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Digital ist besser / Das Internet lieben heißt über das Internet nörgeln

von Johnny Haeusler
Diese Kolumne heißt „Digital ist besser“. Das heißt allerdings nicht, dass ihr Autor diesem Motto immer bedingungslos zustimmt. Johnny Haeusler erklärt, warum er als Technologiefan immer auch Technologiekritiker ist.

Neulich unterhielt ich mich mit jemandem – face to face – über meine Kolumne für WIRED. Dieser Jemand stellte mit einem vorsichtigen, mir aber nicht verborgen gebliebenen Ansatz von Unzufriedenheit fest, dass ich in dieser Kolumne streckenweise zu technologiekritisch klänge.

Das hat mich überrascht, etwas geknickt sogar. Und ich frage mich seitdem, ob ich beim Schreiben meiner wöchentlichen Texte etwa fälschlicherweise davon ausgehe, dass Leserinnen und Leser dieser Zeilen generelle Technologiefans sind. Denen ich Zweifel und Kritik am digitalen Wandel hemmungslos um die Ohren hauen kann, ohne dabei mit professionellen Internet-Blödfindern verwechselt zu werden. Falls dem so ist, folgt hier die Klarstellung: Ich liebe Technologie. Ich liebe das Internet.

Wenn Unzufriedenheit kein Motor mehr ist, wird aus Fortschritt Stillstand.

Ich bin ein Geek, manchmal sogar ein Nerd, ich kann Produktvorstellungen spannend und sogar aufregend finden, ich besitze einen Haufen alter Geräte mit Anschlüssen, deren Namen ich vergessen habe, die ich aber einfach nicht entsorgen kann, weil sie DAMALS DER KRACHER WAREN! Ich habe neulich sogar versucht, einen Psion 3mx auf Ebay zu ersteigern (bis mir einfiel, dass der natürlich gar kein WLAN hat...) weil ich mich mit einer gewissen Wehmut darin erinnerte, welchen Text ich wo genau darauf getippt hatte und wie toll man darauf beiddaumig schreiben konnte, da kam die 5er-Serie trotz der eigentlich besseren Tastatur einfach nicht mit, weil – ich schweife ab, sorry.

Ich bin davon überzeugt, dass Technologie gut für die Menschheit sein und uns Arbeit ersparen oder sie wenigstens einfacher machen kann. Dass sie Spaß machen und Geld sparen kann (es sei denn, man bietet zu hoch auf einen Psion 3mx) und dass sie uns hilft, weiterbringt und nebenbei auch noch gut unterhält.

Wir laufen mit handtellergroßen Glasscheiben durch die Gegend, auf denen wir das Wissen und den Unsinn der Welt, die Stadtpläne der Erde, beinahe jeden jemals aufgenommenen Song, jeden produzierten Film und unsere Fotos der letzten zehn Jahre abrufen können. Und mit denen wir direkten Kontakt zu potenziell jeder anderen Person aufnehmen können. Wenn das mal nicht cool ist!

Ich finde das großartig. Und genau deshalb nörgele ich daran ab und zu herum. Ich tue das, weil ich möchte, dass Technologien wie das Internet oder digitale Devices tatsächlich „smart“ sind oder uns zumindest smarter machen. Wir alle wissen, dass das natürlich nicht immer der Fall ist. So cool vieles Digitale ist, so missbraucht, absurd oder überflüssig ist es eben an anderen Stellen, an denen uns Technologie zu generalüberwachten Bürgern oder zu Trotteln macht oder dort eingesetzt wird, wo die technikfreie Lösung die eindeutig bessere bleibt. Soll's ja geben.

Welche Stellen das aber genau sind, ist ein Teil der zu führenden Debatte und ein Teil der Suche, auf der wir uns befinden. Zu unterscheiden und auch zu bestimmen, wie und wo die uns zur Verfügung stehende Technologie der Gegenwart und Zukunft so eingesetzt wird, dass sie uns voran bringt oder zumindest nicht schadet, ist eine Aufgabe, der sich Menschen jeder Fachrichtung und Profession stellen müssen. Weshalb es meiner Meinung nach immer wieder gut und richtig ist, so vieles wie möglich in Frage zu stellen und auch unser eigenes Verhalten mit und zu Technologie unter die Lupe zu nehmen. Denn ohne Kritik kein Weiterkommen, ohne Genörgel keine Besserung. Wenn Unzufriedenheit kein Motor mehr ist, wird aus Fortschritt Stillstand.

Letztes Mal bei „Digital ist besser“: Das Internet ist zum größten Buchclub der Welt geworden 

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