Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

„Chappie ist ein Kommentar auf die Fehler der Menschheit“ — Regisseur Neill Blomkamp im Interview

von Dominik Schönleben
Am 5. März kommt die Roboter-Dystopie „Chappie“ in die Kinos. WIRED Germany hat Regisseur Neill Blomkamp in Berlin getroffen und mit ihm über seinen neuen Film gesprochen, über die Zukunft der künstlichen Intelligenz — und über seine anstehende Fortsetzung der „Alien“-Reihe.

Regisseur Neill Blomkamp liebt es, die Abgründe der Zukunft zu zeigen. Sein gefeierter Film „District 9“ handelt von der neuen Apartheid gegenüber einer auf der Erde gestrandeten Alien-Rasse in Johannesburg. In seinem — etwas weniger gefeierten — Actionstreifen „Elysium“ findet sich die Menschheit in einer auseinandergedrifteten Zweiklassengesellschaft von Arm und Reich wieder. Die Erde wird darin zum Ghetto für die Armen, einige wenige Reiche verbringen ihr Leben auf der blitzsauberen Raumstation Elysium.

Am 5. März kommt die nächste Blomkamp-Produktion in die Kinos: In „Chappie“ setzt eine nehezu autokratisch wirkende Gesellschaft ein Heer von Polizeirobotern ein, um seine Bürger zu unterdrücken. Ihr Erfinder entwendet eine defekten Roboter und programmiert ihn um — doch er gerät in den Besitz von Kriminellen, die ihre eigene Agena verfolgen. Chappie wird daraufhin die erste Maschine mit Selbstbewusstsein und Gefühlen.

 

 

WIRED: In deinem neuen Film treten die Musiker von Die Antwoord als Widerstandskämpfer auf. Schräge Typen für einen schrägen Film?
Neill Blomkamp: Sagen wir so, die beiden machen schon ihr ganzes Leben lang ihr eigenes Ding. Die Bildsprache, die Kostüme, das entscheiden sie ganz alleine und sie haben noch nie für irgendjemanden gearbeitet. Sie sind anti-Establishment und sehr anti-„Mach, was andere sagen“.

WIRED: Das hört sich nach furchtbarem Stress an. Haben die beiden überhaupt die Rollen gespielt, die für sie geschrieben wurden?
Blomkamp: So war das nicht gemeint. Die Zusammenarbeit war klasse. Wir mussten nur einen Weg finden, miteinander zu kommunizieren.

WIRED: Zum Beispiel?
Blomkamp: Es gibt im Film dieses Versteck der Widerstandsgruppe. Das ganze Set hat Ninja (Sänger von Die Antwoord, Anm. d. Red.) selbst bemalt. Erklär mal einem Art Department, das schon rund 15 Filme gestaltet hat, dass der Schauspieler das Set plötzlich selbst designen will. Die Mitarbeiter dort verstehen überhaupt nicht, wie sowas sein kann. Und das meine ich, wenn ich sage: Mit Die Antwoord zu arbeiten war alles, nur nicht normal.

WIRED: Bleibt die Frage nach dem schrägen Film. Dafür bist du bekannt, du bildest die soziopolitischen Probleme unserer Zukunft durch Science-Fiction-Aliens und Kampfanzüge ab.
Blomkamp: Den Ruf habe ich, aber so läuft das bei mir gar nicht. Ich sehe mich selbst als Künstler, nicht wirklich als Filmemacher. Ich mache einfach meine Kunst, rationalisiere nicht und denke auch nicht im Voraus darüber nach, welches Problem ich diesmal bereden möchte.

Der Film handelt nicht von der Frage nach künstlicher Intelligenz.

WIRED: Aber „Chappie“ spielt doch sehr wohl in so einem gesellschaftlichen Kontext: eine Regierung, die Technik ausnutzt, um die Gesellschaft zu unterdrücken. Und ein Roboter, der sein Selbstbewusstsein findet, sogar Angst vor dem Tod hat.
Blomkamp: Ja, es ist tatsächlich ein Film herausgekommen, bei dem es um Selbstbewusstsein geht. Chappie macht zum Beispiel Kunst, denn die Fähigkeit zu Kreativität ist ein Beweis für wahre Intelligenz. Aber die Geschichte setzt sich eigentlich nicht mit der komplizierten Frage nach künstlicher Intelligenz auseinander.

