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Digital ist besser: Wir brauchen eine digitale Menschenrechtscharta!

von Johnny Haeusler
Staatliche, kommerzielle und private Akteure verwerten unsere Daten und betreiben Handel damit. Unser Kolumnist findet: Es ist höchste Zeit für eine digitale Menschenrechtscharta!

Der Aufschrei war nicht so groß, wie er hätte sein sollen. Als der NDR und mobilsicher.de vor Kurzem vorführten, wie einfach es für Unternehmen ist, an persönliche Daten von deutschen Internet-Nutzern zu gelangen und damit umfangreiche Profile von Individuen anzulegen, hielt sich das Entsetzen in meiner Filterblase in Grenzen.

Wir sind abgestumpft, rat- und hilflos. Und das ist mehr Feststellung als Vorwurf. NSA, GCHQ, BND und natürlich auch Facebook, Google, Apple und alle anderen können uns auf Schritt und Tritt überwachen, Datenhändler verkaufen unsere Profile und kommen damit durch, weil in Deutschland noch so viel verboten sein kann, wenn es das in irgendeinem anderen Land nicht ist. Und was noch auf uns zukommt, wenn auch unsere Autos und Waschmaschinen vernetzt sind – das Internet der Dinge bietet aus verschiedenen technischen Gründen noch mehr und ganz andere Einfallstore als unsere bisherigen Internet-Dienste – darüber will man manchmal gar nicht weiter nachdenken.

Um etwas zu tun, um dafür zu sorgen, dass unsere Daten sicherer sind, unsere Rechte besser wahrgenommen und durchgesetzt werden können

Der Journalist Dirk von Gehlen, dessen Daten im Rahmen der NDR-Recherche ebenfalls freigelegt wurden, empfiehlt völlig zurecht die Unterstützung von Netz-Aktivist*innen und Organisationen, die sich um digitale Bürgerecht kümmern. Auch seine eigene Idee eines Digitalen Heimat- und Brauchtumsvereins dient der besseren Lobbyarbeit. Um etwas zu tun, um dafür zu sorgen, dass unsere Daten sicherer sind, unsere Rechte besser wahrgenommen und durchgesetzt werden können.

Auch die Ratschläge von mobilsicher.de sind richtig und gut: Bestimmte Browser benutzen. Plugins oder Erweiterungen nach Möglichkeit vermeiden. Mit VPN IP-Adressen verschlüsseln. Apps bedacht auswählen. Dies alles führt – unter Umständen – zur sichereren individuellen Netz- und Software-Nutzung, zu mehr Engagement, zu mehr Bewusstsein und/oder zur Stärkung derer, die sich für die Rechte von Nutzer*innen digitaler Medien und Geräte einsetzen und sich daran teilweise schon seit vielen Jahren abarbeiten. Viele weitere Jahre können wir jedoch nicht warten.

Wir brauchen Regelungen jetzt, in den nächsten Wochen, wenn es nicht anders geht auch in den nächsten Monaten. Aber nicht erst in fünf Jahren. Und da die Formulierung genauer Gesetzestexte eben seine Zeit braucht, hilft nur der noch höhere Ansatz. Die Schaffung einer Grundlage dessen, was gesetzlich auch über Ländergrenzen hinaus gelten soll: Wir brauchen die Erweiterung der Menschenrechte auf den digitalen Lebensraum, eine Menschenrechtscharta für das digitale Zeitalter. Und damit kann und sollte man auf EU-Ebene anfangen.

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Der Weg dafür ist so frei wie nie zuvor, wie Martin Schulz vor einem Jahr gezeigt hat. Auch konkrete Vorschläge wie die von Heiko Maas gab es daraufhin, gefolgt von Kritik und Verbesserungsvorschlägen von Christopher Lauer liegen vor, und es darf davon ausgegangen werden, dass auch nach diesen Veröffentlichungen weiter am Thema gearbeitet wurde. Selbst wenn sich die EU sich auf eine Erweiterung der Menschenrechte für den digitalen Lebensraum in schnellstmöglicher Zeit einigen sollte, was Herausforderung genug ist, werden Gesetze und Verfahrensbeschlüsse noch lange auf sich warten lassen. Und internationale Abkommen erst recht.

Doch der Grundstein für eine bessere und sicherere digitale Zukunft wäre gelegt. Privatsphäre, Datenhoheit und Verantwortungsbereiche einzelner Akteure dürfen nicht in ausgewürfelten ABG mit Hinweis auf dauernde Veränderbarkeit geregelt sein, sondern müssen Grundregeln unterstehen. Wir brauchen eine Digitale Menschenrechtscharta. Jetzt.

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