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Ein Kreis als Auto-Falle: James Bridle stellt in Berlin aus

von Marlene Ronstedt
Was sieht eigentlich so ein selbstfahrendes Auto? Künstler James Bridle hat das herauszufinden versucht – mit selbstgebautem Gefährt und ganz besonderer Perspektive. Wir haben mit ihm über das Tüfteln an autonomen Vehikeln und seine Ausstellung in Berlin gesprochen. 

Tech-Firmen und Autokonzerne arbeiten derzeit daran, selbstfahrende Autos zu entwickeln und zu testen. Ihnen gemeinsam ist die Überzeugung, dass die Technologie unabhängig von ihrem Umfeld überall anzuwenden sein sollte. Der Britische Künstler James Bridle sieht das anders und hat deswegen seine eigene Version des autonomen Fahrens erprobt. Die Ergebnisse seiner Testfahrten auf dem griechischen Berg Parnassus gibt es in der Berliner Galerie NOME noch bis zum 29. Juli zu sehen.

Die Ausstellung trägt den Namen „failing to distinguish between a tractor tailer and the bright white sky“, ein Zitat aus dem Bericht zum tödlichen Unfall eines mit „Autopilot“ fahrenden Tesla, bei dem zum einen der Fahrer abgelenkt war, andererseits die Sensoren des Autos aber auch einen weißen LKW-Anhänger nicht erkannten. Bridle hat diesen Titel gewählt, weil er aus seiner Sicht gut darauf Bezug nimmt, wie maschinell und dennoch vor typisch menschlichen Fehlern nicht gefeit die Sichtweise autonomer Fahrzeuge ist. Seine Bilder zeigen die schemenhafte schwarz-weiße Welt der KI. Der Künstler aus Großbritannien sagt, um auf der Straße zu bleiben muss ein selbstfahrendes Auto „konstant die Welt um sich herum beobachten, auf eine sehr viel menschlichere Art als das zuvor nicht ganz so smarte Technologien gemacht haben“.

Um diese Perspektive auf die Außenwelt einer Künstlichen Intelligenz besser verstehen zu können hat Bridle mit Hilfe von Open-Source-Technologien, ein paar Kameras und Sensoren sein eigenes selbstfahrendes Auto gebastelt. Dazu musste er jedoch erstmal einige Fahrten rund um den Parnassus machen, da er auf Kartendienste wie Google Maps verzichten wollte. Mit den Fahrinformationen hat er dann ein neuronales Netzwerk gefüttert, wodurch das Auto dann schrittweise die „very basic bits“ des autonomen Fahrens gelernt habe, erzählt er im Gespräch mit WIRED. Sein Leben würde er dem Auto jedoch nicht anvertrauen wollen, fügt er hinzu.  

Außerdem hat Bridle dazu die Android App Austeer entwickelt, ein Wortspiel, das Austerität, also staatliche Sparmaßnahmen, und das englische Wort für steuern, „steer“, verknüpft. Ganz nebenbei passt das ganz gut zum Ort seiner Test-Fahrten, kämpft Griechenland doch seit Jahren damit, seinen Weg durch strenge Auflagen zu lavieren und damit die Finanzkrise bewältigen zu können. Mithilfe der App kann man Bewegungen und Geschwindigkeiten beim Fahren aufzeichnen um sie für die Entwicklung des eigenen autonomen Fahrzeugs zu verwenden. Die App gibt es hier auf Bridle’s Github Repository.

Bridles Mission: Die für autonomes Fahren nötigen Technologien und die Sichtweisen der eingesetzten KI zu verstehen, die uns im Prinzip schon jetzt im Alltag, zum Beispiel in Gesichtserkennungs-Systemen an Flughäfen und Bahnhöfen, umgeben. Bridle gibt dazu das Beispiel des Ingenieurs und Künstlers Julian Oliver: „Fragt man, wie ein Brief verschickt wird, kann jeder ungefähr erklären, was die einzelnen Abläufe sind. Aber E-Mail? Da wird es schnell sehr komplex.“ Das gelte auch fürs autonome Fahren. Und wer nicht wisse, wie etwas funktioniert, in diesem Fall: wie eine KI die Welt um sich herum wahrnimmt, der könne solche Prozesse auch nicht aktiv beeinflussen.

Beim autonomen Fahren kommen viele neue Technologien zusammen, die dann auf ein altes System von Gesetzen treffen. Künstliche Intelligenz muss sich genauso daran halten wie Menschen aus Fleisch und Blut. Mit dem Unterschied, dass sie Ausnahmen nicht als solche begreift. Um das zu verdeutlichen, hat Bridle sein selbstfahrendes Auto in einen Kreis fahren lassen, dessen Außenseite gestrichelt, die Innenseite jedoch mit durchgezogener Linie markiert war. Das Video wurde überall geteilt, weil es so deutlich zeigte: Eine Künstliche Intelligenz stößt in so einem Fall wortwörtlich an ihre Grenzen. Das Auto verhielt sich, als sei es gefangen in dem Kreis. Entsprechend den Verkehrsregeln durfte es die durchgezogene Linie nicht überfahren.

Die durchgezogene Linie sei ein Problem, welches man durch eine Anpassung der Software hätte beheben können. Aber Bridle möchte damit eben zeigen: „Selbstfahrende Autos sind nicht etwas, an dem jeder in seiner Garage herumschraubt.“ Ein normaler Fahrgast wäre hilflos gewesen angesichts einer solchen Situation. „Ich glaube es liegt eine große Gefahr darin, wenn wir die Welt um uns herum nicht mehr verstehen“, so der Künstler im Gespräch mit WIRED. „Dann passiert es, dass Dinge geschehen, die wir nicht länger beeinflussen können.“

Die Vorstellung, dass Technologie Probleme löse, Antworten gebe und den Menschen generell weiterbringe, sei naiv. Es gehe darum, technische Innovation so gut wie möglich zu hinterfragen. Das treibe ihn für seine Kunst an. Wer nicht verstehe, wie die Technik im eigenen Auto funktioniere, müsse halt damit leben, immer mal im übertragenen Sinne in Gefangenschaft zu geraten, versinnbildlicht auf dem Berg Parnassus in Griechenland.

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