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„Unterschätzt nicht den Appetit fürs Anspruchsvolle“: Der Autor des „Assassin's Creed“-Kinofilms im Interview

von Dominik Schönleben
Videospielverfilmungen haben ein schlechtes Image. Doch Michael Lesslie will das ändern. Er ist Drehbuchautor der „Assassin's Creed“-Adaption und glaubt, dass Hollywood in der Vergangenheit oft eine falsche Herangehensweise an Games hatte. Was Lesslie anders machen will, erzählt er im WIRED-Interview.

Michael Lesslie hat eine klassische Ausbildung in englischer Sprache und Literatur an der University of Oxford genossen. Doch seine Inspiration als Drehbuchautor zieht er nicht nur aus Klassikern wie „Macbeth“ — für ihn gelten Videospiele als gleichberechtigte Quelle, um großartige Geschichten zu erzählen. In seiner Jugend war Lesslie besessen von den Narrativen der Point-and-Klick-Adventures: „Full Throttle“, „Monkey Island“ und „Sam & Max“ inspirierten ihn dazu, seine eigenen Geschichten zu schreiben.

Jetzt arbeitet er an seiner großen Chance einen Videospiel-Klassiker als Film zu verewigen: Die erfolgreiche Reihe „Assassin's Creed“ kommt am 29. Dezember 2016 ins Kino. Und Lesslie ist für das Drehbuch verantwortlich.

Wir haben mit ihm anlässlich seines Besuchs auf der B3 Biennale in Frankfurt darüber gesprochen, wie eine Videospielverfilmung gelingen kann, ohne dass die Fans enttäuscht sind.

WIRED: Was war die größte Herausforderung dabei, „Assassin's Creed“ als Film umzusetzen?
Michael Lesslie: Es ist die gleiche Herausforderung wie bei jeder Literaturverfilmung — man muss nachvollziehbare Charaktere erschaffen, an die sich die Zuschauer erinnern. Das ist nichts, was sich exklusiv auf Kinofilme beschränkt. Das ist die Basis für alles.

WIRED: In Videospielen übernimmt man eine aktive Rolle, wodurch es leichter ist, sich mit den Charakteren zu identifizieren. Muss man in Spielen deswegen weniger auf gutes Storytelling achten?
Lesslie: Das sehe ich nicht so. In der Tat verlangt das Publikum immer anspruchsvollere Erzählstrukturen in ohnehin schon komplexen Spielen. Das Storytelling hat schon immer zum Erfolg eines Spiels beigetragen. Wenn man sich zum Beispiel in der Vergangenheit „Full Throttle“, „Monkey Island“ oder „Day of the Tentacle“ ansieht — oder heute „The Last of Us“ und die „Assassin's Creed“-Reihe: Die Story steht im Zentrum.

WIRED: Nähern sich Filme und Videospiele einander also immer mehr an?
Lesslie: Ich bin nicht die beste Person, um das zu beantworten, weil ich derzeit an keinem Videospiel arbeite — würde das aber liebend gerne tun. Dennoch glaube ich, dass sie sich mehr und mehr angleichen. Während Spiele immer ambitionierter darin werden, Geschichten zu erzählen, versuchen Filme, den Zuschauer immer mehr ins Geschehen eintauchen zu lassen. Für mich sind Filme wie „Gravity“ oder „Mad Max: Fury Road“ ein gutes Beispiel dafür, wie Filme auf simple Weise Empathie im Zuschauer herstellen können. Sie haben so viele Eigenschaften von Spielen — was sie ironischerweise perfekt fürs Kino macht. Spiele und Filme werden also beide immer filmischer.

WIRED: Warum haben Videospielverfilmungen dann so ein schlechtes Image?
Lesslie: Ich glaube, dass es daran liegt, dass sie die Charakterzeichnung opfern, um dem Ausgangsmaterial möglichst ähnlich zu sein. Weil gedacht wird, dass eine starke Ausgestaltung dem zuwiderläuft, wie Fans sich ihre Lieblingscharaktere vorstellen. Außerdem blickt man auf Spieler von oben herab, unterschätzt ihren Appetit für das Anspruchsvolle.

