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Dystopie und Philosophie unter Wasser: Intelligentes Gruseln mit dem Horror-Game „SOMA“

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Frictional Games aus Schweden, die Macher des Indie-Hits „Amnesia: The Dark Descent“, melden sich mit ihrem neuesten Werk zurück: „SOMA“ will seine Spieler nicht nur zum Gruseln, sondern mit seinem düsteren Science-Fiction-Szenario auch zum Philosophieren anstacheln. Eine zentrale Frage des Horror-Adventures: Kann der Mensch auch ohne Körper existieren oder ist er dann nicht längst eine Maschine? WIRED hat „SOMA“ getestet und mit Kreativdirektor Thomas Grip über das Spiel gesprochen.

Das Jahr 2103: Wissenschaftlern ist es gelungen, das menschliche Bewusstsein in Maschinen zu transferieren. Scheinbar ein großer Erfolg für die Forschung. Doch das Experiment geht mächtig schief — und Simon Jarrett, Protagonist des für PC und Playstation 4 erhältlichen Horror-Games „SOMA“, bekommt das am eigenen Leib zu spüren.

Sprung zurück ins Jahr 2015: Im Prolog, der nicht unbedingt vor Logik strotzt, aber immerhin spannend gemacht ist, träumt Simon von seinem vorherigen Autounfall. Bis ihn der Anruf seines Arztes aufweckt: Der erinnert Simon daran, vor seinem heute anstehenden Gehirnscan noch ein Mittelchen einzunehmen. Gesagt, getan; nach dem Lösen eines kleinen Rätsels sitzt Simon auch schon auf dem Stuhl seines Neurologen.

Als Simon aufwacht, ist um ihn herum alles dunkel. Er befindet sich tief unter dem Meeresspiegel, in der Forschungsstation PATHOS-2, knapp 90 Jahre in der Zukunft. Es ist finster, und die Blutspritzer an den Wänden wirken alles andere als einladend. Wie und warum ist er dort gelandet? Wo ist die restliche Besatzung? Und vor allem: Wie kann er entkommen? Das gilt es, in den nun folgenden — abhängig vom eigenen Spieltempo — etwa acht bis elf Stunden herauszufinden.

Ist es in Ordnung, eine Maschine zu foltern, die sich für einen Menschen hält?

Wie sich „SOMA“ von seinem Quasi-Vorgänger „Amnesia: The Dark Descent“ unterscheidet, erklärt Thomas Grip, Kreativdirektor des schwedischen Studios Frictional Games, im Interview mit WIRED. „Das Spiel besteht weniger aus dem Art von Schrecken, wie man sie in einem verfluchten Haus erleben würde. Es zielt darauf ab, auf intelligentere Art gruselig zu sein“, sagt der Spieledesigner.

Deshalb muss Simon auch komplett ohne Waffen auskommen. Stattdessen nutzt er Hilfsmittel wie eine Taschenlampe und das Omnitool, mit dem er versperrte Bereiche öffnen kann. „Er ist ein gewöhnlicher Typ“, sagt Grip. „Deswegen kann er den Gefahren, die in der Station lauern, auch nur durch Wegrennen, Verstecken oder Überlistung begegnen.“

Und Gefahren gibt es auf PATHOS-2 zuhauf — in Form von bizarren Robotern, Maschinen und Wesen. Da man diese nicht einfach niederballern kann und manche Feinde besonders geräuschempfindlich reagieren, muss der Spieler lautlos an ihnen vorbeikriechen oder notfalls die Beine in Hand nehmen und sich mit einem beherzten Sprint in Sicherheit bringen. Fängt der Bildschirm an unscharf zu werden und verzerrt das Bild, weiß man als Spieler, dass Gefahr lauert.

Öffnet dann plötzlich eine armlose Roboterkreatur eine Tür (was an sich jeglicher Logik entbehrt), entsteht eine durch Hilflosigkeit ausgelöste Panik, die an „Alien: Isolation“ erinnert. Diese Parallele ist dabei kein Zufall, denn Letzteres zählt neben dem Horror-Schocker „Outlast“ und Genre-Klassikern wie „Silent Hill“ und „Resident Evil“ zu den Lieblingsspielen des Teams von Frictional Games, wie Grip verrät. „SOMA“ bietet ähnlich gelungene Schockeffekte wie das jüngste „Alien“-Videospiel: So kann es mitunter passieren, dass in einem taghellen Gang ohne Vorwarnung das Licht ausgeht oder unheimliche Stimmen aus dem Off zum Spieler sprechen.

