ja nicht, dass man dauernd den Account wechseln muss, wenn man etwas auf Amazon sucht. Und bei bisherigen Tablets sind mehrere Accounts im Normalfall gar nicht erst vorgesehen.

Wer durchaus witzige, manchmal aber eben auch erklärungsbedürftige Verwirrungen vermeiden will, muss wohl einzelne Geräte kaufen. Eltern von Pubertierenden sei dazu eh geraten. Denn was nach den nachmittäglichen Internet-Ausflügen von 17-Jährigen und ihren Freunden und Freundinnen am öffentlichen Computer zu Hause an Werbung eingeblendet wird, das wollt ihr lieber gar nicht wissen. Daher: Lasst euch eure Familie nicht durch das Internet zerstören! Kauft jedem sein eigenes Gerät! 

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