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Binaural Bits / Die „Sleeping Tapes“ von Jeff Bridges sind zum Einschlafen viel zu schön

von Dörte Fiedler
Wer hört nicht gern Komplimente? Vor allem am Ende eines langen, aufreibenden oder auch eintönigen, normalen Tages. Und vor allem wenn Jeff Bridges sie einem zum Einschlafen ins Ohr säuselt. Auch wenn man dann gar nicht mehr einschlafen kann. Eine eindringliche, gar nicht müde Platten-Empfehlung unserer Kolumnistin Dörte Fiedler.

„You are a good person. You are worth all the good things that happened in your life.“ Ach. Komplimente sind toll! Auch schlichte Lobhudeleien, deren klischeehafte Aussagen man nicht wirklich glauben muss, die aber als oberflächlich entspannende Seelenstreichelei allemal taugen, sind doch jederzeit erwünscht. „You smell nice. You order well at restaurants. Even if you think you can’t swim, you probably can.“ Ich gebe ja zu, diese Koseworte sind etwas seltsam, aber immer wirkungsvoll, oder? „You have excellent insides about popular movies. You are very good at guessing when a traffic light will turn green.“ Und was soll das jetzt?

Es ist ganz simpel: Diese Worte stammen von Jeff Bridges und er hat beschlossen, mir beim Einschlafen zu helfen. Dafür sitzt er in meinem Kopf, und redet, raschelt atmet und summt mir ins Ohr. Und weil genau er das tut, höre ich ihm zu und finde ich es schön, amüsant — und ziemlich schräg. Keine Ahnung ob dieselben geatmeten Komplimente von irgendeinem Mister John Doe den gleichen Effekt hätten. Vermutlich nicht. Der Celebrity- und der Jeff-Bridges-Kult-Faktor verfehlen ihre Wirkung hier auf keinen Fall. Die freundlich heitere Schmeichelei findet sich auf der Platte„Sleeping Tapes“.

Bridges verrauchte, bassige Stimme führt den Hörer auf surreales Gelände.

Der Schauspieler und Country-Musiker hat das Ambient-Sound-Meditations-Spoken-Word-Album Anfang 2015 herausgebracht. Produziert hat Bridges die „Sleeping Tapes“ gemeinsam mit dem Komponisten Keefus Ciancia und dem Toningenieur Doug Sax. Beide sind Berühmtheiten in ihrem Feld, der eine für zahlreiche Film- und Fernsehmusiken wie zum Beispiel für die HBO-Serie „True Detective“ bekannt, der andere für das Mastering von Neil Young oder auch dem aktuellsten Pink-Floyd-Album.

Ich bin allerdings nicht über eine einfache Plattenbesprechung oder die persönliche Empfehlung von jemandem auf die „Sleeping Tapes“ gestoßen. Stattdessen stolperte ich darüber, weil ich gern amerikanische Erzähl-Podcast höre. Im Umfeld von This American Life, Radiotopia und Co. ist eine ganz bestimmte Werbung derzeit geradezu dauerpräsent. Ein Spot für eine Plattform namens Squarespace, auf der man seine eigene Website gestalten kann. Und genau über diese Plattform hat Bridges sein neues Album „Dreaming with Jeff“ herausgebracht. Welcher Werbedeal dahinter steht, ist nicht bekannt. Ausbalanciert wird das Ganze aber durch eine Wohltätigkeitsaktion: Das Album ist kostenlos, doch jeder kann für einen Download Geld spenden. Dieses geht dann an die von Bridges unterstütze Kampagne No Kid Hungry.

Aber zurück zum Hörbaren. Anfangs lauscht man der verploppt-krischeligen Räusperei des Schauspielers und er scheint dilettantisch mit einem Aufnahmegerät zu hantieren. Dann beschreibt er, melidiös-hypnotisch mit vielen kleinen Ruhepausen, was man von den folgenden 45 Minuten zu erwarten hat: „Sleeping Tapes! Ha. I love that idea, and all that it implies, you know? Sleeping Tapes. Sleep of course implies waking up, tapes imply recording, yeah, sharing things. I think, äh that everything implies everything else. Yeah. Sleeping Tapes, that’s what we’ve got here... Hope they inspire you to do some cool sleeping some cool dreaming some cool waking up…“

Bridges verrauchte, bassige Stimme führt den Hörer auf teils surreales Gelände, wo ihm musikalisch eindringlich inszenierte, einminütige Gute-Nacht-Geschichten über Raben, Plastikeier und andere Absurditäten erzählt werden. Oder er wird mitgenommen auf eine Tour ins schluchtige Hinterland von L.A., den Temescal Canyon. Dort, in leicht atemlosem Wanderschritt, lausche ich seinen Beschreibungen, beobachte einen streunenden Hund oder werde eingeladen auf einem abgestellten Bürostuhl eine Pause zu machen. „Oh, look a stream. Let’s stop and admire it a bit. Here, why don’t you have a seat in the office chair.“

Ob die ‚Sleeping Tapes‘ tatsächlich beim Einschlafen helfen? Ich bezweifle es.

Immer wieder spricht Bridges den Hörer direkt an: „I can smell it, can you smell it? Yeah, you can smell it.“ Und die Klänge vor Ort, das kleine rauschende Flüsschen, die Vögel, der Wind oder ein entfernt kreisender Helikopter mischen sich mit den repetitiven Ambient-Motiven des Musikteppichs. Vor allem die surrealen Aspekte der Platte heben das Album heraus aus dem Angebot der von der Schlafindustrie empfohlenen Audioproduktionen. Besonders die spielerische Art wie Bridges in Live-on-Tape-Manier die Sounds zum Album aufnimmt, wirkt magnetisch beim Hören. Man sieht ihn förmlich durchs Gelände stapfen, mit seinen Enkeln übers Träumen plaudern, oder summend in der Garage sitzen, es scheint auf so charmante Weise improvisiert, das man das Gefühl hat einen intimen Moment zu teilen und für ein Einschlafalbum ist das wohl ziemlich herausragend.

Ob die „Sleeping Tapes“ tatsächlich beim Einschlafen helfen? Ich bezweifle es. Man ist viel zu sehr damit beschäftigt, zuzuhören. Meinem Geist wird immer ein Quäntchen zu viel Futter gegeben, um wirklich abzudriften. Dennoch, die Platte ist absolut entspannend und empfehlenswert, ich hab sie ohne Unterbrechung durchgehört und genossen. Bis hin zum kleinen Stolperstein des letzten Tracks: Hier hört man, wie sich der Wassertank einer Toilette gurgelnd und plätschernd auffüllt — und Bridges kommentiert selbst dieses Soundpanorama liebvoll.

In der letzten Folge „Binaural Bits“ stellte Miriam Sandabad den Podcast „StartUp“ vor, in dem zwei junge Unternehmensgründerinnen die Hauptrolle spielen. 

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