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„Doctor Strange“ ist ein umwerfender, verrückter, fast magischer Trip

von Oliver Franklin-Wallis
Marvel produziert einen Superhelden-Streifen nach dem anderen. Da lag es bei der Verfilmung des relativ unbekannten Comics „Doctor Strange“ nahe, dass ziemlich viel schiefgehen könnte. Doch der Film ist gerade deshalb faszinierend, weil ihm etwas fehlt, auf das die meisten anderen Marvel-Blockbuster nicht verzichten können.

Es gibt diesen Moment in Doctor Strange – er kommt im Trailer vor, aber wenn ihr Spoiler vermeiden wollt, dann lest jetzt nicht weiter – als Mordo (Chiwetel Ejiofor) ein Stück Papier an Strange (Benedict Cumberbatch) aushändigt, auf dem das Wort „Shamballa“ steht. Klingt wie ein mystischer Zauberspruch, ist aber nur das WLAN-Passwort.

Genau solche ironischen Details sind es, die den neuen Marvel-Film großartig machen. Es wäre ein leichtes gewesen, bei Doctor Strange den mystischen Aspekt zu übertreiben. Er ist immerhin der am stärksten durch die 68er-Generation beeinflusste Superheld, der tief in den Mystizismus abtaucht und davon inspiriert wurde, dass seine Erfinder jede Menge LSD einwarfen.

Stattdessen ist der Film zu einem visuellen Meisterwerk geworden, das witziger und in sich geschlossener ist als seine Vorgänger. Ohne bombastisch inszenierte, aber langweilige Cameos anderer Superhelden wie in Ant-Man oder den letzten Captain-America-Filmen.

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Der Hauptcharakter Strange ist ein eigenwilliger Neurochirurg, dessen Hände bei einem Autounfall verkrüppelt werden. Auf der Suche nach einer Therapie landet er in Nepal und wird dort vom Ancient One (Tilda Swinton) unterrichtet, einer mystischen Führerin. Es folgt ein Moment, der für Strange wie die Rote Pille für Neo in Matrix ist: Er lernt, dass hinter unserer Welt unendlich viele astrale Dimensionen und Ebenen der Existenz liegen.

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Dieser Augenblick ist eine der visuell beeindruckendsten Szenen des Kinojahres. Um die CGI-Sequenzen von Doctor Strange zu begreifen, muss man sich vorstellen, dass Regisseur Scott Derrickson die komplette Filmografie von Christopher Nolan am Stück geschaut hat. Doctor Strange verbindet im Prinzip die gefalteten Städte aus Inception mit dem Raumzeit-Feuerwerk des Interstellar-Finales – und treibt beides in seine Extreme. Krasser Stoff.

Denn die Städte und Korridore tun mehr, als sich nur zusammenzufalten, sie ziehen sich zurück, zerbrechen in Kristalle und lösen sich auf, ein Kaleidoskop der Farben und Tiefen entsteht. Dabei gelingt Derrickson etwas, das sich so anfühlt, als gehöre er zu der seltenen Gattung Filme, die nur in 3D vollwertig genossen werden können. Vergleichbar mit Avatar oder Life of Pi, bei denen sich der Griff zur 3D-Brille wie eine künstlerische Entscheidung anfühlte.

Es ist gut, dass Doctor Strange durch seinen Witz trotzdem am Boden bleibt. Ebenso wie durch das Schauspiel von Ejiofor und Swinton, deren todernste Diskussionen über dunkle Dimensionen den wohl besten Zaubertrick des Films darstellen.

Ähnlich erfrischend ist das Gefühl von Geschlossenheit, das der Film vermittelt. Doctor Strange fühlt sich angenehm selbstbezogen an, im Vordergrund stehen die persönlichen Bedrohungen für die Charaktere, obwohl ganze Dimensionen in Gefahr sind. Nicht jeder Film muss sich anfühlen, als sei er Teil eines riesigen Puzzles – auch wenn er es in Wirklichkeit vielleicht ist. (Der Moment, als Stranges Verbindung mit dem größeren Marvel-Kontext klar wird, ist ein unbedeutend scheinender Kommentar, der aber zweifellos riesige Konsequenzen haben wird.)

Natürlich gerät der Film an dieselben Grenzen, an denen schon andere Marvel-Streifen strauchelten. Der Bösewicht besitzt keine Tiefe – selbst das Augen-Makeup von Mads Mikkelsen ist dicker aufgetragen, als seine Persönlichkeit – und ist schnell wieder vergessen.

Doch das ist egal, die meisten Marvel-Fans warten längst auf Guardians of the Galaxy 2, Spider-Man: Homecoming und den dritten Thor-Film. Vielleicht ist genau das die größte Magie von Doctor Strange: Obwohl Marvel Filme wie am Fließband produziert, gelingt es dem Studio immer noch ab und zu, seine Zuschauer zu überraschen. Etwas, das der Rest von Hollywood schon lange nicht mehr kann.

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED UK.

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