WIRED: In deinem Roboter-Film geht es also nicht um schlaue Roboter?
Blomkamp: Im Grunde nicht, es geht um uns Menschen. „Chappie“ ist ein Kommentar auf die Fehler der Menschheit bzw. auf die Frage, warum Menschen gleichzeitig immer gut und auch böse sind.

WIRED: Was ist deine Antwort?
Blomkamp: Die liegt in der Biologie. Der Mensch gerät nicht wegen seines rational denkenden Gehirns in Konflikte. Sondern weil er sich triebhaft verhält und von seinen Hormonen gesteuert wird. Das ist bei Chappie nicht so. Ihm fehlen das Fleisch und damit die Fehler des Menschseins. So gesehen verkörpert der Roboter nur das Gute in uns.

Ich glaube nicht, dass Roboter tatsächlich Bewusstsein entwickeln werden.

WIRED: Hältst du das denn für realistisch?
Blomkamp: Nein, der Film ist eine Parabel. Ich glaube nicht, dass Roboter tatsächlich Bewusstsein entwickeln werden. Und selbst wenn, dann sieht das anders aus als in meinem Film.

WIRED: Wie denn?
Blomkamp: Wenn etwas ein Bewusstsein erlangen kann, dann ist es ein Programm. Es würde sich selbst auf möglichst vielen Plattformen ausbreiten, sich so oft, wie es geht, kopieren und umprogrammieren, um intelligenter zu werden. Es würde sich Gedanken darüber machen, wie es sich selbst mit Strom versorgen kann. Erst dann würde es wahrscheinlich darüber nachdenken, ob es einen physischen Körper braucht oder nicht. Und darüber, ob die Menschen von der Erde getilgt werden sollten oder nicht.

WIRED: Ich glaube nicht, dass sich die Produzenten von Sci-Fi-Transformer-Materialschlachten so viele Gedanken über unsere Zukunft machen.
Blomkamp: Science Fiction wird meistens nur noch in einer einzigen Variante des Genres dargestellt. Explosionen, einstürzende Wolkenkratzer and shit like that. Aber diese Art des Films war nicht immer so. Sie kann über wesentlich tiefere Probleme sprechen. Ich weiß nicht, ob ich das selbst schaffe, aber es ist mein Ziel, solche Filme zu machen.

WIRED: Indem du eine tiefere Komponente hineinbringst?
Blomkamp: Ja, aber ich bin ja nicht der einzige, der das je getan hat. Es ist tief im Genre verwurzelt. Schau dir die ersten beiden „Alien“-Filme an. Erst diese Idee des freudschen Terrors im ersten Teil und dann die traumatische Vietnam-Analogie im zweiten.

Es ist nicht mein Job, politischen oder sozialen Mehrwert in die ‚Alien‘-Serie einzuführen.

WIRED: Vietnam bei „Aliens“?
Blomkamp: Natürlich! Die technisch hochgerüsteten Menschen verlieren gegen einen wesentlich weniger entwickelten Feind. Genau wie die Amerikaner gegen den Vietcong.

WIRED: Klingt, als wäre das genau dein Ding. Du wirst ja den nächsten „Alien“-Film machen.
Blomkamp: Ich will, dass er sich so anfühlt wie die ersten beiden Teile der Saga, und bevor du fragst: Nein, es ist nicht mein Job, politischen oder sozialen Mehrwert in die Serie einzuführen. Das Ganze muss sich wie aus einem Guss anfühlen. Wenn die Fans der alten Teile sich zu Hause fühlen, dann habe ich meinen Job richtig gemacht. Die originale DNA der Reihe muss unbedingt erhalten bleiben. 

GQ Empfiehlt