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Ausgefaked: Ein Special-Effects-Experte erklärt Böhmermanns Multi-Fake

von Dominik Schönleben
Ist der Mittelfinger von Varoufakis eine Fälschung? Oder ist der Fake nur ein Fake? Völlig egal, wir haben uns von einem Special-Effects-Spezialisten die Technik hinter dem Böhmermann-Video erklären lassen.

Florian Gellinger ist Visual Effects Supervisor beim Studio RISE und auf Compositing spezialisiert — das Zusammenfügen von Video-Aufnahmen. Er arbeitete unter anderem an „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“, „Captain America“ und „X-Men: First Class“ mit.

WIRED: Worauf muss man achten, wenn man einen Ausschnitt wie den von Varoufakis verändern möchte?
Florian Gellinger: Die drei Sachen, die entscheidend dafür sind, ob ein Bild glaubwürdig ist, sind Licht, Schatten und Perspektive. Und die müssen 100-prozentig stimmen. Licht und Schatten sind im Nachhinein nur schwer zu manipulieren. Das muss beim Dreh berücksichtigt werden. Wenn ich jetzt nur den Unterarm mit dem Mittelfinger drehe, muss ich natürlich darauf achten, dass das Licht auch aus der gleichen Richtung kommt, dass der Schatten genau so weiche oder harte Kanten hat wie im Original. Das sind Sachen, die fallen auch dem Laien auf. Dafür muss man kein Profi sein.

WIRED: Also wenn der Dreh gut geht, dann ist es relativ einfach?
Gellinger: Je besser das gedrehte Material ist, desto weniger Zeit braucht man nachher in der Nachbearbeitung. Das heißt, wenn die wirklich das perfekte Stück Arm mit dem perfekten Mittelfinger im perfekten Licht gedreht haben, dann ist das vielleicht in zwei Tagen machbar. Wenn Licht und Schatten nicht genau stimmen, dann kann das gut und gerne mal zwei bis drei Wochen dauern.

So wie der Experte es in dem Video darstellt, ist es eher eine Scherenschnitt-Animation, wie aus einem Monty-Python-Fim.

Florian Gellinger

WIRED: Wenn du dir das Video anschaust, dann erzählt dort ein angeblicher Special-Effects-Experte, wie es gemacht wurde. Deckt sich das mit deiner Arbeitsrealität?
Gellinger: Was mich ein bisschen wundert, ist, dass er sagt, dass sie die Bewegungsunschärfe hinzugefügt haben. Wenn sie einen Schauspieler vor Greenscreen gedreht haben, der den Finger genau so hebt, mit genau dem Timing, dann hat er natürlich schon Bewegungsunschärfe drauf. Wenn ich das Double habe, das 200 Mal für mich den Unterarm hebt und den Mittelfinger ausstreckt, dann brauche ich nachträglich keine Bewegungsunschärfe hinzuzufügen. Das hat die Kamera ja bereits mit aufgenommen.

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WIRED: Ist dir noch was aufgefallen?
Gellinger: Er rotiert auch den Arm am Ellenbogen im Video — natürlich alles überhaupt kein Problem. Aber so wie er es in dem Video darstellt, ist es eher eine Scherenschnitt-Animation wie aus einem Monty-Python-Fim und kein gedrehtes Material. Das einzige, was man in dem ganzen Video kein einziges Mal sieht, ist, wie das Varoufakis-Double vor dem Green Screen den Finger hebt. Und wie es dann von dort nachbearbeitet wird. Sondern man sieht nur den fertig ausgeschnittenen Arm, wie er am Ellenbogen gedreht wird.

In der politischen Debatte ist das natürlich relevant, technisch macht es aber keinen Unterschied.

Florian Gellinger

WIRED: Es ist also fragwürdig, ob das wirklich so gemacht wurde?
Gellinger: Wenn man das Ganze wirklich einer genauen Analyse unterziehen wollte, dann müsste man das Video runterladen und es sich Bild für Bild als Einzelsequenz anschauen und mit dem vergleichen, was im Making-Of gezeigt wird.

WIRED: Mein Kollege sagt gerade, dass das ZDF bestätigt hat, alles sei Satire. Der Mittelfinger sei von Anfang an echt gewesen. Überrascht dich das?
Gellinger: Beides hätte richtig sein können. Man darf nicht vergessen, dass es im Video ja auch die Variante zu sehen gibt, in der er den Mittelfinger nicht hoch streckt, sondern der Arm unten bleibt und weiter wippt, während er redet. Es wurde in jedem Fall etwas digital erzeugt. In der politischen Debatte ist das natürlich relevant, technisch macht es aber keinen Unterschied.

WIRED: In beiden Fällen also gut gemacht?
Gellinger: Klar, das auf jeden Fall.

Man hat nie gesehen, wie das Double vor dem Greenscreen tatsächlich seinen Arm nach oben nimmt.

Florian Gellinger

WIRED: Aber das deckt sich doch jetzt mit deinen Bedenken zum Making-Of-Video, oder? Das Team von Böhmermann zeigt nicht, wie sie die Drehung des Arms animierten, weil sie das eigentlich gar nicht gemacht haben. In Wirklichkeit wurde die andere Sequenz gefilmt und gefaked.
Gellinger: Genau. Man hat nie gesehen, wie das Double vor dem Greenscreen tatsächlich seinen Arm nach oben nimmt. Weil dann hätte man natürlich sofort sehen können, dass das Licht auf seinem Arm möglicherweise nur ähnlich zum Original ist. Dieser Zwischenschritt fehlt einfach in dem Video.

WIRED: Sonst hätten Experten es zu leicht als Fake identifizieren können?
Gellinger: Da wäre der Unterschied garantiert auch sofort für Laien zu erkennen gewesen. Ansonsten hätte man noch viel mehr Arbeit reinstecken müssen, um das Bild als glaubwürdig zu verkaufen. 

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