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Chelsea Manning ist frei – kein Grund uns zurückzulehnen

von Johnny Haeusler
Chelsea Manning kommt aus dem Gefängnis frei. Ein Grund zur Freude, kommentiert Johnny Haeusler. Aber auch eine Mahnung, die Diskussion über Staatsgeheimnisse und Whistleblowing entschlossen weiterzuführen. 

Es war eine der letzten Amtshandlungen Barack Obamas: Die Begnadigung beziehungsweise der Teilerlass der Strafe von Chelsea Manning, die am 17. Mai 2017 nach siebenjähriger Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen wurde. Manning, die Informationen an WikiLeaks weitergab, saß damit die längste Strafe ab, die eine in den USA als Whistleblower verurteilte Person jemals verbüßen musste.

Neben der Freilassung gibt es noch weitere gute Nachrichten für Manning: Sie bleibt Mitglied der US-Armee und hat damit Anspruch auf Kranken- und Sozialversicherung. Ihre geplante Geschlechtsanpassung ist nicht nur finanziert, sondern wurde auch bewilligt (Manning war zuvor unter dem Namen Bradley Manning bekannt, nach ihrer Verurteilung im August 2013 verkündete sie, sich seit ihrer Kindheit als Frau zu fühlen). „Zum ersten Mal kann ich mir eine Zukunft als Chelsea Manning vorstellen“, sagt sie nun. „Ich kann mir vorstellen, als die Person zu überleben und zu leben, die ich bin. Ich kann endlich draußen sein.“

Manning hat uns die Augen geöffnet. Es gibt noch lange keinen Grund, sie wieder zu schließen

Welch eine Erleichterung für die Frau, die in den letzten Jahren dazu gezwungen wurde, ihre Strafe in einem Männergefängnis zu verbüßen, wo sie der Druck und die Torturen zu zwei Suizidversuchen trieben. Doch nicht nur das Leid von Manning in Bezug auf ihre Inhaftierung beschäftigt uns. Gerade weil sie die ihr vorgeworfenen Taten teilweise gestanden hat, muss der generelle Umgang mit Geheimnisverräterinnen und -verrätern unbedingt weiter in der Diskussion bleiben. Auch weil etwa Edward Snowden sich noch immer nicht frei bewegen kann.

Snowden und Manning gehören zu jenen Menschen, die unsere Debatten um Staatsgeheimnisse und deren Verrat so stark geprägt haben wie niemand anderes. Jeder noch so staats- oder militärtreue Mensch muss dabei erkennen: Die Dokumente und Fakten, die die beiden (und andere) unter Aufs-Spiel-Setzung ihres Wohlergehens und ihrer Freiheit an die Öffentlichkeit gebracht haben, waren und sind noch immer enorm wichtig für uns alle. Die Whistleblower haben der Welt einen unermesslichen Dienst erwiesen.

Snowdens Veröffentlichungen rund um die NSA-Skandale haben uns das ungeahnte Ausmaß der anlasslosen Massenüberwachung gezeigt. Die von WikiLeaks unter dem Titel Collateral Murder veröffentlichten Videoaufnahmen, die Manning dem Portal zugespielt hatte, entfachten eine nötige Diskussion um Kriegsverbrechen neu und zeigten der Welt die Hässlichkeit des Krieges, den wir sonst fast nur noch in Form von verwackelten TV-Bilder oder Schlagzeilen wahrnehmen. 

Manning hat uns die Augen geöffnet. Und so schön und richtig es ist, dass sie endlich frei ist: Es gibt leider noch lange keinen Grund, sie wieder zu schließen.

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