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Binaural Bits / „Firewall & Iceberg“ ist der einzig wahre Podcast über Serien

von Hendrik Efert
Serien sind das neue Kino. Doch sie fressen so viel mehr Zeit als Filme. Und dann sind da auch noch die ganzen Podcasts, die jede einzelne Episode besprechen. Unser Autor Hendrik Efert hat dafür eigentlich keine Zeit. Nur einen Serien-Podcast hört er regelmäßig: „Firewall & Iceberg“.

Das Leben als Fernsehjunkie und Serienkritiker ist hart: Pro Serie sind oft 13 Stunden Material zu schauen, oder sogar mehr. Filmnerds haben es da einfacher: 90, manchmal 120 Minuten und fertig. Hier und da noch ein Sequel (oder immer öfter Prequel), dann ist das Projekt abgeschlossen. Uns Serienfans wirft man hingegen immer neues Futter in Form von weiteren Staffeln, Spin-Offs oder Crossovers hin. Ein niemals endender Strom telemedialen Inputs.

Und natürlich gibt es auch jede Menge Podcasts, die sich der Besprechung dieser beliebtesten Kunstform des 21. Jahrhunderts widmen: In Serien-Podcast sitzen mehr oder weniger kompetente Gesprächspartner beisammen und bereden einzelne Folgen, Staffeln oder gleich ganze Serien. Oft im wöchentlichen Turnus, zu jeder einzelnen Episode. Wie soll man das auch noch hören können, neben den vielen Stunden Fernsehen, die es zu bewältigen gilt? Ich ignoriere die meisten dieser Podcasts — bis auf einen, für den sich jeder Serienjunkie unbedingt die Zeit nehmen sollte: „Firewall & Iceberg“.

Seit 2010 sprechen die beiden US-Fernsehkritiker Daniel Fienberg und Alan Sepinwall regelmäßig über Fernsehserien. Mich interessiert dabei vor allem Sepinwalls Meinung, er ist für mich einer der besten Fernsehkritiker überhaupt. Das liegt vor allem auch an seinem Background: Anders als die feinen Herren von New York Times, New Yorker oder Variety (von deutschsprachigen Kollegen, die als ehemalige Filmkritiker fernab jeglichen Einblicks in Branche und Materie über Serien schreiben, mal ganz abgesehen) begann Sepinwall schon früh während seines Studiums mit dem Besprechen einzelner Episoden seiner Lieblingsserie „NYPD Blue“ (hierzulande viel zu unterschätzt!).

Die ersten Reviews schrieb er ins dreckige, unwirsche Internet der Neunzigerjahre.

Seine ersten Reviews schrieb Sepinwall ins dreckige und unwirsche Internet der Neunzigerjahre. Er ging kleinteilig vor — besprach jede gesendete Folge, Woche für Woche. Und er war hartnäckig, baute sich über lange Zeit eine solide Leserschaft auf. Sepinwall erfand das, was heute im Netz ganz normal ist: wöchentliche Rezensionen der einzelnen Episoden, statt nach Sichtung des Piloten eine große Kritik zu verfassen, wie es in der klassischen Fernsehkritik üblich war (beziehungsweise immer noch ist). Sepinwall serialisierte die Serienbesprechung, passte die Kritik dem Thema an. Irgendwann wurde seine Heimatzeitung aus New Jersey auf ihn aufmerksam (der „Star Ledger“, den auch Tony Soprano einst jeden Morgen im Bademantel aus der Einfahrt holte). Und seit ein paar Jahren rezensiert er für das Entertainment-Portal Hitfix.com, auf dem auch der „Firewall & Iceberg“-Podcast erscheint.

Alan Sepinwall ist nur deswegen ein Vorbild, weil er die Kritik als solche vom hohen Ross gezogen hat (die Einmalrezension aus der Filmkritik wird den meisten Qualitätsserien einfach nicht gerecht). Sondern auch, weil er so unprätentiös und bescheiden daherkommt. Oder anders gesagt: Dieser Mann ist das beste Beispiel dafür, dass es mehr auf den Inhalt als auf die Verpackung ankommt: Seine ersten Kritiken in den Newsgroups erschienen nahezu layoutfrei, sein Buch „The Revolution was televised“ hat er selbst verlegt — meiner Meinung nach zu den besten Beschreibungen des Goldenen Serienzeitalters.

Nur bei Fienberg und Sepinwall erfuhr ich mehr und bekam Einblick in den Produktionsprozess.

Und der Podcast? Weder Fienberg noch Sepinwall benutzen ordentliche Mikrofone, sie schalten sich hörbar über Skype zusammen, mit den entsprechenden Tonausfällen, keine Schnitte, keine Verpackung, auf den Inhalt kommt es an. Und der stimmt. Sepinwall hat engen Kontakt zur Branche, interviewt ständig Produzenten, Schauspieler, Showrunner (David Chase gab nur Sepinwall direkt nach dem „Sopranos“-Finale ein Interview). Genau das macht den Podcast so einzigartig — ein Beispiel: Anfang April sprach die ganze Serienwelt über David Lynchs Absage an eine Neuauflage von „Twin Peaks“, auch sämtliche Serien-Podcasts. Doch nur bei Fienberg und Sepinwall erfuhr ich mehr und bekam Einblick in den Produktionsprozess (mittlerweile scheint Lynch doch wieder mitmachen zu wollen).

Das heißt nicht, dass nicht auch andere über Serien podcasten dürften. Doch meine Zeit ist knapp — und nur für „Firewall & Iceberg“ nicht zu schade.

In der letzten Folge „Binaural Bits“ erklärte Dörte Fiedler, warum die Sleeping Tapes“ von Jeff Bridges zum Einschlafen eigentlich viel zu schön sind. 

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