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Warum die europäische Hurrikan-Prognose genauer ist als die amerikanische

von Anna Schughart
Mit Hilfe von vielen Daten, Satelliten und Supercomputern berechnen Meteorologen, wie sich ein Hurrikan verhalten wird. In den vergangenen Jahren sind die Vorhersagen besser geworden. Doch richtig perfekt werden sie niemals sein.

Die schlechte Nachricht zuerst: „Eine perfekte Hurrikan-Vorhersage ist unmöglich“, sagt Florence Rabier, die Generaldirektorin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW). Dazu müsste man alle Prozesse ganz genau verstehen, dazu bräuchte es viel, viel mehr Messstationen und perfekte Messgeräte. Doch Rabier hat auch eine gute Nachricht: Die Vorhersagen über die Bewegung und Intensität eines Hurrikans sind – genau wie Wettervorhersagen generell – in den vergangenen Jahren viel besser geworden.

Das liegt daran, dass Meteorologen das Wetter heute besser berechnen können als noch vor einigen Jahren. Zum einen, weil sie dazu die Unterstützung von Computern haben, die komplizierte Differentialgleichungen lösen können. Zum anderen, weil sie viel bessere Beobachtungsdaten haben – vor allem aus dem All. Dank der zahlreichen Erdbeobachtungssatelliten können die Meteorologen auf Daten aus der ganzen Welt zurückgreifen. Die Satelliten haben die Vorgänge in der Atmosphäre genau im Blick. Sie ermöglichen eine globale Perspektive und eine längere Vorhersage. „Um zu wissen, wie das Wetter in Europa wird, muss man zum Beispiel wissen, was im Pazifik passiert“, sagt Rabier.

Wenn Organisationen wie das EZMW also vorhersagen wollen, wie ein Hurrikan sich entwickeln wird, dann läuft das so: Zuerst werden Millionen Daten gesammelt, die den Anfangszustand der Atmosphäre darstellen. Da gibt es klassische Datenlieferanten wie Wetterballons, Wetterstationen am Boden oder Bojen auf dem Meer. Auch jedes Passagierflugzeug, das unterwegs ist, liefert Informationen zu Temperatur und Wind. „Mehr als 95 Prozent unserer Daten kommen allerdings von Satelliten“, sagt Rabier.

Die Datenerhebung ist aber nur der Anfang. Anschließend wird es Zeit für die mathematischen Vorhersagemodelle. Sie modellieren die physikalischen Gesetze und Dynamiken der Atmosphäre, erklärt Rabier. Die komplizierten Differentialgleichungssysteme werden mit den Daten gefüllt und Supercomputer berechnen für bestimmte Punkte das Wetter in den kommenden Tagen.

Das macht man nicht nur einmal, sondern viele, viele Male. Denn: „Der Anfangszustand ist nie perfekt“, erklärt Andreas Friedrich, Tornado-Experte beim Deutschen Wetterdienst. Die Vorhersagesysteme spannen ein Raster über die Welt und errechnen das Wetter für die einzelnen Gitterpunkte. Um perfekte Daten zu haben, müsste man also quasi an jedem Rechenpunkt eine Wetterbeobachtungsstation haben. Außerdem müsste man die Vorgänge in der Atmosphäre ganz genau modellieren können. Weil das nicht geht, berechnen die Computer ihre Modelle mehrmals, immer mit anderen Werten, zum Beispiel für die Temperatur.

Das Ergebnis sind viele verschiedene Vorhersagen, die dann sogenannte Ensembles bilden. Dabei gilt: Je weiter man sich vom Heute in die Zukunft bewegt, desto mehr unterscheiden sich die Vorhersagen. Je zeitnaher sie sind, desto besser stimmen sie überein. Hurrikans sind generell nicht einfach vorherzusagen: „Sie reizen wirklich die Grenzen unseres Modells aus“, sagt Rabier.

Doch das EZMW macht einen ziemlich guten Job. Wenn man die Vorhersagen des EZMW meint, spricht man oft auch vom europäischen Modell. Während sich Hurrikan Irma auf Florida zubewegte, merkten viele amerikanische Experten an, dass das europäische Modell dem amerikanischen überlegen sei. Dabei stehen den beiden Modellen im Großen und Ganzen die gleichen Daten zur Verfügung. Der Unterschied liegt darin, wie man mit ihnen umgeht.

Anstatt verschiedene Aufgaben zu verfolgen, „konzentrieren wir alle unsere Ressourcen, Anstrengungen und Rechenleistung darauf, das globale Wetter für die nächsten Wochen vorherzusagen“, sagt Rabier. Unterstützt von 22 Mitgliedsstaaten hat das EZMW viele Ressourcen zur Verfügung. Auf diese Weise könne man es sich erlauben, zum Beispiel mehr Varianten durchzurechnen. Das EZMW errechnet 52 unterschiedliche „Szenarien“ – mehr als jedes andere Vorhersagemodell. Außerdem habe man viel investiert, um die bestmöglichsten Informationen aus den Satellitendaten herauszuholen, sagt Rabier. Das europäische System sei weltweit eines der besten Modelle, findet auch Friedrich. „Das liegt an der guten Arbeit der Menschen, die das programmieren.“ Die Modelle, die man beim EZMW verwende, seien einfach sehr gut.

Doch um das Verhalten von Hurrikans abzuschätzen, sollte man sich sowieso nicht nur auf eine  Quelle verlassen. „Unsere Vorhersagen sind im Durchschnitt zwar besser, aber kein einziges Modell ist immer das Beste“ sagt Rabier. „Alle Modelle haben Fehler.“ Und so wird es wahrscheinlich immer bleiben. Denn unsere Atmosphäre ist ein chaotisches System. Kleine Ereignisse können große Auswirkungen haben, nach dem Motto: Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Australien, kann das Berliner Wetter in einer Woche entscheiden. Doch natürlich lassen sich die Modelle mit mehr Wetterbeobachtungen oder leistungsstärkeren Supercomputern noch verbessern. Das EZMW arbeitet außerdem gerade auch an einer Simulation, die die verschiedenen Erdsysteme (die Atmosphäre, das Land, die Ozeane) besser miteinander verbindet.

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