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Der E-Sport hat ein Sexismus-Problem

von Lara Keilbart
Es gibt eine einzige Frau in der neuen Overwatch-Liga von Blizzard. Profi-Zockerinnen bleiben die Ausnahme im E-Sport. Verantwortlich dafür ist der Sexismus in der Branche. Ein Kommentar von Lara Keilbart.

Ich bin seit vielen Jahren Games-Journalistin und bin es leid, immer wieder Artikel über Frauen im E-Sport lesen und schreiben zu müssen. Aber solche Texte sind noch immer notwendig. Der digitale Sport ist erfolgreich, doch Frauen profitieren kaum davon. Sie bleiben in der Männerdomäne Gaming weiterhin nicht gleichgestellt. Wer die Geschlechterverteilung, den Sexismus oder die mangelnde Förderung von Frauen kritisiert, den erwartet heftige Kritik aus der Szene. Spätestens seit GamerGate weiß ich, welche hässlichen Ausmaße das annehmen kann. Die Gründe für derartig emotionale Reaktionen liegen in der Entwicklung der allgemeinen Nerd-Kultur. Nur unter Gleichgesinnten fühlt sich der Nerd sicher und selbstbewusst. Damit einhergehend entwickelte sich auch die Jungsclub-Mentalität. Über Jahre hinweg etablierte sich eine männlich geprägte Kultur, „die durch einen antisozialen und technisch versierten Habitus ihren Status bewahrt und vor allem Frauen abschreckt – und auch abschrecken soll“, schreibt Nina Scholz in ihrem Buch Nerds, Geeks und Piraten – Digital Natives in Kultur und Politik.

Die großen Aktionen und Ereignisse um GamerGate und deren mediale Aufarbeitung liegen mehrere Jahre zurück. Während in der allgemeinen Gaming-Industrie Veränderungen spürbar sind, wie etwa deutlich mehr und diversere Frauenfiguren, hat sich im E-Sport wenig bewegt. Dabei könnte gerade der Profi-Sport hier mit gutem Beispiel vorangehen.

Dem E-Sport fehlen die Frauen

Dem E-Sport fehlen die Frauen

von Lara Keilbart

Einzelne Spielerinnen mit großen Erfolgen wie Julia Kiran oder Sasha Hostyn ändern daran leider wenig. Das beste Beispiel dafür ist die neue Overwatch-Liga. 100 neue Spieler verpflichtete der Spieleentwickler Blizzard – darunter keine einzige Frau. Dieser Einzelfall steht stellvertretend für den Zustand der gesamten Branche. Mittlerweile wurde zwar Kim Se-Hyeyon, die beste Overwatch-Spielerin der Welt, nachträglich noch für ein Team nominiert. Das grundlegende Problem löst das allerdings nicht.

Das Einbeziehen einer einzelnen Frau ist ein cleverer Schachzug, um den Eindruck von Diversität und Gleichstellung zu erwecken. Die dabei gewählten Alibi-Figuren sind dabei oft gleichzeitig Personen, die sich bewusst aus der Diskussion zur Geschlechter-Balance raushalten. Das ist verständlich: Ich habe immer wieder erlebt, dass Frauen ihren hart erkämpften Status und die Anerkennung nicht aufs Spiel setzen wollten.

Oft ist es nur ein winziger Bruchteil der Preisgelder von Männern, den Frauen bei Turniererfolgen bekommen.

Ein Argument, das in dieser Debatte oft angebracht wird: Frauen und Männer hätten eben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Und dazu gehöre auch, dass Frauen schlechter beim Zocken sind. Das muss ich in Kommentaren unter Beiträgen und Diskussionen immer wieder lesen und hören. Für diese Annahme gibt es keine Nachweise. Meiner Erfahrung nach liegt dem Problem eine selbsterfüllende Prophezeiung zu Grunde. Um sich zu beweisen, muss eine Frau deutlich höhere Maßstäbe erfüllen. Schafft sie das nicht, wird daraus ein allgemeines Urteil, das auf alle Frauen bezogen wird. Thesen wie „Frauen spielen schlechter“ fördern dadurch die unterschiedliche Wertschätzung, die Profi-Zocker und Zockerinnen erfahren. Das schreckt viele kompetitiv spielende Frauen ab, den Schritt in die Professionalität zu gehen. Und schon heißt es, es gibt so wenige, weil sie es eben nicht drauf haben.

Schaffen Frauen es dennoch, das Vorurteil zu überwinden und sich erfolgreich im Profibereich durchzusetzen, wartet schon die nächste ungleiche Behandlung auf sie: Eine aktuelle Analyse von Experten der Wettplattform Esports Bets, die sich mit anerkannten Seiten wie esportsearnings deckt, zeigt, wie unterschiedlich Frauen und Männer bei gleichem Können verdienen. Oft ist es nur ein winziger Bruchteil der Preisgelder von Männern, den Frauen bei Turniererfolgen bekommen. Hier muss durch stärkeres Marketing der Women-Only-Events die Attraktivität für Sponsoren und Spielerinnen gesteigert werden. Die bessere Sichtbarkeit von Großereignissen im Frauenfußball der letzten Jahre hat vorgemacht, wie es geht.

Außerdem muss die Trennung Geschlechter-spezifischer Events voneinander aufgelöst werden. Frauen, Männer und gemischte Turniere müssen zeitlich und lokal aneinander angedockt werden, um die Durchmischung der Szene zu fördern. Das sorgt für ein besseres Miteinander. In der Verantwortung liegen hier die Betreiber der Ligen, wie etwa Blizzard oder die weltgrößte Turnierorganisation ESL. Sonst werden Frauen stets Einzelkämpferinnen bleiben. Mit der Gründung von Any Key, einer Organisation, die sich für eine faire und inklusive Zukunft von Gaming einsetzen soll, ging die ESL zusammen mit Intel einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung. Und auch in der Nachwuchsförderung geht etwa das amerikanische Team Cloud 9, das auf das gemeinsame Spielen von Männern und Frauen setzt, mit gutem Beispiel voran.

Dazu kommt, dass sich die Community von innen heraus ändern muss – und zwar jetzt. Der E-Sport braucht mehr Männer, die ihre Egos überwinden können. Männer, die Frauen unterstützen, und sie als wertvolles Mitglied der Community begreifen. Nicht als Ärgernis oder hübsches Beiwerk oder als Fake Gamer Girl.

Der E-Sport braucht mehr Männer, die ihre Egos überwinden können.

Es bleibt die Frage, was das Overwatch Liga Team Shanghai Dragons am Ende doch dazu gebracht hat, eine Frau mit in den Kader zu holen. Obwohl Konkurrent Houston Outlaws zuvor die unterschiedlichen Sprachen, die fehlende Team-Harmonie und Geschlechter-gemischtes Wohnen als unüberwindbare Hürden genannt hatte: War es die negative Berichterstattung in den Medien? Das chinesische Team hat einen desaströsen Start hingelegt. War das der Grund? Die Frauen dürfen also erst ran, wenn Männer es versiebt haben?

Solange Frauen sich erst so beweisen müssen, solange sie höhere Hürden überwinden müssen, hat der E-Sport ein Sexismus-Problem. Und Fans. die das nicht wahrhaben wollen, sind Teil des Problems. Nur gemeinsam können wir es lösen.

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