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Kulissen aus Ton und Pappe: „The Dream Machine“ ist die Augsburger Puppenkiste der Adventure-Games

von Oliver Klatt
Ein Haus träumt seine Bewohner: Schon in der ersten Nacht, die Victor und seine Frau Alicia in ihrer neuen Wohnung verbringen, merken sie, dass etwas nicht stimmt in der DuPont Crest Nummer 12. Beide werden von Albträumen geplagt, und schnell stellt sich heraus, den anderen Mietern geht es genauso — und die Träume aller Bewohner sind auf seltsame Weise miteinander verwoben. Widerwillig macht sich Victor daran, dem Geheimnis des Hauses auf den Grund zu gehen.

Was wie der Plot eines Traum-Thrillers à la „Inception“ oder „Paprika“ klingt, ist das Setup von „The Dream Machine“, einem Point-and-Click-Adventure des schwedischen Studios Cockroach. Der Clou an der Sache: Alles an dem Videospiel — vom Aufbau der Level bis zu jeder einzelnen Spielfigur — wurde aus Materialien wie Lehm und Bastelpappe in mühsamer Handarbeit gefertigt und anschließend digitalisiert.

Wenn ich meine Hände in Erde und Ton grabe, fühlt sich das an, als würde ich etwas aus dem Reich der Ideen in die Wirklichkeit hinüber holen und zum Leben erwecken.

Erik Zaring, Kulissenbauer für „The Dream Machine“

Die ersten zwei Abschnitte des Episoden-Games wurden schon 2010 veröffentlicht, Spieler und Kritiker waren begeistert. Jede weitere Episode des auf sechs Kapitel angelegten Abenteuers verschlang jedoch mehr und mehr Entwicklungszeit. An Kapitel vier saßen die Macher geschlagene zwei Jahre.

„Über einen so langen Zeitraum an etwas Großem und Verrücktem wie ,The Dream Machine‘ zu arbeiten, hat mich zum ersten Mal in meinem Leben dazu gezwungen, an meine Grenzen zu gehen“, sagt Erik Zaring, der die Puppen und Kulissen des Adventures in seiner Werkstatt herstellt. „Wenn ich meine Hände in Erde und Ton grabe und daraus die Welt von ,The Dream Machine‘ forme, fühlt sich das an, als würde ich etwas aus dem Reich der Ideen in die Wirklichkeit hinüber holen und zum Leben erwecken — eine Art Animismus im digitalen Zeitalter.“ Wer ihm bei der Arbeit zusehen möchte, kann das in diesem YouTube-Video tun:

Oft nehmen die von Zaring gestalteten Welten Einfluss auf die von Gamedesigner Anders Gustafsson erdachte Geschichte des Spiels – und die Interaktionsmöglichkeiten des Spielers. „In Kapitel vier taucht ein Teddybär auf, der eigentlich nur stumm im Hintergrund herumsitzen sollte“, sagt Gustafsson. „Aber als ich Eriks fertiges Modell sah, wollte ich, dass man ihn näher betrachten kann. Ich fing an, mir Gedanken darüber zu machen, mit was für einer Stimme der Bär sprechen und was er sagen würde. All das führte letztendlich dazu, dass wir ihm eine eigene Szene spendiert haben.“

Wie in allen guten Vertretern des Point-and-Click-Genres muss der Spieler in „The Dream Machine“ Probleme lösen und die Erzählung voran zu bringen, indem er unscheinbare Alltagsobjekte miteinander kombiniert. Eine Zitrone mit einem Sonnenschirm vermählen? Einen Schlüssel mit einem Sicherungskasten? Warum nicht? Vieles ist machbar, nur weniges ergibt Sinn, aber zu allem hat Spielfigur Victor einen passenden Kommentar parat.

Die Rätsel, die das Spiel einem vorsetzt, werden dabei von Kapitel zu Kapitel und von Traum zu Traum schwerer, was zur Folge hat, dass man viel Zeit mit Herumprobieren verbringen muss. Allein der Humor und die liebevoll ausgestaltete Spielwelt halten einen in solchem Momenten bei Laune. Auch das ist Adventure-Tradition.

Träume sind wilde, archaische Privatuniversen, die wir alle mit uns herumtragen.

Anders Gustafsson, Gamedesigner von „The Dream Machine“

In „The Dream Machine“ geht es jedoch um mehr als knifflige Puzzles und die Aneinanderreihung absurder Begebenheiten. Um Voyeurismus zum Beispiel. Darum, dass Victors Träume ausspioniert werden und er nach und nach selbst zum Voyeur wird und in den verborgenen Wünschen und Ängsten anderer Figuren herumwühlt.

„Träume sind wilde, archaische Privatuniversen, die wir alle mit uns herum tragen. Sie stecken voller Möglichkeiten. Und doch fällt es schwer, sich an sie zu erinnern oder ihnen einen Sinn zu geben“, sagt Gustafsson. „Wir dachten uns, es wäre lustig, etwas so Launisches und Flüchtiges in handgemachte Dioramen aus Pappe und Ton zu verwandeln. Wir finden, das ergibt einen schönen Kontrast.“

Fehlt nur noch, dass die beiden Schweden mit ihrem mal amüsanten, mal überraschend abgründigen Puppenspiel in die Fußstapfen der Augsburger Puppenkiste treten und „The Dream Machine“ irgendwann vor Publikum auf einer realen Bühne präsentieren. „Bei der Vorstellung wird mir ganz warm ums Herz“, sagt Gustavsson. „Ich sehe es schon vor mir: Ich und Erik auf Welttournee, in viktorianischem Gewand und mit dünnem Menjoubärtchen unter der Nase.“ Und Kulissenbauer Zaring gibt zu: „Tatsächlich haben wir darüber nachgedacht, ,The Dream Machine‘ auf die Bühne zu bringen, wenn das Spiel fertig ist. Wir werden sehen, wohin uns das führt.“

Kapitel fünf des Traum-Adventures ist jetzt für PC und Mac erhältlich. 

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