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transmediale / In „Civilization VI“ erforscht man nicht das Rad, sondern die NSA

von Max Biederbeck
Wie soll man einen Krieg darstellen, der nur in der digitalen Welt existiert? In dem es keine Gewehre gibt, keine Raketen und keine Panzer. Die Entwickler des serbischen Künstlerkollektivs Eastwood stellen auf der transmediale in Berlin ihre Lösung vor: einen gekonnten Klon des Kultspiels „Civilization“.

Für Vladan Joler tobt der Cyberkrieg in weißen Pixeln. Hin und wieder fliegt eine kleine Predator-Drohne über das Schlachtfeld aus Servern und Kabeln. Ein Screen in der Ecke zeigt einige Cyberwaffen, die gerade in der Entwicklung sind: ein Trojaner, neue Hacker-Einheiten, ausgefeilte Malware. „Es fällt Leuten schwer, sich etwas unter digitaler Kriegsführung vorzustellen“, sagt der serbische Programmierer. Er hat zusammen mit seinem Kollegen Kristian Lukić einen Versuch gewagt, das zu ändern. Die beiden haben aus dem Cyberwar ein Computerspiel gemacht. Ein Spiel, in dessen Hintergrund stetig die 8-Bit-Version des Megadeth-Songs „Symphony of Destruction“ dudelt.

Denn so funktioniert „Civilization VI: Age of Warcraft“: im Atari-Style, in Pixel-Ästhetik, sich selbst nicht ganz ernstnehmend. Und ja, das Game verwirrt: Eigentlich ist „Civilization“ (mittlerweile) ein grafisch aufwendiges Triple-A-Game. Der Spieler entwickelt darin zuerst Speere und Räder, dann erobert, handelt und kultiviert er sich durch die Weltgeschichte, bis er sogar Raumschiffe bauen kann, um neue Welten zu besiedeln. Der Cyberkrieg spielte bei „Civ“ bisher nie eine prominente Rolle. Deswegen nutzt das 8-Bit-Game „Civilization VI“ nur die Spielmechaniken des Originals, ist sozusagen ein Klon. Dahinter verbirgt sich aber ein aufwendiges Kunstprojekt.

„Die Civilization-Engine ist sehr gut geeignet, um komplexe gesellschaftliche Entwicklungen darzustellen“, sagt Lukić. Durch den Schritt für Schritt ablaufenden Aufbau des Games lassen sich etwa Organisationen wie die NSA einfach erklären, indem sie in ihre Einzelteile zerlegt werden. Der Spieler erschließt und erforscht sie nach und nach. Außerdem sei „Civ VI“ hoch kompetitiv. „Das Game trainiert den Spielern an, im Wettbewerb zu denken. Das sehen wir auch immer wieder in der echten Welt“, sagt Vladan Joler.

Unter dem Namen Eastwood kopieren die beiden Künstler das „Civ“-Spieleprinzip schon seit 2003. „Age of Warcraft“ ist der mittlerweile dritte Teil ihrer Serie. Gerade erst fertiggestellt, präsentieren sie ihn nun auf der transmediale in Berlin. Schon bald soll er zum Download bereitstehen. Im ersten Teil der Serie mussten die Spieler noch ein IT-Unternehmen gründen — mitten im Techboom am Anfang der Nuller-Jahre.  Im zweiten ging es 2008 dann um das Verwalten eines Social Networks.

In „Civilization VI“ startet man mit einer eigenen Geheim-Organisation und sucht sich dafür zunächst ein Vorbild aus: Hackergruppen, staatliche Geheimdienste oder auch Sicherheitsfirmen stehen zur Auswahl. Von der NSA über das italienische Hacking Team bis hin zur chinesischen Unit 61398 . Dann geht es los mit dem Cyberkrieg.

Als erstes werden Server-„Städte“ gebaut, um anschließend einzelne Angriffsmethoden zu erforschen. Whistleblower und Whitehat-Hacker müssen angegriffen und die Kontrolle über das Spielfeld erlangt werden. Stück für Stück erfüllt der Spieler die Allmachtsfantasien des eigenen Geheimdienstes. „Wir erleben digitalen Krieg als etwas sehr abstraktes, aber eigentlich funktioniert er über physische Dinge wie Server, Kabel und Computer, die man infizieren muss“, erklärt Joler. In seinem Spiel gehe es darum, die wachsende Kontrollsucht aufzuzeigen, die damit einhergeht, indem der Spieler in die Position einer geheimen Organisation versetzt wird.

Eine Simulation ist das Spiel aber nicht, „Civ VI“ soll nicht die Cyber-Agenten von morgen heranzüchten. Das Game gibt aber einen Eindruck davon, dass der Krieg im Digitalen mittlerweile kein Spiel mehr ist und auch haptische Auswirkungen hat.

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WIRED Germany ist Medienpartner der diesjährigen transmediale und berichtet direkt vom Festival. Wir stellen die wichtigsten Künstler vor — zum Beispiel eine, die ohne soziale Netzwerke nicht existieren würde — und fragen uns: Wo ist die Technik-Euphorie hin? Außerdem haben wir den NSA-Whistleblower Thomas Drake und die Snowden-Anwältin Jesselyn Radack interviewt und mit den Gründern des Tech-Utopisten-Klosters unMonastery gesprochen. 

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