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Instagram kopiert Snapchat, na und?

von Johnny Haeusler
Instagram führt „Stories“ ein und alle schreien: Snapchat-Klon! Doch unser Kolumnist kann dem umstrittenen neuen Feature der Foto-App viel Gutes abgewinnen. Vorausgesetzt, dass Instagram jetzt keinen Fehler macht.

Nun also auch Stories auf Instagram. Vor wenigen Tagen kündigte die zu Facebook gehörende Foto-Community die Erweiterung ihres Dienstes um hintereinander ablaufende Fotos und Kurzvideos mit einer Gültigkeit von 24 Stunden an. Diese wird nun nach und nach bei allen User integriert Aber wartet mal: „Stories“? 24 Stunden sichtbar? Und dann auch noch mit Kritzel- und Text-Funktion? Also mit Ausnahme der bisher fehlenden Gesichtsfilter eine 1:1 Kopie von Snapchat? Srsly, Instagram?!

Wirklich begeistert war vorerst niemand in meiner Timeline von diesem Nachmacher-Move und auch die sonst üblichen Jubel- und Analyse-Artikel in den Tech-Blogs hielten sich in Grenzen. Doch das dürfte Facebook egal sein. Nachdem Instagrams Mutterkonzern mehrere erfolglose Anläufe unternommen hatte, Snapchat zu kaufen, wollte er wohl zeigen: Dann machen wir's halt selbst. Was ihr könnt, können wir schon lange.

Stories fühlen sich echter an als Tweets, Facebook-Posts oder YouTube-Videos

Ich bin noch immer unsicher, ob ich die Integration der Stories bei Instagram mag, denn für mich war IG nie eine Messaging- oder gar Quasi-Live-App, sondern eine Foto-Community für ambitionierte Amateure. Lustige Bildchen habe ich fast nie bei Instagram veröffentlicht und bin auch anderen nicht gefolgt, die sich auf Memes oder Schnappschüsse konzentriert haben, als wären sie bei Imgur oder 9Gag. Für mich war und ist die Plattform ein Ansporn, an besseren eigenen Fotos zu arbeiten. Your mileage may vary.

Obwohl ich den Snapchat-Nachbau also nicht gerade mit Applaus begrüßt habe, ertappe ich mich inzwischen dennoch mit wachsendem Spaß beim Durch-Tappen von Instagram-Stories, und das hat verschiedene Gründe.

Da ist zum einen die von Snapchat bekannte, gefühlte Persönlichkeit – Intimität gar – von Inhalten, die ohne Likes und Kommentare und mit Verfallsdatum gepostet werden. Snapchat-Stories fühlen sich „dichter dran“ und „echter“ an als ein Tweet, Facebook-Post oder YouTube-Video. Menschen sind gleichermaßen sorgloser und spontaner, wenn sie die von ihnen veröffentlichten Inhalte als temporär empfinden und sie in der Regel nicht öffentlich kommentiert werden. Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Snapchat. Und das Gleiche funktioniert natürlich auch bei der Kopie, den Instagram-Stories.

Während ich mir aber auf Snapchat zunächst eine Community zusammensuchen muss – in erster Linie aus Twitter- und Facebook-Bekanntschaften – ist auf Instagram durch sechs Jahre Nutzung schon vorhanden und unterscheidet sich inhaltlich stark von meinen Filterblasen in anderen sozialen Netzwerken. Denn die paar tausend Menschen, denen ich auf Instagram folge, habe ich – in den meisten Fällen – aufgrund ihrer ästhetischen, nicht verbalen Online-Äußerungen gewählt. Nicht, weil ich sie als Personen kenne, schonmal getroffen habe oder persönlich mag. Sondern weil mir ihre Fotos gefallen.

Ich folge bei Instagram weniger den Personen als der fotografischen Arbeit, die ich wiederum durch App-interne Empfehlungen oder Kommentare und Likes anderer Fotos entdecke. Was gleichzeitig bedeutet, dass diese Menschen in der halben Welt beheimatet sind, während meine Facebook-Bekanntschaften größtenteils aus dem deutschsprachigen Raum stammen. Das ist einer der Gründe für inhaltliche Unterschiede bei (meinen) Snapchat- und Instagram-Stories: Die IG-Absender*innen sind internationaler und weniger textlich fokussiert, sondern visuell.

Aber wie viele mit witzigen Live-Filtern verzerrte Gesichter will man ertragen?

Das führt zu einem weiteren Unterschied zwischen den beiden Story-Streams: Die Instagram-Stories meiner Kontakte sind ambitionierter, was die fotografische Qualität angeht, sie sind erwachsener, weniger albern. Dabei ist Albernheit ja gut und Snapchat kann sich durchaus rühmen, wieder etwas mehr Spaß ist soziale Netz zurückgebracht zu haben. Aber mal ehrlich: Wie viele verzerrte und mit witzigen Live-Filtern veränderte Gesichter will man ertragen?

Man darf vielen Instagram-Nutzer*innen ein größeres – oder sagen wir: anderes – ästhetisches Interesse unterstellen. Und so machen mir die IG-Stories gerade erstaunlich viel – weil eben: anderen – Spaß als die bei Snapchat.

Mag sein, dass das mein sehr individueller Blick auf die beiden Communities ist. Aber ich würde mich freuen, wenn sich die durchaus vorhandene Qualität vieler Instagram-Posts auch in den Stories niederschlägt. Sollte es IG dann noch gelingen, aus der Copycat-Ecke rauszukommen und ein paar ganz eigene Features zu integrieren, dann könnten die lustigen Filter-Snaps bei Snapchat bleiben und bei Instagram eben andere Stories erzählt werden.

Die genaue inhaltliche Ausrichtung dürfte dabei eine wichtigere Rolle spielen, als man vielleicht vermutet. Instagram startete als Foto-Community, nicht als Messenger. Sollte die Integration der Stories nur ein erster inhaltlicher Schritt in Richtung Snapchat-Klon sein, könnte sich ein Teil der Kern-Community von IG abwenden. Alternativen von EyEm bis VSCO gibt es schließlich genug.

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