WIRED: Wieso wird das zum Problem?
Lesslie: In einem Film sind es die Charaktere, die dich reinziehen. Dort muss also der Fokus liegen.

WIRED: Wird den „Assassin's Creed“-Fans das gefallen?
Lesslie: Es besteht natürlich die Chance, dass wir sie enttäuschen. Ich hoffe wirklich mehr als alles andere, dass der Film ihnen gefallen wird. Für mich ist er eine getreue Fortsetzung des „Assassin's Creed“-Universums.

WIRED: Geht sowas oft schief, weil Hollywood die falschen Vorstellungen von einer Videospielverfilmung hat?
Lesslie: Ich glaube, das ist teilweise wirklich so. Einige Filme haben versucht, ein Spiel noch einmal zu erzählen — aber die Spieler haben diese Geschichte ja bereits erlebt. Das Universum eines Spiels geht weit über ein einzelnes Game hinaus.

WIRED: Wie muss man es stattdessen machen?
Lesslie: Die Vorstellungen der Spieler können bedient werden, obwohl ein neues Medium andere Genreregeln besitzt. Das zeigt zum Beispiel der Erfolg der „Assassin's Creed“-Bücher. Ein Film kann heutzutage sein eigenes Kunstwerk sein, das im Universum des Spiels verhaftet ist, statt einfach nur eine reine Nacherzählung. Die Ansprüche der Fans sind größer geworden — was befreiend ist.

WIRED: Ist es problematisch für eine Autoren-Karriere, Teil einer Videospielverfilmung zu sein?
Lesslie: Noch besteht die Gefahr in der Filmindustrie stigmatisiert zu werden, wenn man an Videospieladaptionen arbeitet. Aber das ist dabei, sich zu ändern. Ich glaube vor allem, dass „groß“ in der Filmindustrie mittlerweile nicht mehr gleich „anspruchslos“ bedeutet. Die Filme von Peter Jackson und Christopher Nolan etwa werden von den Oscars anerkannt. Es ist eine großartige Zeit, wenn man an einem Lizenztitel arbeitet.

WIRED: Wie intensiv hast du „Assassin's Creed“ zur Vorbereitung gespielt?
Lesslie: Viel — und das ist eine Untertreibung. Ich habe die Enzyklopädie und die Hintergrundgeschichte gelesen. Das nicht zu tun, wäre verrückt, als würde man eine Literaturverfilmung machen, ohne das Buch dazu zu lesen.

WIRED: Warum eignet sich also demnach „Assassin's Creed“ zur Verfilmung?
Lesslie: Für mich steht die Idee im Mittelpunkt der Serie, dass unsere Persönlichkeit und Instinkte von unseren Vorfahren geformt werden. Wir müssen uns dann entscheiden, dieses Vermächtnis entweder fortzusetzen oder es aufzugeben. Das ist ein großartiges und menschliches Thema, egal für welches Medium.

WIRED: Wie überträgt sich das in den Film?
Lesslie: Die Debatte zwischen freiem Willen und Kontrolle ist Teil des Kampfes zwischen den Assassinen und den Templern. Keine Seite ist böse — sie verfolgen nur verschiedene Philosophien darüber, wie man eine chaotische Welt in die richtigen Bahnen leitet. Um das zu erreichen, kompromittieren sie ihre eigene Moral. Ich kann mir keine aufregendere Prämisse vorstellen, die im Zentrum eines Blockbuster-Films steht!

Michael Lesslie spricht am Freitag, 9. Oktober, auf dem Filmfestival B3 Biennale (ab 7. Oktober in Frankfurt) über seine Arbeit als Drehbuchautor und zeigt eine Preview seines aktuellen Films „Macbeth“. 

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