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Der Wahl-O-Mat ist nicht der Einzige: WIRED testet die Alternativen

von Cindy Michel
Der Wahl-O-Mat ist zurück. Die letzten Wochen vor der Bundestagswahl kann man nun wieder nutzen, um herauszufinden, welche Partei am besten zu einem passt. Der Klassiker unter den digitalen Entscheidungshilfen ist längst nicht mehr allein. WIRED gibt einen Überblick und hat die Alternativen durchgespielt.

Alle vier Jahre wird die eine Frage wichtig: „Welche Partei passt am besten zu mir?“ Vor allem junge Wähler haben oft das Problem, dass sie sich im deutschen Parteien-Dschungel verloren fühlen. Sie müssten sich theoretisch erst durch einen Wust an Informationen lesen, um guten Gewissens am 24. September ihr Kreuzchen setzen zu können. Aber bei Wahlprogrammen von teilweise epischen Längen – die Grünen warten mit 248 Seiten auf, die SPD mit 113 und die Union immerhin noch mit 75 – ist das eine Herausforderung, die die meisten scheuen.

Das wurde vor 15 Jahren auch der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)klar, die damals dann auf die Idee kam, den Wahl-O-Mat zu entwickeln. Eine Art Quiz, das dem User Frage für Frage politische Thesen vorlegt. Wer diese zustimmend, ablehnend oder neutral beantwortet, bildet sich dabei eine eigene Meinung, und am Ende kann das Tool die Überzeugungen des Users mit den Positionen der unterschiedlichen Parteien vergleichen.  

Doch der Wahl-O-Mat ist längst nicht mehr das einzige Tool, das einem spielerisch und unkompliziert Informationen zur Bundestagswahl und den Parteien vermitteln soll. Täglich tauchen neue auf den Social-Media-Plattformen auf. Die Idee ist immer die gleiche (Wissensvermittlung über deutsche Politik), die Konzepte sind ähnlich, nur in Design, Fokus und der Art der Entscheidungsfindung unterscheiden sie sich. Wir haben uns die gängigsten herausgesucht und für euch getestet.

Wahl-O-Mat

Das Original unter den Entscheidungshilfen. Kein anderes Frage-Antwort-Tool dieser Art scheint populärer als der Klassiker: Kurz nachdem die bpb den Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2017 gelauncht hatte, wusste die Autorin dieses Textes von mindestens zehn ihrer Facebook-Freunde, welche Parteien laut dem Quiz am besten zu ihren Meinungen und Einstellungen passen würden: Screenshots und geteilte Ergebnisse in der Timeline belegten das. Klar, dass dem Original-Wahl-O-Mat die Ehre des ersten Tests zufällt:

Die gelbgraue Farbwahl der Webseite erinnert zwar im ersten Moment an die Deutsche Post, doch das saubere Design und übersichtliche Layout lassen den Wahl-O-Mat seriös und übersichtlich erscheinen. Ähnlich verhält es sich mit den 38 Thesen, die es mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“ oder „neutral“ zu beantworten gilt, bevor das Tool ein Ergebnis ausspuckt. Denn diese sind klar formuliert, allgemein gehalten und leicht verständlich. So will der Wahl-O-Mat etwa wissen, wie man zu der Aussage „Dieselkraftstoff für Pkw soll höher besteuert werden“, steht; ob man glaube, dass die Bundeswehr bei der Terrorismusbekämpfung im Inland eingesetzt werden sollte oder ob Betreiber von Internetseiten gesetzlich dazu verpflichtet sein sollten, Falschinformationen („Fake News“) zu löschen, auf die sie hingewiesen wurden.

Seit 2002 stellt die Bundeszentrale für politische Bildung das Tool zur Verfügung. Dafür erarbeiten Teams aus Experten und Jungwählern anhand der verschiedenen Parteiprogramme eine Liste aus Thesen. Die Liste wird den Parteien zum Beantworten vorgelegt. Anschließend wird sie auf 38 Thesen reduziert, die die wichtigsten Themen der Wahl aufgreifen und ein möglichst breites thematisches Spektrum abdecken. 

