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Dass wir unsere Daten gern gegen kostenlose Web-Dienste eintauschen, ist eine Lüge

von Katharina Brunner
Wir geben Google, Facebook und Co. liebend gern unsere Daten, solange wir ihre Produkte dafür kostenlos bekommen. Was sie damit machen, ist uns egal. Eine oft gehörte Behauptung, aber stimmt sie überhaupt?

Die Geschichte geht so: Wir nutzen die kostenlosen Angebote im Internet — seien es Facebook, Google oder Nachrichtenseiten — im Wissen, dass die Firmen dafür Daten über uns sammeln. Wir nehmen es in Kauf, dass wir getrackt werden: Was wir wie lange ansehen, mit wem wir über was kommunizieren, was wir schnell wieder wegklicken.

Ein großer Teil der Amerikaner hat resigniert.

Die Autoren der Studie

Warum wir da mitmachen? Weil wir eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen, heißt es. Die Möglichkeit in Sekundenbruchteilen viele Millionen Websites nach Suchbegriffen zu durchsuchen, ist für uns so wertvoll, dass es in Ordnung geht, dass Google dabei unsere Daten abgreift. Wirtschaftlich ausgedrückt: Wir gehen ein Geschäft ein. Anstatt mit Geld zahlen wir mit Informationen oder Aufmerksamkeit, indem wir Werbung ansehen. „Daten gegen Dienste“ gehört zu den Standarderklärungen der digitalen Wirtschaft. Doch ist diese Geschichte wahr?

Nein, sagen Forscher von der University of Pennsylvania. Sie haben eine andere Erklärung für das Phänomen. In ihrem Aufsatz „The Tradeoff Fallacy“ (frei übersetzt: der Kompromiss-Trugschluss) schreiben sie: „Ein großer Teil der Amerikaner hat resigniert. Die Überwachung und die Macht von Marketing-Menschen, die Daten erfassen, scheinen ihnen unausweichlich.“ Nur deshalb würden sie sich auf das vermeintliche Geschäft „Daten gegen Dienste“ einlassen.

In den USA haben die Wissenschaftler mehr als 1000 Personen über 18 Jahren, die das Internet nutzen, befragen lassen. Ihre Antworten zeugen von einer Sehnsucht nach Privatsphäre und Datenschutz. Keinesfalls manifestiert sich in ihnen die Haltung: Nehmt meine Daten, es ist mir egal.

Drei Kernergebnisse der Umfrage:

1. 91 Prozent der Befragten glauben nicht, dass es ein faires Geschäft ist, wenn Kunden Rabatt dafür bekommen, dass Firmen Daten erfassen — ohne, dass die Kunden etwas von der Datenerhebung wissen.
2. 71 Prozent der Befragten finden nicht, dass es ein faires Geschäft ist, wenn man in Geschäften kostenloses WLAN nutzen kann, dafür aber vom Anbieter getrackt wird.
3. 55 Prozent finden es nicht in Ordnung, dass Geschäfte ein Profil von Kunden erstellen, um ihren Service zu verbessern.

Wie erklären die Forscher die Diskrepanz zwischen diesen Antworten und der einfangs beschriebenen Kosten-Nutzen-Erklärung? Ganz einfach: Letztere sei eine Erfindung aus dem Marketing der Konzerne. User würden sich nicht bewusst entscheiden, ihre Daten preiszugeben, indem sie Vor- und Nachteile abwägen — sondern weil sie keine andere Wahl hätten. Und das habe auch politische Konsequenzen: Glaubt man an als Politiker die Geschichte vom fairen Tausch von Service gegen Daten, fallen Datenschutz-Gesetze, über die man zu entscheiden hat, vielleicht auch weniger streng aus — die Nutzer wollen es ja so.

Resignation ist oft die einzige Möglichkeit, einen Dienst überhaupt zu nutzen.

Als Konsequenz fordern die Autoren der Studie mehr Transparenz. Im Wissen, dass diese wohl eher nicht im Interesse der Unternehmen liegt, wünschen sie sich diese aber nicht von Firmen, sondern appellieren an Aktivisten, Journalisten und den Staat: Sie sollten die kommerzielle Nutzung von persönlichen Daten konsequent beobachten, Firmen mit schlechten Praktiken bloßstellen und solche mit vorbildlichen loben. „Naming, praising, and shaming“ nennen die Forscher das.

Resignation mag auch deshalb ein so dominantes Gefühl sein, weil sie oft die einzige Möglichkeit ist, einen Dienst überhaupt zu nutzen. „Internetseiten sollten ihren Nutzern erlauben, Kunden zu sein“, schreibt die Soziologin Zeynep Tufekci hingegen in der New York Times. Sie bietet Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einen Deal an: 20 Cent pro Monat würde sie für Facebook zahlen, wenn sie dafür nicht mehr getrackt werde. 20 Cent sind der Betrag, den Facebook nach eigenen Angaben monatlich mit einem Nutzer verdient. Eine Antwort von Zuckerberg steht noch aus.

Wie wenig Apple-CEO Tim Cook von der Datensammelwut von Google, Facebook, Twitter und Co. hält, lest ihr hier

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