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Eine neue Studie kritisiert die Fake-News-Debatte – zu Recht?

von Michael Förtsch
Ohne Fake News wäre Donald Trump heute nicht Präsident. Oder doch? Laut einer Studie der Universität Stanford hatten die Falschmeldungen deutlich weniger Einfluss auf die US-Wähler als gedacht. Aber stimmt das?

Während Donald Trump und Hillary Clinton um das US-Präsidentenamt kämpften, flutete so manche bizarre Meldung die sozialen Netzwerke. Abgesetzt von einzelnen Usern, Populisten oder Fake-Seiten: Da leitete Clinton auf einmal einen Kinderporno-Ring, der US-Investor George Soros bezahlte Millionen Amerikaner für ihre Stimmen, und in einem Lagerhaus tauchten zehntausende Stimmzettel auf. Je nach Falschmeldung für Trump, oder für Clinton. Derartige Lügen sollen nicht nur ein einträgliches Geschäft gewesen sein, sondern am Ende auch zum Sieg Donald Trumps beigetragen haben. Eine neue Studie zweifelt jetzt an diesem Zusammenhang.

Die Ökonomen Matthew Gentzkow und Hunt Allcott von der Stanford University haben über drei Monate eine Datenbank von 156 stark verbreiteten Fake News angelegt. Aufgenommen wurden „Nachrichtengeschichten ohne faktische Basis, die aber als Fakten präsentiert werden“.

Die Forscher betrachteten dabei nur Lügen, die mindestens 1000 mal geteilt worden waren. Sie dokumentierten auch die Websites hinter den Posts. Von Ende Oktober bis Ende November untersuchten sie, ob User nur die Überschrift auf Facebook und Twitter anschauten, oder auch den Link auf den Artikel dahinter anklickten. Am Ende notierten sie jeweils, ob eine Fake News sich gegen Trump oder gegen Clinton richtete.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Fake News den Ausgang der Wahl bestimmt haben

Matthew Gentzkow und Hunt Allcott

Mehrere Wochen nach dem Sieg Trumps befragten die Forscher dann mehr als 1200 Amerikaner in einer Online-Umfrage. Nach politischen Präferenzen, nach gesellschaftlicher Stellung und nach dem persönlichen Nachrichtenkonsum. Dann präsentierten sie den Teilnehmern 15 Schlagzeilen – wahre Meldungen, Falschmeldungen aus den sozialen Netzwerken und „Placebo Headlines“, die die Forscher frei erfunden hatten. Die Wissenschaftler wollten von den Probanden wissen, welche der Schlagzeilen sie als „berichtet und diskutiert“ wahrgenommen hatten, und ob sie deren Aussage während der Wahl als glaubwürdig einschätzten.

Die Forscher kommen in ihrer Studie zu dem Schluss, dass „Social Media eine wichtige aber keine dominante Quelle für Informationen darstellte“, und „dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Fake News den Ausgang der Wahl bestimmten“. Tatsächlich hätten nur 14 Prozent der Probanden Social Media als „wichtigste Quelle“ für Wahlberichterstattung angegeben. Vielmehr hätten sie auf das Fernsehen vertraut.

Es stimmt: In den Monaten vor der Wahl tauchten vermehrt Fake News auf. Vor allem Pro-Trump-Artikel. Laut der Studie wurden diese rund 30 Millionen Mal geteilt – vier mal so oft wie Pro-Clinton-Fake-News. Allerdings hätten sich nur 15 Prozent der Probanden überhaupt an die Fake-News-Schlagzeilen erinnert. Und nur acht Prozent davon seien überhaupt von deren Richtigkeit oder Glaubwürdigkeit überzeugt gewesen. „Diese Zahlen sind statisch mit unseren Placebo-Schlagzeilen identisch“, schreiben die Forscher. Das lasse vermuten, dass sich die Studienteilnehmer in mehreren Fällen die Erinnerung an eine spezifische Schlagzeile nur einbilden und die wirkliche Zahl noch eine Größenordnung niedriger liege. Fake News würden also gesehen, aber nicht rezipiert.

„Unsere Schätzung legt nahe, dass der durchschnittliche wahlfähige Amerikaner im Vorlauf der Wahl 0,92 Prozent der Pro-Trump- und 0,23 Prozent der Pro-Clinton-Fake-News gesehen und sich gemerkt hat“, führen die Autoren aus. Lediglich 0,71 Prozent hätten Pro-Trump- und 0,18 Prozent die Pro-Clinton-Fake-News gesehen und auch geglaubt.

Also alles Quatsch mit den Fake-News? Nicht ganz

Damit, so Matthew Gentzkow und Hunt Allcott, sei es „sehr unwahrscheinlich, dass Fake News den Ausgang der Wahl bestimmt haben“. Um eine merkliche Wirkung zu erzeugen, müsste eine Fake News die gleiche Durchdringung und Überzeugungskraft entfalten wie 36 TV-Spots.

Also alles Quatsch mit den Fake-News? Nicht ganz. Die Stanford-Studie vernachlässigt etwa, dass das amerikanische Fernsehen die Lügen aus dem Internet immer wieder zum Thema machten. Auch wenn Amerikaner sich nicht an konkrete Überschriften im Internet erinnern, im Fernsehen wurden sie mit den Fake-Inhalten konfrontiert. Ein sogenannter Verstärker-Effekt, der durchaus ein Meinungsklima erzeugen kann, das Wahlentscheidungen prägt.

Dazu kommt, dass die genaue Erinnerung an eine Überschrift noch nichts über deren eventuelle Wirkung auf einen User aussagt. Genauso wenig gibt das Abfragen von willkürlich gewählten Headlines einen Eindruck darüber, wie das Netz als solches einen Wähler beeinflusst, man denke an die Filterbubble-Diskussion. Gemessen an der aktuellen öffentlichen Debatte ist die reelle Bedeutung und messbare Wirkung von Fake News vielleicht gering, aber auch nicht gänzlich vernachlässigbar.

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