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Und täglich grüßt der Massenmörder: „Groundhog Day“ als Videospiel

von Oliver Klatt
Im Film „Groundhog Day“ („Und täglich grüßt das Murmeltier“) von 1993 durchlebt Bill Murray in der Rolle des Misanthropen Phil Connors den selben Tag wieder und wieder. Er sitzt in einer Zeitschleife fest und kann erst dann aus der ewigen Wiederkehr des Gleichen ausbrechen, als er sich zu einem besseren Menschen gemausert hat. Ein junger Programmierer aus Litauen ist gerade dabei, diese Idee als Videospiel umzusetzen.

Fast jeder kennt das: Das Piepsen des Weckers reißt einen aus den Träumen, man schüttet sich ein paar Frühstücksflocken in den Rachen, spült sie mit viel Kaffee hinunter, setzt sich ins Auto und rast zur Arbeit. Dort angekommen wartet auf einen in dem selben Bürogebäude der selbe Schreibtisch mit dem selben vergilbten Desktop-Computer und der selben trostlosen Aussicht. Die selben Kollegen reden den selben Blödsinn, die selben Kunden stellen die selben dummen Fragen, und der selbe Chef begeht die selben Führungsfehler. Da kann man schon mal ausrasten.

Man geht zur Arbeit, füttert Enten — oder verliert die Fassung und zerlegt Mitbürger und Gebäude in ihre Einzelteile.

In „Garbage Day“ von Svajūnas Zemaitis, einem 19-jährigen Informatikstudenten aus Litauen, gehört genau dieses Ausrasten zum Spielprinzip. Wie im Film „Groundhog Day“ durchleidet der Spieler auch in seinem Open-World-Game ein ums andere Mal ein und den selben Tag. In einer grobkantigen — aber nicht unfreundlichen — Polygonwelt geht man darin brav zur Arbeit oder spazieren, kann Enten füttern und Essen kochen, am kaputten Bürorechner herumtüfteln oder sich daheim alte VHS-Kassetten angucken.

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Oder man verliert eben die Fassung und zerlegt Mitbürger und umstehende Gebäude in ihre Einzelteile. Alles zunächst ohne erkennbare Konsequenzen, denn wenig später wacht man am Morgen des selben Tages auf, als wäre nichts geschehen. Menschen, die man zuvor massakriert hat, sind wieder wohlauf. Stadtteile, die man in Schutt und Asche gelegt hat, stehen unberührt da. Sogar der eigene Tod hat lediglich zur Folge, dass man morgens erneut unausgeschlafen aufwacht. Aufgabe des Spielers wird es sein, in der Welt von „Garbage Day“ nach einem Ausweg aus diesem Teufelskreis zu suchen.

Zemaitis hat angekündigt, von nun an nur noch für das Spiel leben zu wollen.

Aus den Inspirationsquellen für sein Spiel macht Zemaitis keinen Hehl. „Grand Theft Auto“ stand genauso Pate wie der Skandal-Shooter „Postal 2“. Für den Low-Poly-Look des Games holte er sich Anregungen bei den Arbeiten des Behance-Users Pawel Wilkos aus Polen. Und auch die Spielidee selbst stammt nicht von ihm selbst. „So langweilig das klingen mag, aber ich habe einfach auf Google und in Diskussionsforen nach Gameplay-Konzepten gesucht“, sagt Zemaitis. „Irgendwann bin ich dann auf diesen Artikel von cracked.com gestoßen.“ Thema des Beitrags: „Sieben großartige Videospiele, die wir niemals spielen werden.“ Vorschlag Nummer vier: „Groundhog Day“ als Videospiel.

Auf dem Gaming-Portal Steam Greenlight bricht „Garbage Day“ derzeit jedenfalls Rekorde. In nur vier Tagen wurde das Projekt auf Platz sieben der Indie-Games gewählt, in die Steam-User die meisten Hoffnungen setzen. Überwältigt von so viel Zuspruch verkündete Zemaitis daraufhin in einem leidenschaftlichen Post, von nun an nur noch für das Spiel leben zu wollen. Sein Studium an der Technischen Universität Kaunas hat er mittlerweile an den Nagel gehängt, um sich ganz der Arbeit an „Garbage Day“ widmen zu können. Ein Veröffentlichungstermin steht zwar noch aus, aber eines ist sicher: Wenn „Garbage Day“ hält, was es verspricht, werden wir es wieder und wieder spielen wollen. Und wieder. Und wieder. Und wieder. 

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