Richtig gute Filme sind meistens auch ziemlich rund, folgen konzeptionell dem berühmten roten Faden, einem Thema oder Leitmotiv. Sämtliche Ebenen ergänzen sich, die formalen, bildtechnischen Strukturen werden von Idee und Sujet getragen – und andersherum. Soll heißen, dass beispielsweise bei einer Comicverfilmung Erzählstruktur, Dialoge, Mise en Scène sowie die Montage auch an das Prinzip Comicbuch erinnern sollten.
Ziemlich wörtlich nehmen die Malerin Dorota Kobiela und der Regisseur Hugh Welchman den roten Faden, der sich durch ihr aktuelles Filmprojekt „Loving Vincent“ zieht und orientieren sich an einem Zitat van Goghs: „Die Wahrheit ist, wir können nicht anders sprechen als durch unsere Werke.“ Mit jedem Pinselstrich eines jeden Frames scheint der niederländische Künstler wieder lebendig zu werden, es wirkt, als sei sein Werk dieses Biopic und dieses Biopic sein Werk. Ist es in gewisser Hinsicht ja auch, denn die filmische Erzählstruktur basiert auf 120 Gemälden des Künstlers.
Seine Motive werden zu animierten Gesprächspartnern im Film, das Biopic holt sie aus ihrer ewigen Öl-Starre und belebt sie. Die Technik, die sie animiert, ist simpel: Bilder werden dafür in einer festgelegten Abfolge aufgenommen und in einer Geschwindigkeit von 12 bis 24 Bildern pro Sekunde (Frames) wiedergegeben. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit kann das menschliche Auge, auch „Trägheit des Auges“ genannt, sie nicht mehr einzeln wahrnehmen und so entsteht die optische Illusion der Bewegung. Das heißt, dass jede Sekunde Film aus mindestens zwölf einzelnen Bildern bestehen muss – bei „Loving Vincent“ eben aus Ölgemälden. In mehr als 80 Minuten und 56.800 einzelnen Bildern erzählt der Film die Geschichte van Goghs, die die Autoren aus seinen 800 geschrieben Briefen rekonstruieren.
Regisseurin Dorota Kobielas, deren Idee es war, eine filmische Biographie über van Gogh durch dessen Stil zu erzählen, fand in Hugh Welchman (Breakthru Productions) einen erfahrenen Partner. Der Oscarpreisträger, 2008 wurde sein Film „Peter and the Wolf“ in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“ mit einem Academy Award ausgezeichnet, produziert den Streifen und führt Co-Regie. Wann und ob der Film in die Kinos kommen soll, steht bisher noch nicht fest.