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Wird der nächste US-Präsident ein Cyborg sein?

von Max Biederbeck
Zoltan Istvan war Autor des kontroversen Science-Fiction-Romans „The Transhumanist Wager“ — jetzt ist er Spitzenkandidat seiner eigenen Partei.

Das passt zusammen: Im Buch trägt ein Philosoph den Transhumanismus in die Welt. Istvan versucht jetzt das gleiche: Der 41-Jährige hat im Oktober die Transhumanistische Partei USA gegründet. Zusammen mit seinen, nach eigenen Angaben, rund 20.000 Anhängern will er mit Technik die Grenzen des Menschseins überschreiten. Unterstützung dafür kommt von Cyborgs, Biohackern und Crypto-Anarchisten. In den vereinigten Staaten fürchten sich religiöse Gruppen vor diesen „Tech-Fanatikern“. Istvan kämpft gegen solche Vorurteile. 2016 will er bei den US-Präsidentschaftswahlen antreten. Mit WIRED Germany sprach er über seine Chancen und über die Macht der Technik.

WIRED: Sie wollen also Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden?
Zoltan Istvan: Ja natürlich will ich den Job. Wir haben als Partei allerdings gerade erst angefangen. Die Chancen zu gewinnen liegen deshalb fast bei Null.

WIRED: Fast...?
Istvan: Vielleicht passiert ja etwas Außergewöhnliches. Ein Ereignis, das völlig aus dem Ruder läuft und uns an die Spitze bringt. Aber klar, so etwas ist unwahrscheinlich. Die wahren Ziele hinter der Kandidatur sind andere. Wir wollen uns schon jetzt für die Wahlen in vier oder acht Jahren gut aufzustellen.

WIRED: Also stattdessen dann eine Präsidentschaft in vier oder acht Jahren?
Istvan: Vielleicht können wir einen Gouverneur stellen, einen Abgeordneten im Kongress, einen Senator oder unsere Ideale in den lokalen politischen Markt tragen. Wir könnten so groß sein wie die grüne Partei in den USA oder wie die Libertarian Party. Ein paar Millionen registrierte Mitglieder und wir würden wirklich etwas verändern.

Wissenschaft und Technik sollen für das Wohl der Menschen verantwortlich sein.

WIRED: Klingt nach einem ehrgeizigen Plan, erklären Sie doch einmal Ihre Version vom Transhumanismus in der Politik.
Istvan: Die Idee der Partei besteht darin, dass Politiker in Amerika sich nicht genug mit existentiellen Themen beschäftigen: Mit Robotern und künstlicher Intelligenz und mit Forschung, die unsere Lebenserwartung verbessert. Es gibt kaum Geld für Technik.  Aber gerade junge und fortschrittliche Menschen wünschen sich das. Ich will, dass jemand wie Hillary Clinton dank unseres Einflusses sagt: „Wow, lass uns mehr in die Forschung zur Verbesserung der Lebenserwartung investieren als in Nuklearwaffen oder Bomben“. Wir geben in den Staaten 20 Prozent des Haushalts für Rüstung aus und nur zwei für Wissenschaft. Das muss sich ändern.

WIRED: Mehr Geld für Forschung und weniger für Verteidigung. Fordert das nicht jeder Liberaler?
Istvan: Zu einem gewissen Grad schon, aber ich möchte utilitaristischer sein. Wissenschaft und Technik soll für das Wohl der Menschen verantwortlich sein. Ich will den Leuten sagen: Technik verändert die Welt, und das geht sehr schnell. Es ist in eurem besten Interesse, euch diesem Fortschritt zu öffnen. 

Ein Roboter-Herz verpflanzen. Alle Volkskrankheiten der Welt in nur zehn Jahren heilen. Das kann funktionieren.

WIRED: Trotzdem schlägt der Transhumanismus-Bewegung vor allem von christlicher Seite in den USA viel Hass entgegen. Acht von zehn Amerikanern glauben, Engel existieren wirklich. Vielleicht wollen die Leute Ihre Ideen einfach nicht?
Istvan: Es ist ein schwieriger Kampf, das gebe ich zu. Wir müssen den Durchschnitts-Bürger davon überzeugen, dass auch extreme Wissenschaft Erfolg haben kann, sobald wir mehr Geld in sie investieren: Ärzte, die ein Roboter-Herz verpflanzen. Die Heilung aller Volkskrankheiten der Welt in nur zehn Jahren. Ich glaube sogar an unbegrenztes Leben. Dann müssen sogar die Konservativsten einsehen, dass sie sich das anzuschauen müssen. Wissenschaft kann die Probleme unserer Gesellschaft lösen. 

WIRED: Außenpolitik, Sozialversicherung, Waffengesetze — All diese Themenfelder sollen so beantwortet werden?
Istvan: Zu diesem Zeitpunkt geht es ja noch gar nicht darum. Ich will den Transhumanismus im Moment so weit weg wie möglich von der klassischen Politik halten. Erst einmal soll die Ideologie im Mainstream ankommen.

Ich muss ein Bindeglied zwischen der Welt der Cyborgs und dem Mainstream sein.

WIRED: Aber der Mainstream findet Leute eher absonderlich, die sich Chips in den Kopf pflanzen wollen.
Istvan: Ich sehe ein, dass viele Leute New-World-Order-Ängste haben, und das ihnen mit Technik verbesserte Menschen Angst machen. Aber wenn sie sich erst einmal öffnen, wie sie sich gegenüber dem Auto oder dem Telefon geöffnet haben, dann werden sie sehen, dass Fortschritt eine bessere Welt schafft.

WIRED: Sie selbst haben keinerlei technische Veränderungen an und in ihrem Körper.
Istvan: Das ist Absicht. Ich bin ein großer Fan von Cyborgs und Biohackern, aber ich muss versuchen, ein Bindeglied zwischen ihrer Welt und dem Mainstream zu bleiben, um unsere Bewegung vertreten zu können. Es geht eben nicht nur um Magnete im Finger oder Chips im Kopf. Ich mache so wie ich bin niemandem Angst — nicht zu verrückt, nicht zu absonderlich.

WIRED: Klingt nicht sehr konsequent.
Istvan: Sie können sicher sein, dass die technische Erweiterung des Körpers schon bald ihren Schrecken verloren hat. Dann werde ich der Erste sein, der sich Implantate beschaffen wird und seinen biologischen gegen einen Roboter-Arm eintauscht. 

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