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FarmBot ist die Apple Watch unter den Garten-Gadgets

von Chris Köver
Obacht, urbane Kleingärtner! Das hier ist für euch: Mit dem FarmBot soll sich künftig niemand mehr bücken müssen zum Säen, Gießen oder Jäten. Die Erfinder des Open-Source Farm-Roboters nennen das ganz bescheiden die „Zukunft der Ernährung“. Ob Supermärkte und Gemüseläden wohl bald schließen müssen?

Verdammte Axt, da hat man sich gerade erst den Kleingarten am Stadtrand zugelegt, um endlich aus dem urbanen Mief rauszukommen. Ein Ausweg raus aus Kreuzberg, Schwabing oder St. Pauli – einfach mal im Grünen sitzen und die Kinder in Ruhe sauberen Dreck naschen lassen. Und dann muss man doch tatsächlich: Gärtnern.

Das ist zeitintensiv und schlecht für den untrainierten Schreibtischrücken. Dazu kommt das Problem, dass man als neuer Gartenbesitzer mit Hauptberuf in der Softwareentwicklung, der PR oder im Theater meist keine Ahnung davon hat, was man zu welchem Zeitpunkt wohin pflanzen muss oder worin sich Unkraut noch mal genau von Gemüse unterscheidet. (Auch interessant: Die besten Zimmerpflanzen für Ihren Indoor-Garten)

Auftritt FarmBot. Das Gerät ist laut seinen Erfindern der „erste Open Source Farm-Roboter der Menschheit“. Er soll dieselbige mit Hightech dabei unterstützen, jegliches Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen.

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Im Video sieht das wunderbar aus. Als eine Art gemüsebeetgroßer Drucker fährt der FarmBot auf zwei Schienen über einem Hochbeet hin und her und platziert mit verschiedenen Aufsätzen Samen in genau kalibrierten Abständen im Erdreich. Mit einem anderen Aufsatz wird die Stelle dann ebenso präzise gegossen, es soll ja schließlich auch was wachsen. Unkraut kann das Gerät per Kamera lokalisieren und mit einer Art Tiefenbohrer auf Höhe des Wurzelwerks vernichten.

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Wer will und die nötige Maker-Begeisterung mitbringt, kann sich die kleingärtnerische Wundermaschine selbst zusammenbasteln. Der von kalifornischen Tüftlern entwickelte Roboter ist ein Open-Source-Projekt. Das bedeutet, Bauanleitung und technische Spezifikationen für das Gerät sind für alle offen zugänglich, den Programmcode kann man herunterladen.

Viele Einzelteile wie der Samen-Reinstecker, die Wasserdüse oder der Unkraut-Zerstörer (Begrifflichkeiten von uns frei übersetzt) kommen aus dem 3D-Drucker. Gesteuert wird das Gerät über einen Raspberry Pi 3, einen sehr günstigen Minicomputer, und auch sonst haben die Entwickler bei der Herstellung auf preiswerte Hardware geachtet.

Wer früher gerne Farmville gespielt hat, wird vor allem von der App begeistert, sein, in der man per Drag&Drop den eigenen Garten virtuell anlegen kann, bevor FarmBot ihn in die echte Welt übersetzt. Die korrekten Abstände für die Aussaat unterschiedlicher Samensorten werden automatisch eingehalten – weil die Software Bescheid weiß. Dadurch erübrigt sich die mühsame Netzrecherche für jene, die keine kleingärtnernden Großeltern haben, bei denen sie so was erfragen können.


Kurz: Der FarmBot klingt nach dem Traum des neuerdings erdverbundenen, aber leider null ackertechnische Ahnung habenden urbanen Gemüsegärtners. Einziger Dämpfer: Er kostet derzeit rund 2900 Dollar plus Versandkosten, wenn man ihn fertig kaufen will. Und das noch mit Rabatt für die Vorbestellungen, gültig bis Ende Juli, während das Crowdfunding läuft. Läuft die Produktion einmal an, soll das Gerät 1000 Dollar mehr kosten.

Der Erfinder des FarmBot, Rory Aronson, rechnet auf der Seite seines Projekts einmal vor, warum sich die Anschaffung trotzdem lohnen soll: Wenn ein einzelner Mensch drei Jahre lang sein Gemüse selbst anbaut, habe sich das Gerät ruckzuck amortisiert. In die Gleichung rechnet er nicht nur die Kosten für das Gemüse ein, die man spart, sondern etwa auch das Benzin für die Anreise zum Einkauf und den Stundenlohn für die Zeit, die ein gut ausgebildeter Mensch künftig nicht mehr mit dem Einkaufen zubringen muss.


So richtig überzeugen kann er damit nicht. Wer in den USA mehr als 30 Minuten vom nächsten Supermarkt entfernt wohnt oder mitten im Wald, für den mag diese Rechnung aufgehen. Für die meisten hiesigen Stadtbewohner, die nie weiter als zehn Minuten vom nächsten Rewe oder Bioladen entfernt sind, eher nicht. Auch ob der FarmBot, die „Zukunft der Landwirtschaft“ ist, wie Aronson in Aussicht stellt, ist eher zweifelhaft. Realistisch gesehen wird das Gerät vor allem in Vor- oder Schrebergärten zum Einsatz kommen.

Open-Source-Innovation in den Gemüseanbau zu bringen, ist toll und der innere Hacker freut sich allein beim Anblick eines solchen Gerätes. Aber braucht man das jetzt wirklich? Der FarmBot bedient in Wahrheit wohl eher die gleiche diffuse Sehnsucht nach mehr Nähe zu Erde, Natur und den eigenen Lebensmitteln, die vor allem Städter dazu treibt, sich Schrebergärten zuzulegen – oder zumindest ein Beet im Urban-Gardening-Projekt auf der nächstgelegenen Brache.

Wer tagsüber nur auf einer Tastatur rumhackt, findet es toll, am Wochenende die Hände in die Erde zu stecken und am Ende stolz den Hokkaido-Kürbis heimzutragen. Der FarmBot ist damit in der gleichen Kategorie mit der Apple Watch, dem motorgetriebenen Skateboard oder der privaten Drohne: ein übertrieben teures Gadget, das zu besitzen eben deswegen solche Lust bereitet, weil man es definitiv nicht braucht.


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