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Digital ist besser: Werdet wieder laut!

von Johnny Haeusler
In den sozialen Medien hat jeder Einzelne die Möglichkeit, gehört zu werden. Das wird in letzter Zeit allerdings vor allem von Menschen genutzt, die nicht gerade Freiheit und Demokratie im Sinn haben. Das muss sich wieder ändern, findet unser Kolumnist.

Es ist schon etwas bitter. Viele Jahre lang habe ich in öffentlichen Diskussionsrunden von der Demokratisierung – ach was, von der Verbesserung der Welt – durch digitale Medien geschwärmt. Von der Möglichkeit, dass Einzelne die gleiche Verbreitung finden können wie Massenmedien. Davon, dass theoretisch jeder und jede, der oder die etwas zu sagen hat, eine laut zu hörende Stimme bekommt.

Das gilt noch immer, denn es ist wahr. Dass ich jedoch beobachten muss, wie diese Chancen ausgerechnet von denen erfolgreich genutzt werden, die ansonsten eher das Einschränken von Stimmen im Sinn haben – das tut weh.

Nun ist es nicht so, dass Donald Trump der erste Politiker wäre, der Twitter und Facebook geschickt genutzt hat. Schließlich war Barack Obama der erste US-Präsidentschaftskandidat auf Twitter, nach seiner Wahl und während seiner Amtszeit schrieben wir zurecht große Teile seines Erfolgs gerade bei jungen Menschen diesem Umstand zu. Und nun also Trump.

Die Analyse der Rolle von sozialen Medien bei der politischen Bildung und Motivierung wird andauern, denn Betrachtungswinkel gibt es viele. Einer davon wird sein, diejenigen zu beobachten, die uns diese Medien und Werkzeuge zur Verfügung stellen und die wie der Rest der Welt noch nicht ganz sicher zu sein scheinen, was Trump für ihre Branche bedeutet.

Und so tauchen in den Medien nun verstärkt Statements von Tech- und Social-Media-Firmen auf. Der merkwürdig erscheinende Rückzieher von Facebooks Mark Zuckerberg, dem die Ankündigung von Maßnahmen gegen Fake News folgte, war nur der Anfang. Nicht alle sind dabei so gleichermaßen gemäßigt und eindeutig wie Apples Tim Cook, der den multikulturellen Standpunkt seines Unternehmens unterstreicht, seine Mitarbeiter*innen dazu auffordert, sich gegenseitig beizustehen und Dr. Martin Luther King Jr. zitiert: „Wenn du nicht fliegen kannst, dann renne. Wenn du nicht rennen kannst, dann laufe. Wenn du nicht laufen kannst, dann krieche, aber was auch immer du tust, du musst dich vorwärts bewegen.“

Andere klingen pessimistischer und auch deprimierter. „Wir haben nicht genug getan“, stellt Shervin Pishevar von Sherpa Capital fest, die unter anderem in Slack, Airbnb und Uber investieren. „Zu viele Menschen in der Tech-Industrie waren zu selbstzufrieden. Sie haben gewartet und gewartet und gewartet, bevor sie sich bei diesen Wahlen eingemischt haben. Und jetzt haben wir diesen Albtraum.“ Slack-Mitgründer Stewart Butterfield sagt es mit weniger Worten: „I'm heartbroken.“

Noch drastischer spricht und handelt Geoff Lewis, der ebenfalls im Venture-Capital-Business arbeitet. „Ich bin Teil des Problems“, bekennt er in einem Artikel auf Medium und fügt hinzu: „Wenn wir Trump ernst nehmen, könnte es in einem Jahr nicht mehr sicher sein, ein Posting wie dieses zu verfassen.“

Im gleichen Text distanziert sich Lewis von seinem früheren Arbeitgeber, dem deutsch-amerikanischen Milliardär Peter Thiel. Thiel war der erste Facebook-Investor, sitzt heute im Verwaltungsrat des Unternehmens, hat gerüchtweise zehn Millionen Dollar in den Prozess des Wrestling-Stars Hulk Hogan gegen Gawker Media gesteckt, die Kampagne von Trump angeblich mit 1,25 Millionen Dollar unterstützt und tritt nun dem Transition Team von Trump bei. Das war Geoff Lewis dann doch zu viel. Er hat gekündigt. Und will mit der Kampagne #TurnOnReality zum Teil der Lösung werden.

Und das sollten wir auch tun. Denn theoretisch hat noch immer jeder und jede, der oder die etwas zu sagen hat, eine laut zu hörende Stimme. Wir müssen nur davon Gebrauch machen.

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