Nach etwa drei Minuten ist die Testerin mit den Fragen durch, wird auf eine Unterseite weitergeleitet, auf der sie noch einmal den gesamten Überblick über die Thesen hat. Die, die persönlich besonders wichtig erscheinen, kann man markieren, sie zählen doppelt in der Auswertung. Das Ergebnis ist wenig überraschend und problemlos nachvollziehbar. Allgemeine Infos zur Bundestagswahl bietet die bpb ebenfalls in dem Artikel Fragen und Antworten zur Bundestagswahl 2017.

Fazit: Der Wahl-O-Mat ist einfach und klar struktuiert, die Thesen deutlich und leicht verständlich. Dass die bpb dahinter steckt, gibt dem Quiz Seriosität. Die Testerin fühlte sich gut aufgehoben.

DeinWAL.de
Ein Bekannter hatte der Testerin bereits vor einiger Zeit DeinWAL.de empfohlen, als „interessante Alternative zum Wahl-O-Mat“. Mit dem Tool könne man die Abstimmungen im Bundestag der letzten Legislaturperiode nachspielen, als ob man dabei gewesen wäre, hatte er geschrieben. Bevor sie den Titel in die Adresszeile des Browser eintippt, checkt sie zweimal, ob der Name des Entscheidungshelfer-Tools tatsächlich DeinWAL lautet. Wal. Warum eigentlich Wal? Ein Blick auf die FAQ-Sektion bei DeinWAL.de gibt Aufschluss: „WahlWal.de war leider schon vergeben und WahlWachtel.de war irgendwie noch bescheuerter“, schreiben die Macher. Ein klassischer Fall von: Wer komische Fragen stellt, bekommt komische Antworten – die Testerin findet es gut, ist versöhnt, dass hier nicht lang und breit ein Wortwitz erklärt wird, bei dem am Ende eh jede Pointe fehlt.

Der Wal ähnelt dem Wahl-O-Mat. Nicht verwunderlich, ist den Entwicklern die Idee dazu doch während des Durchspielens des Klassikers gekommen. Der Unterschied aber liegt in der Perspektive, denn der Wal blickt zurück: auf Gesetzesentwürfe und Anträge der vergangenen Legislaturperiode und nicht wie andere Tools auf Wahlprogramme für die kommende. 

Aus mehr als 200 realen Abstimmungen haben die Macher 42 Fragen ausgewählt und in 12 Themengebiete (Familie, Arbeit, Gesundheit und Verbraucherschutz, Gesellschaft, Gentechnik in der Landwirtschaft, Bildung, Bundeswehr, Freihandelsabkommen, Energie I, Energie II, Finanzen und Inneres) unterteilt.

Die Idee an sich findet die WIRED-Testerin im ersten Moment gut, so kann man sich statt an Wahlversprechen, die womöglich gleich wieder gebrochen werden, an Fakten orientieren. Blanke Zahlen und reale Entscheidungen im Bundestag sind hier Grundlage des Evaluierungssystems. Aber genau da liegt auch das größte Problem des Wals: Die Fragen gehen stark ins Detail, erfordern Hintergrundwissen über den jeweiligen Gesetzesentwurf. So will der WAL etwa wissen: „Sollte Griechenland ein Kreditpaket mit vielen Auflagen im Umfang von 86 Milliarden Euro gewährt werden?“ Ah ja.

Warum bitte genau diese Summe, in dieser Höhe? Nachschauen kann man bei „Weiteren Informationen“, die es zu jeder Frage gibt. An sich ist das großartig – vor allem für die User, die viel Zeit haben und sehr detailliertes Wissen wünschen. Hat und will die Testerin gerade nicht, also geht der Klick an „Enthalten“. Später wird sich herausstellen, dass das nicht die einzige Frage bleiben wird, deren Antwort sie schuldig bleibt. 

