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Ich will zurück in meine Filterblase!

von Johnny Haeusler
Viel wird geredet und geschrieben, gerätselt und nachgedacht über Filterblasen, also unser soziales Umfeld im Internet, speziell natürlich in den Sozialen Medien. Unser Kolumnist wurde bei Instagram unbeabsichtigt aus seiner eigenen Bubble geworfen und will schnell wieder zurück.

Ich hatte zur Weihnachtszeit in dieser Kolumne einmal zugegeben, dass ich mich in meiner Filterblase eigentlich ganz wohl fühle. Denn meine Stammkneipen suche ich mir ja auch selbst aus.

Und die verschiedenen Sozialen Netzwerke wollen uns ja auch in unseren Blasen halten, sie weiten sie nur gerne etwas aus. Es ist erklärtes Ziel der verschiedenen Plattformen, uns an sie zu binden. Mehr Zeit bei Twitter, Facebook oder Instagram bedeutet schließlich mehr Aufmerksamkeit für die Werbung, und die muss passen! Daher versuchen die Plattformen, unseren Geschmack, unsere Vorlieben, unsere Lieblingsthemen anhand unseres Online-Verhaltens zu erlernen und uns mit ähnlichen Themen auch außerhalb des bereits gewählten Freundeskreises zu versorgen.

Wir kennen das von den Mechanismen der Online-Werbung: Sobald man ein Paar Schuhe gekauft hat, sieht man auf allen möglichen Websites nur noch Werbung für genau diese soeben gekauften Schuhe (wie viele Millionen wohl durch solchen Unfug täglich verballert werden?).

Auch bei Amazon dürfte den meisten Leserinnen und Lesern die Mechanik bekannt sein, wenn auch mit etwas sinnvollerem Effekt: Viele Kunden, die ein bestimmtes Produkt gekauft haben, haben schließlich auch ein anderes bestellt, und so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir das Bedürfnis nach ähnlichem Handeln auch verspüren.

Oft erscheint das sogar recht sinnvoll, manchmal nimmt es amüsante Formen an. So bestellte ich vor einigen Jahren mal eine Webcam für einen Bekannten und hatte danach wochenlang homoerotische Literatur und Fotobücher als Empfehlungen in meinem Amazon-Account. Es war wirklich so, es war ausschließlich männliche Homoerotik.

Immerhin konnte ich mich so davon überzeugen, dass sich die männlichen homoerotischen Bestseller stilistisch sowohl bei den Cover-Illustrationen als auch bei Titeln und Inhaltsbeschreibungen kaum von denen der männlichen Heteroerotik unterscheiden. Same same, aber ausschließlich mit Männern. Und ich bin seitdem bei jedem Einkauf erneut gespannt auf die Amazon-Empfehlungen, denn man weiß ja sonst gar nicht, was es so alles bei Amazon zu kaufen gibt. Oder dass es so etwas überhaupt gibt! (Links auf Anfrage.)

Mein jüngstes Erlebnis mit Empfehlungsalgorithmen fand jedoch nicht auf Amazon statt, sondern auf Instagram. Das Facebook-Unternehmen wies neulich noch vorsorglich im Rahmen der kommenden DSGVO darauf hin, dass die Foto-Plattform u.a. mein Scroll- und Klickverhalten analysiert und tatsächlich: Die Werbeempfehlungen bei Instagram sind meist überraschend treffsicher und auch die Empfehlungen für andere Accounts passten bei mir recht gut. Bis vor kurzer Zeit.

In meinen Instagram-Empfehlungen sieht es derzeit sehr camouflagig aus.

Denn ich musste während der re:publica (die ich mitbegründet habe) notgedrungen mit einem Instagram-Account kommunizieren, der einem Mitarbeiter der Bundeswehr gehört (mehr zu den Hintergründen hier). Ich folge diesem Account nicht einmal, doch ich hatte mich zweimal in den Kommentaren der betreffenden Person geäußert.

Und seitdem bestehen meine Instagram-Empfehlungen zu – bleiben wir fair, übertreiben wir nicht – etwa 25% aus Instagram-Accounts, die man als „Militär-interessiert“ bezeichnen kann. Menschen, die ausschließlich Fotos von Soldatinnen und Soldaten aus der ganzen Welt (wieder-) veröffentlichen. Menschen, die selbst Soldatinnen oder Soldaten sind und anscheinend nur in Uniform öffentlich in Erscheinung treten. Oder auch Menschen, die sich in ihrer Freizeit (ich hoffe, das ist kein Beruf!) mit dem Nachstellen historischer Schlachten beschäftigen. Also mit einer Art Weltkriegscosplay.

Kurz: In meinen Instagram-Empfehlungen sieht es derzeit sehr camouflagig aus. Denn, so Instagram: Diese Konten seien denen „ähnlich“, mit denen ich „interagiere“. Und das missfällt mir. Mich interessieren die Fotos von Leuten nicht, die den Zweiten Weltkrieg nachspielen. Ich habe nur sehr, sehr selten Interesse an Bildern von Militärparaden. Und die Details der verschiedenen Militär-Uniformen der Welt sind ein Hobby, dem ich wenig abgewinnen kann. Der Algorithmus scheint aus dem Takt gekommen zu sein.

Doch wieder was gelernt: So schnell landet man außerhalb seiner Filterblase. Durch zwei Kommentare im „falschen“ Account.

Zur Zeit arbeite ich also an der manuellen Justierung meines Instagram-Empfehlungs-Streams, verteile virtuelle Herzchen an Künstlerinnen und Künstler, an gute Fotografinnen und Fotografen, an toll anzusehende Menschen, Tiere und Dinge. Eine Herausforderung ist dabei, dass ich auf Instagram kaum mit Worten kommuniziere, ich habe die Plattform nie als Diskussionsportal empfunden (auch, wenn ich davon überzeugt bin, dass Instagram das neue Facebook ist), doch offenbar schätzt die Instagram-KI Kommentare mehr als Likes.

Nehmt es mir daher bitte nicht übel, wenn ich eure tollen Fotos demnächst mit inhaltsleeren Kommentaren wie „Great pic!“ oder „Wunderschön!“ kommentiere, es muss sein! Ich will schnell wieder zurück in meine eigene Filterblase. Bin schließlich nicht zum Spaß bei Instagram.

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