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Evatar ist der perfekt nachgebaute weibliche Zyklus

von Alexandra Simon-Lewis
Erstmals ist es gelungen, den weiblichen Monatszyklus im Labor funktionstüchtig nachzubilden. US-Forscher haben eine Miniaturversion des weiblichen Fortpflanzungstrakts entwickelt, die Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten wie Endometriose, Krebs und Unfruchtbarkeit erheblich verbessern könnte. Evatar heißt das System.

Teresa Woodruff ist die Leiterin des Women’s Health Research Institute an der Northwestern University in Illinois. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie einen Chip entwickelt, auf dem fünf unterschiedliche Gewebe länger erhalten werden können, als es jemals zuvor möglich war. In dem System, das Evatar genannt wird, kann eine Flüssigkeit über das Gewebe fließen und dabei mit unterschiedlichem Druck getestet werden, was den natürlichen Bedingungen im weiblichen Körper entspricht.

Evatar ist eine Zellkulturplatte, die 3D-Modelle der Eierstöcke, Eileiter, Uterus, Gebärmutterhals, Vagina und Leber beinhaltet, jeweils isoliert voneinander. Durch jedes der Teile fließt eine speziell abgestimmte Flüssigkeit, die dem Charakter und der Aufgabe von Blut nahekommen soll.

Woodruff und ihre Kollegen konnten auch Eierstöcke einer Maus mit menschlichen Eileitern, Gebärmutterschleimhaut, Gebärmutterhals und Leber verbinden. Diese Gewebearten und Organe verhalten sich dann wie bei einem Menschen in einem Zyklus von 28 Tagen. Genau wie bei einem natürlichen Zyklus beobachteten die Forscher Spitzen bei der Östrogenproduktion und die Unterdrückung von Progesteron. „Das System imitiert, was tatsächlich im Körper passiert“, sagt Woodruff.

„Wir können natürlich keine echten Eierstöcke von jungen Frauen nehmen,” so die Forscherin im Gespräch mit WIRED. „Allerdings funktionieren Östrogen und Progesteron bei Mäusen genauso wie bei Menschen. Also sollten die Effekte der Hormone auf das Gewebe auch die gleichen sein wie bei Menschen.”

Die Mikrofluidik ist noch ein recht neues Feld in der Medizin, welches Forschung mit Mikroelektronik und auf molekularer Ebene ermöglicht. Das mikrofluidische System kann kleinste Mengen von Flüssigkeiten durch Kanäle mit Durchmessern von zehn bis 100 Mikrometer leiten. Dadurch ist es möglich, synthetische Systeme zu entwickeln, die ihr entsprechendes Gegenstück im menschlichen Körper imitieren können.

Einer der Gründe, warum die Mikrofluidik jetzt erst Anwendung findet, ist das „Universal Media Problem”: Zuvor gab es keinen synthetischen Stoff, der wie Blut im menschlichen Körper zwischen den Organen zirkulieren und mit ihnen interagieren kann.

Das Team der Northwestern University hat diese Herausforderung bewältigt, in dem es einen blutähnlichen Stoff entwickelt hat, der als universelles Medium dient. Alle Organe werden dadurch miteinander verbunden. So können die Gewebeteile im Evatar-System über dieses Medium kommunizieren.

Evatar gilt als Möglichkeit, personalisierte Medizin zu verbessern. So kann das System helfen, das Geschlechterungleichgewicht bei Medikamententest auszugleichen. Wegen der unterschiedlichen Organe und Hormone können auch Arzneimittel bei Frauen komplett unterschiedliche Wirkungen haben als bei Männern. Erst 1993 erlaubte die FDA Frauen im gebärfähigen Alter an Medikamententests für gesunde Freiwillige und Patienten teilzunehmen.   

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Das Ziel von Evatar ist es, Stammzellen einer einzelnen Patientin zu nutzen, um ein personalisiertes Model ihrer Geschlechtsorgane zu erstellen, an denen weitergehende Behandlungsmöglichkeiten erprobt werden können. Laut Woodruff könnte Evatar bei der Entwicklung dringend benötigter Medikamente helfen.

„Wir hatten bisher keine Möglichkeit, das gesunde weibliche Fortpflanzungssystem nachzubilden”, erklärte sie WIRED. „Unser System erlaubt es erstmals Wirkstoffe im Kontext des sich ändernden Hormonspiegels zu erforschen. Zum Beispiel können in Zukunft neue Verhütungsmittel und Medikamente gegen Krebs in Eierstöcken, der Gebärmutterschleimhaut oder im Gebärmutterhals gefunden werden, wenn das System weiterentwickelt wird.”

Menschliches Gewebe, das in Petrischalen gezüchtet wird, besteht meist nur aus einzelnen Zellen, die nicht denselben Mechanismen folgen wie in der Natur. Es mangelt ihnen daher an der gleichen chemischen Interaktion, Architektur und Blutzirkulation wie bei natürlichem Gewebe. Forscher können daher nicht erwarten, dass Tests am echten menschlichen Körper zu den gleichen Ergebnissen führen.

Personalisierte Medizin kann viele genauere Informationen darüber liefern, wie ein Individuum auf einen bestimmten Wirkstoff reagiert. Anstatt zu raten oder eine unendliche Liste von Risiken und Nebenwirkungen auf die Packungsbeilage zu schreiben, könnten mikrofluidische 3D-Systeme die wahre Wirkung von Medikamenten auf den menschlichen Körper offenbaren.

„Wir hoffen, dass der Ovarialzyklus irgendwann auch in anderes Gewebe wie Herz und Leber integriert werden kann. Dann können wir auch Wirkstoffe an diesen Stellen testen, die dann auch den normalen Hormonänderungen folgen”, sagte Woodruff.

Das Evatar-Projekt wird vom National Institutes of Health finanziert und ist Teil eines Vorhabens, zusammen mit dem National Centre for Advancing Translational Sciences (NCATS) den gesamten menschlichen Körper „auf einem Chip“ zu simulieren. Organe wie Gehirn, Herz und Lungen könnten mit mikrofluidischen Systemen bald nachgebildet werden. 

WIRED.uk

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.uk
Das Original lest ihr hier.

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