Fazit: Die Detailtreue und Konkretheit der Fragen machen das Quiz kompliziert und zeitintensiv. Ein weiteres Manko liegt ebenfalls in der Natur der Konzepts, denn in der Auswertung können nur Parteien vorkommen, die auch tatsächlich schon im Bundestag vertreten sind und an einer Abstimmungen teilgenommen haben.

WahlSwiper
Swipen kennen die meisten bisher vor allem von Tinder, bei dem es um potenzielle Dates geht. Beim WahlSwiper wischt man sich hingegen durch Schwerpunktthemen der verschiedenen Parteiprogramme. Denn das Berliner Startup Movact hat das Tinder-Prinzip auf das Wahl-O-Mat-Konzept übertragen und den WahlSwiper entwickelt. Okay, statt Love-Match lockt nun also das perfekte Parteien-Match. Irgendwie seltsam. Kann man das Prinzip Love-Interest auf Politik übertragen? Spoiler: Kann man, sehr gut sogar.

Während der Wahl-O-Mat in seiner einfachen Aufmachung und Farbgestaltung eher etwas altbacken, aber dafür seriös erscheint, wirkt der WahlSwiper vor allem hip und modern, erinnert viel mehr an ein Spiel und lässt einen das pädagogische Prinzip dahinter schnell vergessen. Das ist aber nicht schlimm, ganz im Gegenteil, das politische Swipen macht Spaß.

30 Fragen muss man mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten, um mit dem WahlSwiper sein politisches „Top Match“ –  und damit die Partei mit der höchsten Übereinstimmung zu den eigenen Antworten – zu finden. Wem die Swipe- oder Wischfunktion zu unangenehm oder zu schnell ist, der klickt einfach auf „Ja“ oder „Nein“ am unteren Bildschirmrand, geht genauso. Die Testerin wechselt zwischen den beiden Funktionen hin und her, bevorzugt aber das Swipen.  

Die Fragen decken Schwerpunkte der verschiedenen Parteiprogramme ab, kommen aus den Themenbereichen wie Gesundheit, Migration, Außenpolitik und Verkehr: „Soll Edward Snowden politisches Asyl gewährt werden? Soll es eine gemeinsame Armee der EU-Staaten geben? Soll es die Möglichkeit geben, neben der deutschen Staatsangehörigkeit eine weitere zu besitzen? Soll auf deutschen Autobahnen ein Tempolimit eingeführt werden? Soll Cannabis kontrolliert freigegeben werden?“ Wenn man sich nicht festlegen möchte, klickt man einfach auf „Frage überspringen“.

Statt ellenlanger Erklärtexte wie etwa bei dem Wal gibt es bei dem Wahl-O-Mat für die Tinder-Generation Infos zu den einzelnen Fragen in einem kurzen Video. Einfache Animationen und Grafiken erläutern den Status-Quo oder den Hintergrund zu den Fragen. Die Clips sind gut gemacht, schaffen es in etwa einer Minute, die wichtigsten Punkte zu erläutern. Das etwa 30-sekündige YouTube-Video zu der Frage „Soll ein bedingungsloses Grundeinkommen als Ersatz für andere Sozialleistungen eingeführt werden?“ erklärt nüchtern und ganz ohne Wertung, was ein bedingungsloses Grundeinkommen ist. Sehr schön. Auch in dieser App kann man die Parteien auswählen, mit denen man sein Ergebnis zum Schluss vergleichen möchte.  

Fazit: Spielerisch lernen – die Videos zu den einzelnen Fragen sowie die Aufmachung überzeugen. Favorit der Testerin.