Der Fokus von „SOMA“ liegt neben subtilem Grusel auf seiner Handlung, der Science-Fiction-Atmosphäre und den im Spiel vorkommenden Figuren. Audiologs, Notizen und Fotos der Forschungscrew erzählen mit viel Liebe zum Detail, was auf PATHOS-2 vorgefallen ist. Die Erkundung der mysteriösen Station mit ihren Krankenstationen, Mannschaftsquartieren und Laboren wird zwar immer wieder von Rätseln unterbrochen, deren Lösung ist allerdings nicht allzu schwer.

Mal muss man einen Computer hacken, dann wiederum Stromgeneratoren in Gang setzen oder einen Schalter betätigen. Doch der wahre Reiz des Spiels liegt in seiner Erzählweise und seinen existenziellen Grundthemen: Kann ein menschlicher Geist ohne eine physische Hülle existieren? Und wie definiert man überhaupt den Unterschied zwischen Mensch und Maschine?

Schnell macht man Bekanntschaft mit einer anderen Überlebenden, der Forscherin Catherine Chun, die den Spieler fortan bei seinem Trip begleitet. Zunächst kommuniziert Simon nur per Funk mit ihr, dann lernt er sie kennen — und stellt fest, dass sie lediglich als Programm auf einem Computerchip manifestiert ist. Ist sie dennoch ein Mensch oder doch nur eine Maschine?

„Wenn du eine einzige Gehirnzelle mit einem Siliziumchip ersetzt, wirst du dann zum Roboter?“, fragt Grip im Gespräch mit WIRED. „Die meisten würden das verneinen. Aber führe diesen Prozess fort, ersetze ein Prozent des Gehirns durch Chips, dann zwei und so weiter. Schnell wird die Hälfte deines Gehirns aus Silizium bestehen, und irgendwann sogar alles. Bist du an diesem Punkt dann nicht mehr du selbst?“

„SOMA“ ist für ein Computerspiel überraschend philosophisch. Zum Beispiel dann, wenn man zu einem frühen Zeitpunkt im Spiel entscheiden muss, ob es in Ordnung ist eine Maschine zu foltern, die sich selbst für menschlich hält. „Wir möchten den Spieler Situationen aussetzen, in denen er sich fragen muss, ob Roboter wirklich Schmerzen empfinden können“, erklärt Grip.

In solchen Momenten des Spiels scheinen dann auch die Einflüsse der Macher durch. „Die wichtigsten waren Bücher von Autoren wie Philip K. Dick, Greg Egan, Peter Watts und China Miéville“, sagt Grip. „Wenn du irgendetwas von ihnen liest, bekommst du eine ziemlich gute Vorstellung von dem, was dich in unserem Spiel erwartet.“

Obwohl „SOMA“ spielerisch kaum neue Akzente setzt und gelegentlich ein wenig pseudointellektuell wirkt, ist es ein höchst interessantes Horror-Adventure mit einer tiefgehenden, bisher in dieser Form noch kaum behandelten Thematik und einer großartigen Atmosphäre.

Diese verdankt das Spiel nicht zuletzt seiner aufwändigen Soundkulisse und dem brillanten Artdesign. Besonders die Abschnitte, in denen man die Innenräume der Forschungsstation verlässt und beim Erkunden der Außenanlagen über den von bizarren Seemonstern bevölkerten Meeresgrund wandert, sind denkwürdig inszeniert.

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Thomas Grip ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Zukunft der Horrorspiele nicht in tumben Gewaltexzessen liegt. „Videospiele schaffen es noch nicht, die Gefühle von Filmen wie ‚Der Exorzist‘, ‚Rosemaries Baby‘ oder ‚Hard Candy‘ zu vermitteln. Diese Art persönlicherer Horrorfilme, in denen die Bedrohung eher von innen kommt. Es gibt viele Spiele, die Hinweise darauf enthalten, dass man sich in dieses Gebiet hervorwagt. Aber noch hat es kein Titel geschafft, das wirklich hinzubekommen. Ich denke aber, dass das nur eine Frage der Zeit ist.“

„SOMA“ ist für PC via Steam, GOG.com und Humble Store sowie für Playstation 4 via PSN Store ab 25 Euro erhältlich. 

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