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Digital ist besser / Nervers gonna nerv

von Johnny Haeusler
Haters gonna hate, das ist klar. Mindestens genauso anstrengend wie Hass-Trolle sind bei der täglichen Netznutzung aber die Nerver. Und bei denen gilt: Nervers gonna nerv.

Sie schicken dir Phishing-Emails, die zwar aussehen, als kämen sie von Apple, aber die Absenderadresse „applesupport@fakedomain.vu“ tragen. Sie schreiben Kommentare in dein Blog, die auf den ersten Blick nicht nach Spam aussehen, aber genau gar nichts aussagen („Ein wirklich interessanter Artikel, den ich gerne weiterempfehlen werde, ich habe selbst auch schon oft über dieses Thema nachgedacht!“) und nur dafür geschrieben wurden, um für irgendeine Schrott-Domain, die sie im Kommentarfeld als ihre eigene Website angeben, SEO zu betreiben.

Und dann senden sie dir zwei Jahre später erbärmliche Mails und betteln darum, die Adresse im Kommentar doch bitte zu entfernen, da Google solche Spam-Links mittlerweile abstraft. Andere Nerver greifen deine Blog-Artikel und die von anderen via RSS ab, packen sie auf ihre eigene, auf irgendeiner Insel gehostete Website und donnern diese mit Werbung zu.

Nerver sind aber nicht nur im kriminellen Phishing-Bereich zu finden, beim Contentklau oder in SEO-Graubereichen, sondern auch im Musikbetrieb und ganz besonnders auf YouTube. Dort werden zum Beispiel beliebte Suchanfragen gerne von bauernschlauen Kanälen dafür genutzt, Zuschauerinnen und Zuschauer auf die falsche Video-Fährte zu locken — um zusätzliche 0,0045 Euro Werbeeinnahmen zu generieren. Da findet man auf der Suche nach aktuellen Film-Trailern dutzende Clips mit den korrekten Titeln, doch statt Trailer gibt es Failer. Nach der Werbung natürlich. Und wer wenige Tage vor dem Release des neuen Deichkind-Albums nach den Songs auf YouTube sucht, findet zwar alle Titel, im dazugehörigen Video — nach der Werbung, natürlich — aber nur den Hinweis, dass der Track leider nicht hochgeladen werden konnte. Nervers gonna nerv.

Während sich die Nerver bei YouTube jedoch relativ einfach von echten und damit mehrgeklickten Inhalten trennen lassen, verdienen sie bei Streamingdiensten wie Spotify möglicherweise sehr viel Geld, denn hier bekommt das Nerven eine völlig neue und dabei vollständig legale Dimension. Nerver bei Spotify machen sich die Tatsache zunutze, dass viele nationale und internationale Songs beim Streamingdienst nicht verfügbar sind und trotzdem oft gesucht werden. Da Cover-Versionen keineswegs verboten sind, solange sie das Original nicht wesentlich verändern, findet man bei Spotify eben nur die AC/DC-Coverband und möchte lieber nicht wissen, wie viele Einnahmen durch die Stream-Verweigerung des australischen Originals nun in andere Taschen fließen. Und da man ahnen kann, wie oft der Song „Männer sind Schweine“ als Stream gesucht und nicht als Ärzte-Original gefunden wird, kann man auch vermuten, dass ein hübsches Taschengeld für die Interpreten der furchtbaren, aber wenigstens bei Spotify vorhandenen Coverversion zusammenkommt.

Das sind mir doch die Jungs von Vulfpeck sehr viel lieber. Die haben 2014 herausgefunden, dass Spotify einen Songs als „abgespielt“ zählt und mit den Rechteinhabern abrechnet, sobald er länger als 30 Sekunden angehört wurde. Da es dabei komplett egal ist, was genau zu hören ist, hatten Vulfpeck auf ihrem Album „Sleepify“ 12 Songs mit völliger Stille und einer Länge von je etwas über 30 Sekunden veröffentlicht, ihre Fans um Dauerhören der Stille gebeten und mit den Einnahmen daraus ihre Tour finanziert.

Das hat einige Spotify-Nutzer sicher auch genervt, hat aber keinen Lärm gemacht und war ein kreativer Akt. Mehr von dieser Art der Bauernschläue fände ich fein im Internet. Damit es nicht so oft nervt.

In der letzten Folge von „Digital ist besser“ stellte Johnny Haeusler fest: Hetzer brauchen keine Anonymität im Netz — andere hingegen umso mehr

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