Wahl-O-Maten für verschiedene Interessensgruppen
Neben den Tools, die versuchen, möglichst viele Themengebiete aus den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien in den Fragen und Thesen abzudecken, gibt es auch noch jene, die ihren Fokus auf einen bestimmten Aspekt darin legen. Wie etwa der Digital-O-Mat. Dieser will herausfinden, was die jeweiligen Positionen der Parteien zu wichtigen digitalen Themen sind und zeigt dem User – basierend auf dem Wahl-O-Maten-Prinzip – anschließend mit welcher Partei die Übereinstimmung wie groß ist.

Für Landwirte sollte der Agrar-O-Mat interessant sein. Mit diesem kann man herausfinden, welche Partei eine ähnliche Meinung wie man selbst zu aktuellen agrarpolitischen Themen – von Glyphosat-Einsatz bis zur Dokumentationspflicht in der Landwirtschaft – hat. Der Sozial-O-Mat der Diakonie Deutschland beschäftigt sich mit den sozialen Themen der Bundestagswahl 2017.  Anhand von zwölf Thesen zu den Themen Familie, Flucht, Pflege und Armut kann man die eigene Position mit denen der Parteien vergleichen. Wem es um Europapolitik geht, der kann mit dem europapolitischem Wahlkompass herausfinden, wie die einzelnen Parteien zur EU stehen und welche einem europapolitisch am nächsten ist. 

Fazit: Eine interessante Alternative für all jene, die Infos zu bestimmten Themengebieten suchen. 

Digital-Thesen-Check von D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt 
Der digitale Thesen Check von D64 ist kein Quiz, sondern ein Überblick darüber, welche Rolle Digitalisierung bei den Parteien in der kommenden Legislaturperiode spielen wird und welche Entwicklungen wir im Bereich Digitalpolitik in den kommenden Jahren erwarten können. Dafür hat das Zentrum für digitalen Fortschritt Anfang Juli 41 Wahlprüfsteine – vom Staatstrojaner über die elektronische Patientenakte bis hin zu Open Data – an alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien (CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen), sowie FDP und AfD versendet.

Die Positionen zu den Thesen sowie die ausführlicheren Antworten, die das Zentrum von allen Parteien mit Ausnahme der AfD erhalten habe, werden in dem Digital-Thesen-Check präsentiert. 

Fazit: Wer keine Lust auf ein Quiz hat und einfach nur daran interessiert ist, wie die verschiedenen Parteien zur Digitalisierung stehen, der sollte sich den Digital-Thesen-Check anschauen.

Musik-O-Mat
Und irgendwann nach dem dritten Entscheidungshilfe-Tool sind es immer wieder die gleichen Fragen, teilweise sogar ähnlich bis gleich formuliert, die man vorgelegt bekommt. Da kommt der Musik-O-Mat gerade recht. Denn der Streaming-Dienst-Deezer hat das nicht ganz ernst gemeinte Welche-Partei-solltest-du-basierend-auf-deinem-Musikgeschmak-wählen-Quiz entwickelt. Die Parteien sollten neun Fragen wie etwa „Von welchem Song bekommst du einen Ohrwurm?“ oder „Welches Lied beschreibt dich am besten?“ mit Songtiteln beantworten. Aus diesen Antworten im Multiple-Choice-Prinzip kann der User dann seine Antwort auf die jeweilige Frage auswählen.

„Das Ergebnis des Musik-O-Maten ist keine Wahlempfehlung, sondern zeigt lediglich eine Übereinstimmung zwischen persönlichen Musikgeschmack und den Antworten der Parteien“, schreibt Deezer auf der Webseite des Musik-O-Maten. Dazu seien alle als etabliert geltenden Parteien befragt worden. Aufgrund Deezers Engagements in der Kampagne „Musik ist bunt” wurde die Alternative für Deutschland allerdings ausgenommen. Die AfD Bayern wiederum fand das gar nicht lustig und schießt auf ihrer Facebookseite gegen den Streamingdienst: 

Fazit: Ein witziger Zeitvertreib, der – zumindest bei der Testerin – überraschend genau die Ergebnisse der anderen Wahl-O-Maten widerspiegelt. 

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