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Digitalgipfel: Walk it like you talk it!

von Johnny Haeusler
Feststellen, fordern – aber nichts umsetzen. Unser Kolumnist beklagt die alljährliche Ergebnislosigkeit beim Digitalgipfel des Wirtschaftsministeriums.

Am Dienstag ist er zu Ende gegangen, der „Digitalgipfel“ des BMWI, der früher „IT-Gipfel“ hieß und leider weitestgehend unter Ausschluss der vielen Privatinitiativen stattfand. Es liegt mir fern, über solche Kongresse über die Maße zu lästern, sie sind wichtig. Schließlich sind bestimmte Vorhaben derart umfangreich, dass gute Diskussion, Konzeption, Planung und Absprache zwischen verschiedenen Akteuren unbedingt nötig sind. Dennoch werde ich als Beobachter von außen den Eindruck nicht los, dass ebendiese Akteure zwar Meister im Reden sind, das Handeln aber erneut in den Hintergrund gerückt ist.

Ich habe aufgehört zu zählen, seit wie vielen Jahren nicht nur die Bundeskanzlerin den Breitbandausbau fordert. Sascha Lobo hatte das 2015 schon mal zusammengefasst: Bereits im Jahr 2009 wollte man die Sache angehen, bis 2014 sollten drei Viertel der deutschen Haushalte mit mindestens 50 Mbit/s ausgestattet sein, die ursprünglich im Koalitionsvertrag geplante Investitionssumme von einer Milliarde wurde jedoch kurz vorher gestrichen. Von rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland verfügen derzeit nur 791.000 über einen Glasfaseranschluss, und selbst die bis 2018 zu erreichenden 50 Mbit/s sind oft eine hybride Mogelpackung, wenn zu einem Kupferdraht LTE geschaltet wird. Sofern vorhanden.

Das mehrfach geäußerte Versprechen „Schnelles Internet für alle“ bleibt somit wohl auch dieses Jahr eine hohle Phrase. Zumal vielerorts bei dem Begriff „Breitband“ immer noch von einem (!) Mbit/s ausgegangen wird. Während in vielen anderen Industrieländern das Hundertfache davon schon als veraltet gilt.

Ohne den Ausbau schneller Infrastrukturen auch in ländlichen Gebieten kann man sich alle Debatten um vernetzte Gesundheit und neue Arbeit sparen

Ohne den Ausbau schneller Infrastrukturen auch in ländlichen Gebieten kann sich jedoch jedes Gipfeltreffen die Debatten um vernetzte Gesundheit, neue Arbeit oder umfassende gesellschaftliche Teilhabe sparen. Sollte dieses Foto den finalen Stand der Abstimmung des Digitalgipfels darstellen, halten wir fest: Den Anwesenden ist der wirtschaftliche Aspekt der Digitalisierung am wichtigsten und sie haben erneut erkannt, dass für moderne Arbeit, Ausbildung und Nachwuchs eine Gigabit-Infrastruktur vonnöten ist, von der Deutschland noch meilenweit entfernt ist.

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Dass politische Aspekte und der Verbraucherschutz bei dieser Abstimmung auf den hinteren Plätzen gelandet sind, dürfte natürlich auch der gesamten Ausrichtung der Veranstaltung geschuldet sein, doch es zeigt, wie weit wir hierzulande tatsächlich hinterherhinken. Wir fordern 2017 immer noch schnelles Internet, während die wirklich drängenden Fragen eher gesellschaftlicher und damit politischer Natur sind.

Wie sinnvoll sind beispielsweise Debatten über digitale Bildung, wenn die dafür zugesagten Finanzpakete im Sand verlaufen, noch bevor es Konzepte gibt? Von den 2016 von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka angekündigten fünf Milliarden hört man dank Schäuble nicht mehr viel, die Herausforderungen der Bund- und Länder-Zuständigkeiten sorgen wie in vielen anderen Bereichen für Unsicherheiten und Chaos, Personalmangel an allen Ecken tut sein Übriges. Und wenn auf einem Digitalgipfel zwar vor den Amazons und Googles „gewarnt” wird, das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz aus dem Hause Heiko Maas aber anscheinend kein wichtiges Thema ist, dann ist das mindestens höchst erstaunlich.

Eine in erster Linie wirtschaftlich orientierte Veranstaltung, bei der seit Jahren viel festgestellt und gefordert, aber wenig umgesetzt wird

Es bleibt der Eindruck, dass der Digitalgipfel eine in erster Linie wirtschaftlich orientierte Veranstaltung ist, bei der seit Jahren viel festgestellt und gefordert, aber wenig umgesetzt wird. Sicher auch, weil die nicht ganz unwichtige Frage nach der Finanzierung der Digitalisierung Deutschlands offenbar an denen scheitert, die beim Gipfel nicht einmal anwesend sind.

Warten wir also ein weiteres Jahr ab, bis beim nächsten Gipfel wieder der Breitbandausbau, digitale Bildung und Gesundheit sowie moderne Arbeit gefordert werden. Damit wir in Deutschland nicht den Anschluss verlieren. Also: nicht noch mehr.

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