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Eine politische Hommage an 50 Jahre Star Trek

von Max Biederbeck
Fünf Jahrzehnte Star Trek und auch unser Autor feiert das Jubiläum. Viel hat er in den letzten Tagen über die Technologie der Enterprise gelesen, über den Einfluss von Kirk und Co. auf die Popkultur. Dabei fehlt ihm das Wichtigste: Bei Star Trek ging und wird es immer vor allem um die große Politik gehen.

Die Worte „Widerstand ist zwecklos“ prangen noch immer in meinem Kinderzimmer. 1997 hat mein Bruder mir das Filmplakat zu StarTrek: The First Contact zum Geburtstag geschenkt. Darauf zu sehen sind der Captain der Enterprise, Jean-Luc Picard, der Androide Data und – natürlich – die Borg und ihr erbarmungsloser Slogan. Eine technologisch verbesserte Armada an Zombies, gegen ihren Willen in ein Hive-Bewusstsein assimiliert. Nicht länger Individuen, sondern ein Kollektiv. Wie sehr habe ich mich als Zehnjähriger vor den Borg gefürchtet, wie fasziniert war ich von ihnen.

Als Eroberer fliegen sie in riesigen würfelförmigen Raumschiffen durchs Weltall. Eine Welt nach der anderen berauben sie ihrer Einzigartigkeit: die ultimative Gleichschaltung durch eine Leitkultur. Alles, um das perfekte System zu erschaffen und Schwäche auszumerzen. Eine große Allegorie auf den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts und gleichzeitig eine Parabel über die Angst vor Technologie, wie wir sie heute noch kennen.

Eine geniale Geschichte, die seit Jahrzehnten unseren Zeitgeist beobachtet

Viele Medien beschäftigen sich in diesen Tagen mit der Föderation und ihren Gegnern. Seinen 50. Geburtstag feiert Star Trek am Donnerstag und alle fragen sich: Wo hat die reale Technik die mehr als 700 Episoden Science-Fiction eingeholt – und wo hat die Enterprise noch immer Vorsprung? Der Begriff Cyborg zum Beispiel ist längst keine Fiktion mehr und das Hive-Bewusstsein der Borg – es erinnert an Reddit. Die Tech-Frage ist interessant, doch ich möchte hier eine andere Würdigung schreiben: Star Trek, das ist für mich vor allem eine geniale Geschichte, die seit Jahrzehnten unsere Zeit und unseren Zeitgeist beobachtet, eben genau mit Metaphern wie den Borg.

Bevor ich mein kleines Loblied singe: Nein, ich bin kein echter Trekkie. Ich habe meine Kindheit nicht mit Kirk verbracht und schaue „erst“ seit der Enterprise NCC 1701-D zu, bin also noch nie wirklich unter Galaxy-Klasse geflogen. Die Abenteuer-Episoden der vielen unterschiedlichen Shows, vor allem von Kirk und Co., haben mich noch nie wirklich interessiert. Und nein: Niemand hat mich je Klingonisch sprechen gehört.

Ich war, und bin allerdings fasziniert von den großen Zusammenhängen der Star-Trek-Serien: Der Konflikt um die neutrale Zone mit den Romulanern, die Schlacht um Wolf359 mit den Borg, die Ausbildung der Jem'hadar zu genetisch perfekten Kriegern und nicht zuletzt das Patriarchat der Klingonen und der Rassismus gegen Aliens auf der Erde nach einem Terror-Anschlag der außerirdischen Xindi.

Star Trek behandelt in diesen fiktiven Konflikten zahlreiche reale politische Szenarien: Der Totalitarismus der Borg mit ihrer Gleichschaltung als Spiegelung sozialistischer und faschistischer Regime. Der kalte Krieg, den in der echten Welt die USA und Russland, in Star Trek aber vor allem die Romulaner und die Föderation miteinander führen. Auch Terrorgruppen wie die IRA oder RAF finden mit Organisationen wie dem Maquis Eingang in die Serien. Das schwierige Verhältnis zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religionen findet in durchweg jeder Star-Trek-Show Platz. Dabei bilden sie solche hochpolitischen Konflikte nicht nur ab, sondern zeigen auch, wie eine Gesellschaft mit ihnen umgehen kann.

In den Abenteuern des im tiefen Weltraum verschollenen Raumschiffs Voyager etwa muss die Crew immer wieder die Regeln der Föderation über Bord werfen, um in der Fremde zu überleben. Bei Deep Space Nine steht Diplomatie mit radikalen Separatisten und feindlichen Besatzern im Vordergrund. Und in der jüngsten Auskopplung Enterprise wird Captain Jonathan Archer immer wieder mit moralischen Dilemmata konfrontiert: Wie rabiat darf er etwa mit Gefangenen umgehen, um einen Anschlag auf der Erde zu verhindern? Ständig, so zeigen all diese Beispiele, droht die Vereinigte Föderation unter dem Gewicht ihrer Feinde und eigenen Regeln zusammenzubrechen.

Widerstand ist zwecklos? Heghlu´meH QAQ jajvam!

Die Realität war schon immer ein Narrativ in Star Trek. Auch der neueste Kinofilm behandelt Themen, die so aktuell sind, als hätte man sie gerade erst im Nachrichtenstream gelesen. In Star Trek: Beyond entwickelt ein Offizier unkontrollierbaren Hass auf die Föderation, weil er sich von ihr missachtet fühlt. Kommt das jemandem bekannt vor? Der große Unterschied: Am Ende löst Star Trek das Problem – das ist der Part, der dann leider doch Science-Fiction ist.

Zum Schluss geht eben doch immer alles gut aus, nicht dank einer Ideologie oder einem dicken Kriegsschiff, oder weil ein Trump-gleicher Führer auftaucht. Die Enterprise gewinnt weil sie sich auf ihre Crew verlassen kann. Die trifft auf kleinster Ebene – in einem einzelnen Raumschiff – die richtigen moralischen Entscheidungen. Trotz Angst, Verunsicherung und Wut.

Eine Crew, die weiß: Ja, unser Schiff ist im Eimer, der Warpkern-Bruch steht bevor, die Untertassen-Sektion abgetrennt und die Schilde nur noch bei fünf Prozent. Die aber trotzdem überzeugt ist: Wir müssen das jetzt schaffen, es geht gar nicht anders.

Also liebe Borg: Widerstand ist zwecklos? Heghlu´meH QAQ jajvam! Und alles Gute für die nächsten 50 Jahre Politik.

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